Süßer Mondkuchen? Salziger Mondkuchen? Wie in jedem Jahr streiten Chines*innen aus dem Norden und dem Süden des Landes über diese Frage……甜月饼?咸月饼? 南方人和北方人又吵起来了…
Autor*innen: Yu Shiqi 喻诗琦 & Ning Wenyu 宁文羽
Mondkuchen (yuebing 月饼) sind ein traditionelles Gebäck, das zum Mondfest (zhongqiu jie 中秋节) gegessen und verschenkt wird. Ihre runde Form symbolisiert die Ganzheit und das Licht des Mondes (Yeh 2003). Bereits in der Tang-Dynastie (618-907 n. Chr.) wurden dem Fest zahlreiche Gedichte gewidmet, und spätestens in der Song-Dynastie wurde es im ganzen Land gefeiert (Ke 1986). In jüngster Zeit jedoch hat sich eine lebhafte Debatte entzündet: Süß oder salzig? Nordchinesisch oder südchinesisch? Doch welche gilt als die „authentische“ (zhengzong 正宗)?
Infokarte: Mondfest (zhongqiu jie 中秋节)
„Das Mittherbstfest (zhongqiu jie 中秋节), auch bekannt als Herbstmondfest, Fest des Zusammenkommens (tuan yuan jie) oder Augustfest (bayue jie), fällt auf den 15. Tag des achten Monats [des Mondkalenders] und in die „Mitte des Herbstes”, daher der Name zhongqiu. In dieser Nacht ist der Vollmond besonders hell. Das Fest wird mit einer fröhlichen Zusammenkunft der ganzen Familie gefeiert, die symbolisch die Ganzheit und Helligkeit des Mondes widerspiegelt. Aufgrund dieser Assoziation haben auch die Mondkuchen, die zu diesem Fest gebacken und gegessen werden, [und] ihre runde Form sind mit Glück verheißenden Schriftzeichen versehen. An diesem Abend sitzen die Familien im Freien, trinken Wein und genießen den Anblick des Vollmonds. Viel traditionelle Lyrik ist diesem Thema gewidmet, oft Gedanken an geliebte Menschen wachrufend, die in dieser Nacht fern sind, aber denselben Mond ansehen. In der Qing-Zeit entstanden viele Zeremonien um das Mondfest, z.B. das Darbringen von Opfergaben an den Mond oder das Anzünden von Weihrauch in Pagodenform; diese Zeremonien sind in vielen Illustrationen der Zeit abgebildet. Nach Gründung der Volksrepublik lebte das Fest weiter und mit ihm einige der traditionellen Bräuche wie Familienzusammenkünfte, die Betrachtung des Mondes und das Essen von Mondkuchen.“ (Yeh 2003: 218)
- Süße Füllungen: Beliebte süße Füllungen sind z.B. Rote Bohnenpaste, Fünf-Nuss-Füllung (bestehend aus einer Mischung aus Nüssen und Samen), Dattelpaste und Grüne Bohnenpaste.
- Salzige Füllungen: Salzige Mondkuchen werden oft mit gesalzenem Enteneigelb oder Fleisch gefüllt. In Südwest-China ist Schinken-Füllung sehr beliebt.
Es gibt viele Arten von Mondkuchen. Diese Vielfalt der Mondkuchen zeigt die regionalen Unterschiede und die Liebe zum Detail, die in ihre Zubereitung fließen, z.B.
(Bildrecht: Commons Wikimedia)
Beijing-Stil (jingshi 京式)
Leicht und süß, oft mit roten und weißen Bohnen gefüllt.
Guangdong-Stil (guangshi 广式)
Schwerer und öliger Teig mit reichhaltiger Füllung, wie Lotus-Paste (lianrong 莲蓉).
(Bildrecht: Hạnh Nguyễn)
(Bildrecht: Zhu Yichen)
Suzhou-Stil (苏式月饼)
Blätterteigartige Kruste (supi 酥皮), oft süß oder salzig.
Yunnan-Stil (dianshi 滇式)
Kräftiger, oft mit einer Kombination aus süßen und salzigen Zutaten.
(Bildrecht: Baidu Baike)
Yunnan-Fujian-Stil (minnan 闽南)
Besonders groß und dick, mit weichem Teig und oft mit Süßkartoffel oder Erdnüssen gefüllt.
(Bildrecht: Yu Shiqi)
Hongkong-Stil (gangshi 港式)
Typischerweise mit Eis- oder Obstfüllungen.
(Bildrecht: duidui Chu)
Das innovative und „kommerziell orientierende“ Denken (shangyehua siwei 商业化思维)Chinas zeigt sich auch hier. Neben traditionellen Füllungen wird Konsumenten heute eine breite Auswahl an kreativen Varianten geboten. Zu den neuen, teils kuriosen Kreationen zählen Geschmacksrichtungen wie Matcha, Eiscreme, aber auch experimentelle Zutaten wie eingelegtes Gemüse (zhacai 榨菜), Schneckensuppe (luoshi fen 螺狮粉) und sogar Koriander (xiangcai 香菜). Diese „exotischen“ Varianten laden euch dazu ein, sie einfach mal auszuprobieren!
