M1.1: Schule im Vergleich – Alles gleich? Alles anders? – Weiterführende Informationen

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Urheber*in: Jonas Schmid, Odila SchröderTitel: Medienstimmen: Schule in der Volksrepublik China – Schule in DeutschlandEntstehungsdatum und -ort: Heidelberg 2022Bildrechte: CC BY-SAObjektbeschreibung: BildThema/Bildinhalt: Zusammenstellung von Schlagzeilen aus der Medienberichterstattung zu Schule in der Volksrepublik China und in DeutschlandBildquellen: China: NuclearVacuum: Flag-map of the People's Republic of China (PRC). 2009. Online unter: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Flag-map_of_the_People%27s_Republic_of_China.svg. CC BY-SA

Deutschland: Online unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Flag_map_of_Germany.svg. Gemeinfrei.

Quellen der Schlagzeilen:

Einordnung:

Die in diesem Material ausgewählten Schlagzeilen zu Schule in der Volksrepublik China und in Deutschland wurden ausgewählt, um Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede in der Medienberichterstattung zum Thema Schule in der Volksrepublik China und in Deutschland aufzuzeigen. Die ausgewählten Schlagzeilen können daher nicht beispielhaft für die Medienberichterstattung stehen. Im Folgenden soll, ausgehend von den vorliegenden wissenschaftlichen Studien die deutsche Medienberichterstattung über Schule in der Volksrepublik China und in Deutschland knapp charakterisiert werden. Unseres Wissens liegen aktuell keine umfassenden Untersuchungen zur medialen Berichterstattung zum deutschen Schulsystem in Deutschland vor: Eine wissenschaftliche Studie von Forscher*innen der Universität Kiel zur deutschsprachigen Medienberichterstattung über Lehrer*innen in Deutschland hat allerdings herausgefunden, dass das deutsche Schulsystem im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Lehrer*innen vor allem negativ dargestellt wird (Köller/Stcukert/Möller 2019).

Laut den wissenschaftlichen Studien, die sich bisher mit der Berichterstattung über China in deutschen Medien beschäftigt haben, spielen Bildungssystem und Schulen in der Volksrepublik China keine große Rolle in der deutschen medialen Berichterstattung.

  • Eine 2010 veröffentlichte Studie zur China-Berichterstattung, die von der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegeben wurde (Richter/Gebauer 2010), stellte fest, dass in den circa 4.000 untersuchten Medienbeiträgen aus dem Jahr 2008 Themen aus den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Technik eine extrem geringe Rolle spielten. So gingen nur 0,5% der knapp 4.000 untersuchten Medienberichte auf das Thema Bildung ein. Betont wurden in den untersuchten Medienberichten dabei vor allem der Leistungswillen im chinesischen Schulsystem und Probleme (Richter/Gebauer 2010, 72-73). Ein geringer Fokus auf gesellschaftliche Themen ist allerdings laut den Autor*innen der Studie typisch für die Auslandsberichterstattung insgesamt und kein spezifisches Phänomen der Berichterstattung zu China (Richter/Gebauer 2010, 44).
  • Eine 2014 veröffentlichte Studie zur Wahrnehmung Chinas in Deutschland, die von der Medienwissenschaftlerin Caja Thimm (Universität Bonn) herausgegeben und von der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik finanziert wurde, untersucht ebenfalls die Medienberichterstattung zu China (Thimm u.a. 2014). Die Untersuchung der Medienberichterstattung zu China im Jahr 2012 in acht deutschen Printmedien stützte dabei die Ergebnisse der Studie von Richter und Gebauer 2010: Unter den über 5.000 untersuchten Artikeln befassten sich nur 1,1% Prozent mit dem Themenfeld Bildung, Wissenschaft & Technologie (Thimm u.a. 2014, 23, 34).
  • Die Ergebnisse einer 2021 von der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgegebenen Studie ergeben ein ähnliches Bild (Jia/Leutner/Xiao 2021). Die Autor*innen untersuchten über 700 Artikel aus sieben deutschen Printmedien, die im Zeitraum von Januar bis August 2020 die Stichworte China und Covid erwähnten. Trotz dieses engeren zeitlichen und inhaltlichen Rahmens im Vergleich zur Studie von 2010 gingen nur zwei der 700 untersuchten Artikel auf Schule in der Volksrepublik China ein (Jia/Leutner/Xiao 2021, 29).
  • Eine direkte Untersuchung der Darstellung des chinesischen Bildungssystems hat Elisa Lang (2017) vorgenommen: Sie hat in einem Korpus von Artikeln aus 15 verschiedenen deutschsprachigen Print- und Onlinemedien (überwiegend aus Deutschland, einzelne aus Österreich und der Schweiz) aus den Jahren 2000-2013 135 Artikel gefunden, die sich mit Schule in der Volksrepublik China beschäftigen. Ein Teil davon geht dabei auch nur auf die Bedeutung von Chinesisch-Kenntnissen für die Zukunft deutscher Schüler*innen, die Rolle von Bildungskooperationen in den deutsch-chinesischen Beziehungen und chinesische Student*innen in Deutschland ein (Lang 2017, 107-109). In den Artikeln die sich direkt mit dem Bildungssystem der Volksrepublik China beschäftigen wird auch die Rolle des Staates und die Ideologisierung des Unterrichts sowie die Bildungsungerechtigkeiten zwischen Stadt und Land angesprochen (Lang 2017, 112-115).

