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Autor | Titel | Objektbeschreibung | Datum | Einordnung |
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Urheber*in: Datengrundlage Weltbank. Grafik Macrotrends | Titel: China Foreign Direct Investment 1960-2024 | Quelle: https://www.macrotrends.net/global-metrics/countries/chn/china/foreign-direct-investment | Entstehungsdatum und -ort: 2021, Beijing | Einordnung: Im Zuge der wirtschaftlichen Reformen nach 1978 unter Deng Xiaoping 邓小平 (1904-1997) war die Öffnung nach außen eine wichtige Kernkomponente. Dies ist bemerkenswert, da – anders als während der Republik China bis 1949 – ausländische Investitionen in der VR China bereits seit den frühen 1950er-Jahren nicht mehr möglich waren. Eine Ausnahme bildeten gemeinsame Unternehmen mit der Sowjetunion, bis man auch diese nach dem sino-sowjetischen Zerwürfnis Ende der 1950er-Jahre nicht mehr fortführte (Kaiser et. al 1996: 44). Der Paradigmenwechsel unter Deng leitete die Gründung von vier Sonderwirtschaftszonen in Shenzhen 深圳, Xiamen 厦门, Zhuhai 珠海 und Shantou 汕头 ab 1980 ein. Sie stellten abgetrennte Rechtsgebiete dar, in denen vom Festland abweichende rechtliche Bestimmungen galten, welche nur dort ausländische Investitionen zuließen. So konnten Risiken minimiert werden und sie waren zudem weit vom politischen Zentrum in Beijing entfernt (Zeng 2015: 4). Der chinesische Binnenmarkt sollte weiterhin vor zu starker ausländischer Konkurrenz abgeschirmt werden. Für die Volksrepublik (VR) China wird in der Wissenschaft häufig von einem „exportinduzierten Wachstumsmodell“ gesprochen. Das bedeutet, dass die Wirtschaftsentwicklung maßgeblich von der Exportwirtschaft getragen wird. Ausländische Firmen produzierten in den 1980er- und 90er-Jahren in der Regel nicht für den chinesischen Binnenmarkt (der in vielen Bereichen auch noch verschlossen war), sondern nutzten die geringeren Lohnstückkosten und Subventionen in China, um ihre günstigen Produkte anschließend auf den Weltmärkten zu verkaufen. Die Grafik des Materials verdeutlicht dies anhand des prozentualen Anteils von ausländischen Direktinvestitionen (engl.: Foreign Direct Investment, FDI) im Vergleich zum gesamten chinesischen Bruttoinlandsprodukt. In den 1980er-Jahren waren die zur Verfügung stehenden Lokalitäten für Investitionen auf zwei chinesische Provinzen (Guangdong 广东 und Fujian 福建) beschränkt. Obwohl dort bereits wichtige Modernisierungsprozesse angestoßen wurden, bleibt der FDI-Anteil am Gesamt-BIP zu dieser Zeit recht niedrig und unter 1%. Die wirtschaftliche Öffnung nach außen wurde wegen der Tian’anmen-Proteste 1989 zeitweilig von der kommunistischen Partei in Frage gestellt. Deng Xiaoping, der seinen Reformkurs weitergehen sehen wollte, unternahm daher seine Reise in den Süden (Deng Xiaoping nanxun 邓小平南巡) im Frühjahr 1992. Er besuchte unter anderem die Sonderwirtschaftszonen und mahnte zu noch viel weitergehenden, mutigeren Reformen als bislang. Als sich dieser Kurs parteiintern durchgesetzt hatte, begannen kurz darauf ausländische Unternehmen über Hongkong als „Tor nach China“ massiv nach China zu investieren. Sie stammten insbesondere aus Taiwan, von Firmen der Überseechines*innen sowie aus dem Westen. Es standen nun immer mehr Standorte zur Investition zur Auswahl – nicht nur in den Sonderwirtschaftszonen, sondern auch in diversen anderen Typen von Zonen, wie den Exportverarbeitungszonen usw. (Zeng 2010: 9-12). Ein wichtiger Grund der Relokation ausländischer Konzerne war zudem der Strukturwandel in westlichen Gesellschaften, in denen lohnintensive Produktion zu teuer geworden war. Die Grafik des Materials zeigt sehr deutlich, welche Bedeutung das FDI in der VR China erlangte: Der Anteil des FDI am BIP steigt auf 6% (1994) und fällt erst nach 2008 wieder auf unter 2% (Einordnung s. unten). Ausländische Konzerne trieben auch die Entwicklung inländischer Unternehmen voran. Mitunter erfolgte die Erlaubnis zur Investition nur mit Technologietransfer; außerdem wurden wichtige Zuliefererbeziehungen im Binnenmarkt und Wissen über moderne Unternehmensprozesse aufgebaut (Zeng 2015). Heute (2020er-Jahre) hingegen spielen ausländische Investitionen keine so tragende Rolle mehr für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung (Anteil etwa 1%), wenn gleich sie für die weitere technologische Entwicklung Chinas wichtig bleiben. Dazu ist der chinesische Markt als Absatzmarkt für ausländische Konzerne viel bedeutender geworden. Doch wie kann man die Zahlen der Grafik im Vergleich einordnen? Barry Naughton unterscheidet hierbei zwischen Nord- und Südostasien. Japan, Südkorea und Taiwan ließen ausländische Investitionen nur in ausgewählten Schlüsselbereichen zu, welche ihre rapide wirtschaftliche Entwicklung dort mit antrieben. Doch erreichte der Anteil des FDI am BIP in diesen Ländern nie mehr als 2%. In südostasiatischen Ländern wie den Philippinen, Thailand und Malaysia hingegen, wo bis heute ein der VR China ähnlich lohnintensives Exportmodell gefahren wird, erreichten die FDI-Anteile ebenfalls 4-6% des BIP. Die VR China zog allerdings zwischen 1993 und 2002 mehr als doppelt so viel FDI wie die südostasiatischen Staaten zusammengenommen an (Naughton 2018: 425f). Zur Binnendifferenzierung der FDI-Ströme innerhalb der VR China siehe M4.2. Sascha Zhivkov, 05.08.2024 Verwendete Literatur Kaiser, Stefan, David A. Kirby und Ying Fan. 1996. Foreign Direct Investment in China: An Examination of the Literature. Asia Pacific Business Review 2, Nr. 3 (1. März): 44–65. doi:10.1080/13602389600000003, https://doi.org/10.1080/13602389600000003 (zugegriffen: 6. August 2024). Zitieren
Naughton, Barry J. 2018. The Chinese Economy, Adaptation and Growth. Second Edition. MIT Press. Zitieren
Zeng, Douglas Zhihua. Building engines for growth and competitiveness in China : experience with special economic zones and industrial clusters. https://documents.worldbank.org/en/publication/documents-reports/documentdetail/294021468213279589/Building-engines-for-growth-and-competitiveness-in-China-experience-with-special-economic-zones-and-industrial-clusters (zugegriffen: 9. Juli 2024). Zitieren
Zeng,Zhihua. 2015. Global experiences with special economic zones : focus on China and Africa. Policy Research Working Paper. https://documents.worldbank.org/en/publication/documents-reports/documentdetail/810281468186872492/Global-experiences-with-special-economic-zones-focus-on-China-and-Africa (zugegriffen: 6. August 2024). Zitieren
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