Der „Nord-Süd-Streit“ (nanbei zhi zheng 南北之争) unter Chines*innen erstreckt sich auch auf weitere kulinarische Traditionen wie Zongzi (Klebreisecke 粽子), Doufunao (Tofu-Pudding 豆腐脑) und Tangyuan (Klebreiskugel 汤圆). Die Vorlieben für süße oder salzige Varianten dieser Speisen können dazu beitragen, regionale Vorurteile zu verfestigen und Missverständnisse zu verstärken, wenn sie übermäßig betont werden.
(Bild: Screenshot von Kommentaren unter einem Post @开心鸭鸭 in xiaohongshu, 28.05.24. http://xhslink.com/a/NHXb8niLzcvW. Es zeigt, wie Chines*innen aus dem Norden und dem Süden des Landes über diesen Fragen streiten. )
China wird geografisch oft in den Süden und den Norden geteilt. Diese Unterscheidung beruht auf verschiedenen natürlichen Gegebenheiten, wie dem Huaihe(huaihe 淮河) und Qin-Ling-Gebirgszug (qinling 秦岭). Der Norden ist bekannt für sein kälteres Klima und eher trockene Landschaften, während der Süden ein wärmeres und feuchteres Klima aufweist, was zu unterschiedlichen Lebensstilen, Nahrungsmitteln und kulturellen Eigenheiten führte.
(Bildrecht: Ning Wenyu)
Infokarte
Die Qinling-Huaihe-Linie (qinling huaihe xian 秦岭淮河线) teilt China geografisch in den Norden und den Süden anhand von drei Hauptkriterien: Erstens verläuft sie entlang der 800-mm-Niederschlagsgrenze, die den Übergang von feuchten zu halbtrockenen Gebieten markiert. Zweitens entspricht sie weitgehend der Januar-0°C-Isotherme, die bestimmt, ob Flüsse im Winter zufrieren. Im Süden bleibt die Temperatur über 0°C, während im Norden häufig Frost herrscht. Drittens trennt sie subtropische immergrüne Laubwälder (yaredai changlü kuoye lin 亚热带常绿阔叶林) im Süden von gemäßigten Laubwäldern (wendai luoye kuoye lin 温带落叶阔叶林) im Norden, was auch als Unterscheidung zwischen der subtropischen und der warm-gemäßigten Zone (nuanwen dai 暖温带) dient.(vgl. Zheng et. al.2008).
Zudem handelt es sich nicht um eine exakt definierte Linie, sondern präziser um eine Übergangszone. Es werden im Zuge des Klimawandels Verschiebungen in den Temperaturgrenzen festgestellt, die zur Neuausmessung und Neudefinition dieser Zone herangezogen werden. (vgl. Zhang 2019; Qin et. al. 2023)
(Bildrecht: Yu Shiqi)
Für die Nord-Süd-Differenzierung (nanbei chayi 南北差异) gibt es historische und geographische Gründe. Das Klima wirkt sich z.B. auf die landwirtschaftliche Produktion aus. Diese Differenzierung ist aber auch eine sozio-kulturelle Produktion. Die Polarisierung durch Süd und Nord führt oft zur Verstärkung von regionalen Stereotypen und kann diskriminierende Tendenzen fördern. Durch die Reduktion auf vermeintlich typische Eigenschaften des Nordens oder Südens wird die enorme Diversität innerhalb der Regionen Chinas übersehen. Solche Vereinfachungen können soziale Spannungen verstärken und ignorieren die komplexen, dynamischen kulturellen Unterschiede Chinas. Regionen haben nicht nur unterschiedliche Traditionen, sondern auch vielfältige soziale und ethnische Strukturen, die dieses Schubladendenken untergraben.
Zur Vertiefung des Themas empfiehlt sich ein Blick auf das Material von Jonas Schmidt auf der Website der China-Schul-Akademie.
Mondfest! Zum Weiterlesen/-schauen
Film I Fly Me to the Moon (Regie: Sasha Chuk 祝紫嫣, 2023)
Kommentar/ 推荐理由
Ein berührendes Familiendrama, das die Reise eines jungen Mannes in seine Heimatstadt während des Mondfestes zeigt. Der Film erkundet Themen wie Identität, familiäre Erwartungen und den emotionalen Abstand zwischen den Generationen vor dem Hintergrund der symbolischen Bedeutung des Mondfestes. Mit poetischen Bildern und einer tiefgehenden Erzählung verbindet der Film Tradition und persönliche Selbstfindung. (Yu Shiqi)
Literaturempfehlung I Wang Zengqi: Notizen aus der Heimat.
