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Autor | Titel | Datum | Quelle | Objektbeschreibung | Thema | Rechte | Einordnung |
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Urheber*in: Guangming Daily (Guangming Ribao 光明日报) | Titel: Urteil im „ersten Gesichtserkennungs-Rechtsstreit“ gefällt! („Renlian shibie di yi an“ pan le! “人脸识别第一案”,判了!) | Entstehungsdatum und -ort: 10.04.2021, online auf Sohu 搜狐 | Quelle: https://www.sohu.com/a/459928589_465270 | Objektbeschreibung: Nachrichtenartikel | Thema: Gesichtserkennung, Datenspeicherung, datengesteuertes Regieren, datengesteuertes Verwalten | Bildrechte: ©Guangming Daily (Guangming Ribao 光明日报), alle Rechte vorbehalten | Einordnung: Der Fall von Guo Bing 郭兵 (1986- ) wurde in den chinesischen Medien, wie auch im Titel dieses Materials, als „erster Gerichtsfall, bei dem es um den Einsatz von Gesichtserkennung in China geht“, bezeichnet. Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um einen von zahlreichen inländischen Medienberichten, die über den Fall schrieben oder Interviews mit Guo Bing enthielten. Der Artikel erschien in der Tageszeitung Guangming Ribao 光明日报 (Licht-Tageszeitung), der offiziellen Zeitung der Partei „Demokratische Liga Chinas“ (Zhongguo Minzhu Tongmeng 中国民主同盟), die einer der acht Parteien ist, die in der VR China neben der kommunistischen Partei (Zhongguo Gongchandang 中国共产党, kurz: KPCh) zugelassen sind. Die Guangming Ribao ist eine der drei größten Tageszeitungen Chinas (zusammen mit der Renmin Ribao 人民日报 (Volkszeitung) und der Jiefangjun Bao 解放军报 (Zeitung der Volksbefreiungsarmee)) und richtet sich v. a. an intellektuelle Zirkel. Jenseits der klassischen Medien hat der Fall auch im chinesischen Internet große Aufmerksamkeit erregt. Diese Aufmerksamkeit ist bedeutsam, denn sie zeigt, dass die Debatten um Guos Fall nicht zensiert wurden – was oft bei solchen Themen geschieht, die der chinesische Staat als zu kritisch wahrnimmt. Vermutlich ließ der Staat hier eine gewisse Debatte zu, um der chinesischen Öffentlichkeit das Bild zu vermitteln, dass der Staat, vertreten durch Gerichte, Datenschutz ernst nimmt und Verbraucher*innenrechte, insbesondere das Recht auf Zustimmung zu Datennutzung, schützen will. Das Zulassen der Debatte könnte damit zu tun haben, dass Guo Bings Haltung durchaus auch von anderen chinesischen Bürger*innen geteilt wird. In einer Umfrage der Tageszeitung Xinjingbao 新京报 (Beijinger Abendnachrichten) im Januar 2021 sprachen sich 87% der Befragten gegen die Nutzung von Gesichtserkennung durch Privatunternehmen aus, da sie Datenmissbrauch durch diese befürchteten (Brown at al. 2021). Dabei lehnen die chinesischen Bürger*innen Gesichtserkennungstechnologie nicht an und für sich ab. Die Nutzung von Gesichtserkennung durch den Staat wird weitgehend akzeptiert, wenn sie mit der Wahrnehmung einhergeht, die „öffentliche Sicherheit“ zu erhöhen (Brown at al. 2021). Bei Privatunternehmen aber wollen die Bürger*innen ein Mitspracherecht über die Nutzung ihrer Daten haben. Die Kritik am Einsatz von Gesichtserkennung durch Privatunternehmen wird in China v. a. durch zahlreiche Fälle von Datenmissbrauch befeuert: Auf dem Schwarzmarkt wird (2021) eine Kombination aus persönlichen Daten und Gesichtsaufnahmen für 100 RMB verkauft, was umgerechnet ca. 14 Euro entspricht. Guo Bing wurde so zur führenden Stimme der Forderungen nach mehr Regulierung und inspirierte andere – insbesondere chinesische Jurist*innen –, sich gegen Datenmissbrauch einzusetzen. Lao Dongyan 劳东燕, Professorin für Strafrecht an der Beijinger Tsinghua Universität (Qinghua Daxue 清华大学) klagte im Jahr 2020 gegen Gesichtserkennung in der Beijinger U-Bahn (erfolglos) und in ihrer Wohnsiedlung (erfolgreich) (Brown at al. 2021). Die chinesische Regierung bemüht sich seitdem, die Datenerhebung privater Akteur*innen stärker zu regulieren und verabschiedete im Jahr 2021 neue Rechtsvorschriften, welche die Sammlung von Gesichtsdaten regeln. Auch ein neues Gesetz zum Schutz persönlicher Daten und Standards für die Verwendung von Gesichtsdaten wurden erarbeitet. Allerdings zielen alle diese neuen Regulierungen nur auf private Akteur*innen ab und nicht auf den staatlichen Sicherheitsapparat. (Marina Rudyak, 24.1.2022) Weiterführende Literatur Brown, Tristan G., Alexander Statman und Celine Sui. 2021. Public Debate on Facial Recognition Technologies in China, Nr. Summer 2021 (10. August). http://doi.org/10.21428/2c646de5.37712c5c, https://mit-serc.pubpub.org/pub/public-debate-on-facial-recognition-technologies-in-china/release/1 (zugegriffen: 24. Januar 2022). Zitieren
Jurgenson, Nathan. 2013. Bauman, Zygmunt and David Lyon. 2012. Liquid Surveillance: A Conversation. Cambridge: Polity. Surveillance & Society 11, Nr. 1/2: 204–207. https://www.proquest.com/docview/1428930839 (zugegriffen: 16. Februar 2022). Zitieren
Rieger, Marc Oliver, Mei Wang und Mareike Ohlberg. 2020. What Do Young Chinese Think about Social Credit? It’s Complicated. MERICS China Monitor (26. März). https://merics.org/sites/default/files/2020-05/200326%20MERICS%20China%20Monitor%20What%20do%20young%20Chinese%20think%20about%20social%20credit_final.pdf (zugegriffen: 28. Januar 2022). Zitieren
Die Studie wurde an drei Universitäten in China im Zeitraum Dezember 2018 bis April 2019 durchgeführt. Befragt wurden sowohl Studierende in China als auch in Deutschland. Chinesische Studierende empfinden politische Maßnahmen im Zusammenhang mit Sozialkreditsystemen überwiegend positiv. 41 bis 57 % der Befragten befürworten diese. Im Vergleich dazu sehen deutsche Studierende diese Maßnahmen deutlich weniger positiv, lediglich 19 % befürworten diese. Diese Unterschiede lassen sich durch eine Mischung aus kulturellen Faktoren, Sicherheits- und Vertrauensbedenken sowie Zensur erklären, welche in China zu höheren Zustimmungsraten für Maßnahmen, die mit Sozialkreditsystemen verbunden sind, führen. Yuan, Ye. 2021. A Professor, a Zoo, and the Future of Facial Recognition in China. Sixth Tone. 26. April. https%3A%2F%2Fwww.sixthtone.com%2Fnews%2F1007300%2Fa-professor%252C-a-zoo%252C-and-the-future-of-facial-recognition-in-china (zugegriffen: 14. Dezember 2021). Zitieren
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