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Urheber | Titel | Entstehungsdatum | Einordnung |
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Urheber*in: Yu Shiqi | Titel: Wanderarbeit 1.0 | Entstehungsdatum und -ort: Heidelberg, Januar 2025 | Einordnung: Einen großen Einfluss auf das gegenwärtige Erscheinungsbild chinesischer Städte hat die hohe Binnenmigration. Ihre lange Zeit äußerst strikte Regulierung erzeugte eine Art „unsichtbare Wand“ zwischen Stadt- und Landbewohnern (K. Chan 1994). Mit der Reform und Öffnung im Jahr 1978 und der damit einhergehenden Einführung marktwirtschaftlicher Mechanismen wurden Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft freigesetzt, die nun in die Städte drängten. Die vier Städte Shenzhen, Zhuhai, Shantou und Xiamen sowie die Insel Hainan wurden als Sonderwirtschaftszonen geöffnet. Dieser im Zuge der Industrialisierung entstandene Bedarf an Arbeitskräften wurde durch sogenannte Wanderarbeiter (nongmingong 农民工) gedeckt, welche weiterhin in ihren ländlichen Heimatorten registriert sind, aber vorwiegend in den großen Städten in Fabriken, auf Baustellen, im Dienstleistungssektor oder Gaststättengewerbe arbeiten, wo sie ein höheres Einkommen erzielen. Es wird häufig als Argument angeführt, dass Kontrollmechanismen wie das hukou-System eine massive Slum-Bildung, wie sie um die städtischen Gebiete von Entwicklungs- und Schwellenländern auftreten (bspw. Kolkata in Indien oder Lagos in Nigeria), verhindert werden konnte. Alleine in der Dekade von 2013 bis 2023 wuchs die Zahl der Wanderarbeiter*innen von 268,94 Millionen auf 297,53 Millionen Personen an. (Zhu Yu 01.05.2024; National Bureau of Statistics of China 28.02.2024)
Technologische Veränderungen haben sich seit den 2010er Jahren massiv auf die Wanderarbeiter*innen, ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen ausgewirkt. Diese Veränderungen führen zu der Unterscheidung von Wanderarbeiter*innen der ersten und der zweiten Generation. Für Wanderarbeiter*innen der zweiten Generation ist die sogenannte Gig Economy (linggong jingji 零工经济) ist ein attraktives Wirtschaftsmodell, das auf kurzfristigen und flexiblen Arbeitsaufgaben (“gig”) basiert. Diese Aufgaben werden in der Regel über digitale Plattformen vermittelt. Das Modell basiert auf neuartigen Arbeitsarrangements und durch den Einsatz von Technologie wird ein einfacherer Marktzugang ermöglicht. Einzelpersonen können dadurch Aufgaben entsprechend ihrer eigenen Zeit und Fähigkeiten selbst annehmen. Diese Wirtschaftsform bietet den Arbeitnehmer*innen eine hohe Flexibilität und Autonomie. Im Vergleich zu traditionellen Vollzeitjobs bietet die Gig Economy jedoch in der Regel kein stabiles Einkommen. Arbeitnehmer*innen erwarten keine stabilen Karriereverläufe, sondern dynamischere und individuellere berufliche Laufbahnen – mit entsprechenden Konsequenzen für die persönliche Lebensgestaltung und Zufriedenheit (vgl. De Stefano 2015; Buchak 2024). In China hat die Zahl der flexibel Beschäftigten (linghuo jiuyezhe 灵活就业者) 2022 zwei Milliarden Personen erreicht. Diese Zahl wird in Zukunft weiter steigen (vgl. China News 2022). Dazu gehören Didi-Taxifahrerinnen (Didi ist die größte Taxiruf-Plattform Chinas), Uber-Fahrer*innen, Postdienste, Online-Handel über Livestreams, Bike-Sharing-Dienste, Online-Bildungsplattformen usw. Auch der Bereich der Essensanlieferung zählt zur Gig-Economy: China hat derzeit die größte Lieferplattform der Welt. 2009 wurde in der VR China die erste Lieferplattform „Haste Hunger? “ (eleme 饿了么) offiziell gegründet. Im Jahr 2022 überstieg die Zahl der User*innen in der VR China 500 Millionen (Sun Ping 2024, 19,20). Chan, Kam. 1994. Cities with Invisible Walls: Reinterpreting Urbanization in Post-1949 China. Zitieren
National Bureau of Statistics of China. 2024. Anzahl der Wanderarbeiter in China von 2013 bis 2023 (in Millionen) [Graph]. Statista. 28. Februar. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/234492/umfrage/anzahl-der-wanderarbeiter-in-china/ (zugegriffen: 17. Februar 2025). Zitieren
Sun Ping. 2024. Übergangsarbeit: Essenslieferanten in der Plattformökonomie. East China Normal University Press. Zitieren
Yan Fei. 2022. 悬浮: 异乡人的都市生存.广西师范大学出版社. Guangxi Normal University Press. Zitieren
Zhu Yu. 2024. 2023年农民工监测调查报告_部门动态_中国政府网. www.gov.cn. 5. Januar. https://www.gov.cn/lianbo/bumen/202405/content_6948813.htm (zugegriffen: 17. Februar 2025). Zitieren
O A. 2022. 中国灵活就业者已达 2 亿人. China News, 2. September. https://www.chinanews.com.cn/cj/2022/02-09/9671654.shtml. Zitieren
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