汪曾祺《晚饭花》,选自《故里杂记》
Zitat:
„Im Süden wohnte eine Familie mit dem Namen Xia. Wenn man ihr Haus betrat, kam man direkt zur Feuerstelle, dahinter erstreckte sich ein recht großer Innenhof. Diese Familie legte großen Wert auf das Mondfest. Jedes Jahr am Mondfest kamen die Kinder aus der Nachbarschaft zu ihnen, um im Hof die noch blühenden Lotusblumen zu betrachten, die großen Osmanthusbäume und die Fische im Wasserbecken. Sie sahen, wie im Hof ein niedriger quadratischer Tisch aufgestellt wurde, auf dem grüne Bohnen, Taro, Mondkuchen und ein Weinkrug bereitstanden, während die Familie sich auf das Mondschauen vorbereitete.“ (Wang 1986, übersetzt von Yu Shiqi)
“靠南一家姓夏。这家进门就是锅灶,往里是一个不小的院子。这家特别重视过中秋。每年的中秋节,附近的孩子就上他们家去玩,去看院子里还在开着的荷花,几盆大桂花,缸里养的鱼;看他家在院子里摆好了的矮脚的方桌,放了毛豆、芋头、月饼、酒壶,准备一家赏月。” (chinesisches Original)
Kommentar I „Durch drei Generationen von Erinnerungen an das Mondfest: Eine neue Interpretation von ‘Vollendung’„
Kommentar/ 推荐理由:
各地的中秋都不大一样,节日固然是集体的,却也是个人记忆里的那抹最深的乡愁和特别的家里的味道。
Im Beitrag von Sanlian Lifeweek (三联周刊), der aus einer Sammlung von Lebensgeschichten über das Mondfest entstanden ist, berichten drei zivilgesellschaftliche Akteur*innen von ihren persönlichen Erinnerungen – sei es durch die süßen Kaki, die Suppe des Vaters oder die digitale Kochaktion einer jungen Studentin im Ausland mit ihren Eltern.
In jeder Region wird das Mondfest etwas anders gefeiert, und obwohl es ein kollektives Ereignis ist, ist es auch die tiefste Form von Heimweh und die Küche des eigenen Zuhauses, die in den persönlichen Erinnerungen jeder Person unterschiedlich verankert ist. (Yu Shiqi)
Podcast I „Es ist wieder Zeit, Krabben und Chrysanthemen zu bewundern– Eine Unterhaltung über Krabben“
Kommentar/ 推荐理由:
In vielen Regionen Chinas ist es Tradition, während des Mondfests Krabben zu essen. Dieser Brauch hat tiefe historische Wurzeln und spiegelt die lange Geschichte der chinesischen Küche wider. Der Podcast beleuchtet die kulturelle Bedeutung des Krabbenessens während des Mondfests und bietet spannende historische Einblicke in die Entwicklung dieses Rituals. (Yu Shiqi)
Literaturverzeinis
Domrö, Manfred. 2003. „Klima“. In Das grosse China-Lexikon, herausgegeben von Brundhild Staiger, Stefan Friedrich, und Hans-Wilm Schütte, 374–80. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Domrös, Mannfred. 2003. „Naturraum“. In Das grosse China-Lexikon, herausgegeben von Brundhild Staiger, Stefan Friedrich, und Hans-Wilm Schütte, 536–38. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Hu Shiu-Ying. 2005. Food plants of China. Hongkong: Chinese University Press.
Serenitie Wang. 2020. „How the ‘durian of soup’ became the hippest dish in China“. CNN Travel. 8. November 2020.
Yeh, Catherrine. 2003. „Feste“. In Das grosse China-Lexikon, herausgegeben von Brundhild Staiger, Stefan Friedrich, und Hans-Wilm Schütte, 218. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
戴霖 und 蔡运章. 2005. „秦简《归妹》卦辞与”嫦娥奔月”神话“. 史学月刊, Nr. 9, 16–21. [Dai lin und Cai Yunzhang. 2005. „Hexagram Statement“Gui Mei” Written on Bamboo Slips in Qin Dynasty and Myth “Goddess Chang Flying to Moon”“. Journal of Historical Science, Nr. 9, 16–21.]
方跃平 und 曹洪洋. 2023. „中秋节吃月饼习俗起源考“. 中国矿业大学学报, Nr. 3 (Mai), 169–79. [Fang Yueping und Cao Hongyang. 2023. Untersuchung der Herkunft des Brauchs, Mondkuchen während des Mittherbstfestes zu essen. Journal of China University of Mining & Technology, Nr. 3 (Mai), 169–79.]
黄石. 1963. 端午礼俗史. 台北: 东方文化书局. [Huang Shi. o. J. Geschichte der Bräuche des Drachenbootfests. Taipei: Verlag der Ostkultur.]
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蜜罐吃书. o. J. „又到持螯赏菊时——聊聊螃蟹的趣闻史话“. Zugegriffen 21. September 2024. [mì guà chī shū. o. J. „Es ist wieder Zeit, Krabben und Chrysanthemen zu bewundern– Eine Unterhaltung über Krabben“. Zugegriffen 21. September 2024.]
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郑度, 杨勤业, und 吴绍洪, 等. 2008. 中国生态地理区域系统研究. 北京: 商务印书馆. [Zheng Du, Yang Qinye, und Wu Shaohong, et al. o. J. Study on ecogeographic regional system of China. Peking: Commercial Press.]