M1.2: Ist China eine Meritokratie? – Weiterführende Informationen

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Autor*in: Li, Eric X.Datum: 06.2013Quelle: Li, Eric X. 2013. „Zwei Politische Systeme“. TEDGlobal. https://www.ted.com/talks/eric_x_li_a_tale_of_two_political_systems?language=deRechte: CC BY-NC-ND 4.0Objektbeschreibung: TED-Talk des Unternehmers Erix X. Li

Einordnung: Eric X. Li (Li Shimo 李世默) studierte an der University of California, Berkeley, Stanford University und hat einen PhD in Politikwissenschaften der prestigeträchtigen Shanghaier Fudan University (Fudan daxue 复旦大学). Er ist ein erfolgreicher Unternehmer und Investor, u.a. Gründer der Risikokapitalgesellschaft Chengwei Capital und der Nachrichtenplattform „Beobachter“ guancha.cn (guanchazhe wang 观察者网). Er publiziert regelmäßig in den US-amerikanischen Zeitschriften wie Foreign Affairs, New York Times u.ä. und spricht auf Wirtschaftskonferenzen und bei Business Schools. Er ist zudem affiliiert mit dem wirtschaftsnahen Berggruen China Center. Aufgrund seiner Präsenz in den internationalen Medien und seiner oft propagandistisch anmutenden Thesen wird Li auch als internationales Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) bezeichnet – doch auch Li ist schon in die Mühlen der Zensur gefallen (Jung 2018).

Der Veröffentlichung von Lis TED-Talk wurde eine Kritik des in Beijing 北京 geborenen und an der renommierten MIT Sloan School of Management in den USA tätigen Politikwissenschaftlers Yasheng Huang (Huang Yasheng 黄亚生) angehängt, die ebenfalls über die Webseite der Organisation zugänglich ist (Huang 2013b). Huang kritisiert die aus wissenschaftlicher Perspektive unqualifizierten Aussagen Lis: Er weist auf die Demokratisierung vieler, vor allem reicher Länder hin, kritisiert den von Li zitierten Transparency International Index und führt die hohe Zustimmung der chinesischen Bevölkerung zum politischen System auf die Grenzen der freien Meinungsäußerung und Problematiken der Datenerhebung im Land zurück. Huang stellt Lis Darstellung der historischen „Anpassungsfähigkeit“ der Partei in Frage, weist auf den fehlenden Zusammenhang zwischen politischem System und wirtschaftlicher Entwicklung eines Landes hin und zeigt Inkonsequenzen in Lis Argumentation auf. Die gleiche Auseinandersetzung lässt sich in der renommierten Zeitschrift Foreign Affairs nachvollziehen, in welcher sowohl Eric X. Li als auch Huang ihre Thesen ausführen (Li 2013; Huang 2013a).

Die von der gemeinnützigen Organisation TED Conferences LLC (Technology, Entertainment, Design) ausgerichteten TED Talks sind für ihre kurzweilige Darstellung komplexer Themen und für brillante Rhetorik – kurz ihr erfolgreiches „Infotainment“ – bekannt geworden. Die erste Konferenz wurde 1984 veranstaltet. Ab 1990 verstetigte sich die TED Konferenz als jährliche Veranstaltung in Long Beach, Kalifornien. Seit 2006 werden ausgewählte Vorträge online zugänglich gemacht. Mittlerweile existieren mehrere Ableger, z.B. TEDx, TEDGlobal, TED-Ed und andere. Die Videos der Organisation sind so erfolgreich und stilprägend, dass sogar Ratgeber zur Rhetorik im TED-Stil des Storytellings erschienen sind (Edelkraut und Balzer 2016). Auch im Unterricht kann das Format eines TED-Talks als Vorbild genutzt werden, um Präsentationstechniken zu reflektieren und praktisch einzuüben. Zugleich wird Kritik bezüglich des Einkommensmodels der Organisation laut: Trotz hohen Einkünften aus Ticket-Preisen werden Redner*innen und Übersetzer*innen nicht bezahlt. Auch die Verherrlichung von Technologie und die Idealisierung eines/einer öffentlichkeitswirksamen Intellektuellen durch das Format wird kritisiert: Der/die Wissenschaftler*in wird zum Konsumobjekt und habe so nicht nur den Strukturen der akademischen Forschung, sondern auch den Zwängen der Konsumwelt zu gehorchen (Shumar 2016). Auch die Auswirkungen von amplifizierter Sichtbarkeit von nicht-akademischen Stimmen, insbesondere im Bereich der Technologie, gegenüber von wissenschaftlichen Ergebnissen kann kritisch betrachtet werden (Jurgenson 2012). Diese Problematik kann am Beispiel von Eric X. Lis Vortrag verdeutlicht werden: Eric X. Li ist Unternehmer, sein Vortrag wurde schon über drei Millionen Mal aufgerufen – Huang Yashengs wissenschaftliche Kritik im Format eines Blogbeitrages bzw. die Diskussion in den Seiten der Zeitschrift Foreign Affairs ist wohl kaum von ähnlich Vielen wahrgenommen worden.

