US-chinesischer Handelskrieg seit 2016 – Weiterführende Informationen

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Urheber*in: Chad CroweRechte: Freigabe erteilt am 06.08.2024.Titel: Two ChimericasEntstehungsdatum und -ort: 2007, 2018Einordnung: Die zwei Karikaturen des amerikanischen Künstlers Chad Crowe sind im Zusammenhang mit dem Neologismus „Chimerica“ entstanden. Das ist ein Begriff, den der Wissenschaftler Neil Ferguson 2007 prägte, als die erste Karikatur entstand (Ferguson/Schularick 2007). Er argumentierte seinerzeit, dass das chinesische, exportinduzierte Wachstumsmodell und der amerikanischen Konsum gegenseitig füreinander unverzichtbar seien. Die Volksrepublik (VR) China finanziere Amerikas Konsumschulden, China wurde dadurch aber auch zum größten Gläubiger der USA. Doch die reine Begriffswahl Chimerica zeigte schon 2007, dass es sich hierbei keineswegs um eine harmonische, von potentiell negativen Folgen freie Handelsbeziehung handelte. Denn Chimerica erinnert an die Chimäre, jenes antike Wesen aus einer griechischen Sage, in der ein hässliches Ungeheuer (Löwe, Ziege und Schlange in einem) vorkommt. Es ist also eine Fusion von Teilen, die nicht zueinander passen. Die Karikatur verschmelzt die geographischen Umrisse der Landkarten beider Länder zudem auf interessante Weise.

Die US-chinesischen Handelsbeziehungen verwoben sich trotz der Risiken und sogar nach der Weltfinanzkrise 2008 und des Ausbruchs des US-chinesischen Handelskrieges 2016 weiterhin (siehe M3.3 ). 2017 war das US-Handelsdefizit mit der VR China auf 380 Mrd. USD gewachsen. Im Jahr 2019 beliefen sich die Gesamtschulden Amerikas auf 22,3 Billionen Dollar, wovon 30% ausländische Investor*innen hielten. Von 6,4 Billionen Dollar Auslandsschulden trug 2013 alleine die VR China zeitweise 1,3 Billionen Dollar. Auch wenn Beijing mittlerweile einige Staatsanleihen reduziert hat, ist die VR China nach wie vor mit 17% Anteil Hauptschuldner der USA im Ausland. Dies hat Vorteile für die VR China, denn das Land kann so seine Währung, den Yuan, gegenüber dem US-Dollar schwach halten. Exporte bleiben so günstiger. Die US-Konsument*innen profitierten dagegen von niedrigen Preisen chinesischer Produkte (Handelszeitung 2019).

Spannend im Unterricht zu interpretieren sind die Unterschiede zwischen der alten (2007, oben) und neuen (2018, unten) Karikatur. Ist man sich in der 2007er-Variante noch gegenseitig zugewandt und tauscht fröhlich Waren (für die USA) und Geld (für China) aus, so hat man sich 2018 voneinander längst abgewandt und strebt auseinander. Trotzdem kann man sich nicht erfolgreich voneinander lösen – zu groß ist nach wie vor die Abhängigkeit. Stattdessen verletzt man sich wissentlich mit jeweils einer Säge – was den US-chinesischen Handelskrieg seit 2016 illustriert. Auch Ferguson beschreibt in neueren Publikationen diese Entwicklung: Chimerica existiere nach wie vor, aber „die Ehe ist geschieden“ und man ist nun auf Krawall gebürstet (Ferguson/Xu 2018).

Zunächst warf die Trump-Administration ab 2016 der VR China „unfaire“ Handelspraktiken und „geistigen Diebstahl“ vor. Es folgten mehrere gegenseitige Runden von Strafzöllen, welche in unterschiedlichen Bereichen wie Solar, Aluminium oder Stahl verhängt wurden. Auch die Biden-Regierung behielt diese Sanktionen im Wesentlichen bei. Sie weitete die Sanktionen sogar auf neue Bereiche aus und schneidet die VR China beispielsweise von den modernsten Computerchips ab. China hingegen könnte mit dem Verkauf aller US-Währungsreserven möglicherweise eine Finanzkrise auslösen. Das zeigt das gegenseitige Verletzungspotential, das die Karikatur ausdrückt. Einen ausführlichen (englischsprachigen) Überblick zum Handelskrieg vom renommierten Peterson Institute for International Economics finden Sie hier: https://www.piie.com/blogs/realtime-economics/four-years-trade-war-are-us-and-china-decoupling (2022) sowie aktuell (2024): https://www.piie.com/blogs/realtime-economics/2024/how-will-china-respond-bidens-tariffs-look-trumps-trade-war

Der US-chinesische Handelskrieg seit 2016 war außerdem ein wesentlicher Treiber der wieder einsetzenden Welle des Protektionismus in der Weltwirtschaft, welche in den Jahrzehnte davor von Liberalisierung, einer Reihe von Freihandelsabkommen und generell dem Abbau von Handelshürden geprägt war. Auch auf Deutschland könnte dies erhebliche Auswirkungen haben (ifo-Institut 2022).

Sascha Zhivkov, 05.08.2024

Verwendete Literatur

Bundeszentrale für politische Bildung. 2020. Verschobene Machtverhältnisse: Handelskrieg zwischen China und den USA. bpb.de. 4. Dezember. https://www.bpb.de/themen/asien/china/322240/verschobene-machtverhaeltnisse-handelskrieg-zwischen-china-und-den-usa/ (zugegriffen: 24. Oktober 2024). Zitieren
Ferguson, Niall und Moritz Schularick. 2007. ‘Chimerica’ and the Global Asset Market Boom. International Finance 10, Nr. 3: 215–239. http://doi.org/10.1111/j.1468-2362.2007.00210.x, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/j.1468-2362.2007.00210.x (zugegriffen: 7. August 2024). Zitieren
Ferguson, Niall und Moritz Schularick. 2011. The End of Chimerica. International Finance 14, Nr. 1: 1–26. http://doi.org/10.1111/j.1468-2362.2010.01274.x, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/j.1468-2362.2010.01274.x (zugegriffen: 7. August 2024). Zitieren
Ferguson, Niall und Xiang Xu. 2018. Making Chimerica great again. International Finance 21, Nr. 3: 239–252. http://doi.org/10.1111/infi.12335, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/infi.12335 (zugegriffen: 7. August 2024). Zitieren
Handelszeitung. 2019. China ist grösster Gläubiger der USA: Waffe im Handelskrieg? Handelszeitung, 8. Dezember. https://www.handelszeitung.ch/konjunktur/wenn-china-die-zahne-fletscht (zugegriffen: 7. August 2024). Zitieren
ifo-Institut. 2022. Handelskrieg mit China würde Deutschland sechsmal so viel kosten wie der Brexit | Pressemitteilung | ifo Institut. 8. August. https://www.ifo.de/pressemitteilung/2022-08-08/handelskrieg-china-deutschland-kosten (zugegriffen: 24. Oktober 2024). Zitieren