Viele der Nachteile, die in der hier dargestellten Form von Demokratie beschrieben sind, treffen eher auf angloamerikanische Systeme zu. Ihnen wird in Deutschland oft schon mit meritokratischen Elementen, indirekter Repräsentation, der Einschränkung direkter Demokratie und dem im Mehrparteiensystem unerlässlichen Kompromissstreben Rechnung getragen.


(Odila Schröder, 30.4.2021)

Verwendete Literatur

Berggruen, Nicolas und Nathan Gardels. 2013. Klug regieren: Politik für das 21. Jahrhundert. Übers. von Heike Schlatterer. Freiburg ; Basel ; Wien: Herder. Zitieren

Eine abgeschwächte Variante der Meritokratie-These findet sich in diesem Buch des deutsch-amerikanischen Unternehmers und Gründer des Berggruen China Centers Nicolas Berggruen und des Journalisten Herausgebers des Noema Magazins und Mitgründes des Berggruen China Centers, Nathan Gardels.

Carlson, Benjamin. 2013. When a TED talk is a propaganda tool. Salon. 8. November. https://www.salon.com/2013/08/11/ted_talk_is_propaganda_tool_for_chinese_communism_partner/ (zugegriffen: 21. April 2021). Zitieren
Edelkraut, Frank und Stephan Balzer. 2016. Inspiring! Kommunizieren im TED-Stil. Wiesbaden: Springer Gabler. Zitieren

Dieses Buch dient als Anleitung zur erfolgreichen Wissenschaftskommunikation im Stil eines TED-Talks. Darüber hinaus geht es auf die Wirkungen des Genres in Bezug auf globale Vernetzung und Innovations ein.

Huang, Yasheng. 2013. A critique of Eric X. Li’s “A tale of two political systems”. TEDBlog. 1. Juli. https://blog.ted.com/why-democracy-still-wins-a-critique-of-eric-x-lis-a-tale-of-two-political-systems/ (zugegriffen: 21. April 2021). Zitieren
Huang, Yasheng. 2013. Democratize or Die: Why China’s Communists Face Reform or Revolution Essay. Foreign Affairs 92, Nr. 1: 47–54. https://heinonline.org/HOL/P?h=hein.journals/fora92&i=83 (zugegriffen: 11. Dezember 2020). Zitieren
Jung, Chauncey. 2018. Even propagandist Eric X. Li falls victim to a new censorship campaign. SupChina. 14. November. https://supchina.com/2018/11/14/even-propagandist-eric-x-li-falls-victim-to-a-new-censorship-campaign/ (zugegriffen: 28. April 2021). Zitieren
Jurgenson, Nathan. 2012. Against TED. The New Inquiry. 15. Februar. https://thenewinquiry.com/against-ted/ (zugegriffen: 30. April 2021). Zitieren
Li, Eric X. 2013. The Life of the Party: The Post-Democratic Future Begins in China Essay. Foreign Affairs 92, Nr. 1: 34–46. https://heinonline.org/HOL/P?h=hein.journals/fora92&i=52 (zugegriffen: 11. Dezember 2020). Zitieren

Dieser Artikel, publiziert in der renommierten Zeitschrift Foreign Affairs, kann als Grundlage und Ausführung von Eric X. Lis TED-Talk verstanden und herangezogen werden.

Shumar, Wesley. 2016. „Being TED“: The university intellectual as globalised neoliberal consumer self. Learning and Teaching: The International Journal of Higher Education in the Social Sciences 9, Nr. 2: 89–108. https://www.jstor.org/stable/44645786 (zugegriffen: 30. April 2021). Zitieren
O A. 2013. We need to talk about TED | Benjamin Bratton. the Guardian. 30. Dezember. http://www.theguardian.com/commentisfree/2013/dec/30/we-need-to-talk-about-ted (zugegriffen: 30. April 2021). Zitieren