Im Mittelpunkt der Berichterstattung scheinen aber vor allem als „typisch“ chinesisch dargestellte Charakteristika des Bildungssystems in der Volksrepublik China zu stehen: Bildung sei mit sozialem Aufstieg verbunden und daher hochgeschätzt. Insbesondere die Hochschulzugangsprüfung, die Gaokao entscheide über die künftige Universität und meist auch über den weiteren Werdegang. Diese Prüfung biete vielen unabhängig von der Herkunft eine Chance (Lang 2017, 110-115). Hier zeigt sich, wie auch innerchinesische Diskurse, die kritisch hinterfragt werden müssen (siehe zur Frage der Gaokao die thematische Einführung in diesem Modul) in deutschen Medien reproduziert werden.

Gleichzeitig wird das chinesische Bildungssystem aber auch als hart und voller Leistungsdruck charakterisiert, was sich auch wiederum beispielhaft an der Gaokao zeigt, die als „dramatisches Ereignis für alle Beteiligten“ – bei der Eltern und Schüler*innen unter dem Druck teils zusammenbrechen – dargestellt wird (Lang 2017, 110-115).

Diese angebliche Härte im chinesischen Bildungssystem zeigt sich auch an der Strenge und den Strafen, die Lehrer*innen gegenüber Schüler*innen zeigen und nutzen. Die Ausbildung von Leistungssportler*innen bereits an den Schulen wird in den Medienberichten zum Beispiel als „Drill und Tortur“ bezeichnet (Lang 2017, 111). Als weiteres angebliches „typisches“ Charakteristikum des chinesischen Bildungssystems wird in den Medienberichten das Auswendiglernen angeführt. Kritisches Denken könnten die Schüler*innen nicht und „sie sagen nicht, was sie denken“. Dies wird teilweise auf die angeblich hohe Stellung von Respekt gegenüber Älteren beziehungsweise Höhergestellten in der chinesischen Kultur und sogar auf den Denker Konfuzius zurückgeführt (Lang 2017, 110-112).

Auch gegenüber den Eltern zeige sich dieser Respekt, obwohl die Eltern hohen Druck auf ihre Kinder ausübten. „Chinesische Eltern (insbesondere Mütter) werden tendenziell als ›emotionslose, bildungsversessene Akteure‹ dargestellt, denen allein das (erfolgreiche) Ergebnis wichtig sei.“ (Lang 2017, 114) Die Eltern-Kind-Beziehung sei daher eine ganz andere als in Deutschland (Lang 2017, 112). Dieses Beispiel aus der Medienberichterstattung zeigt deutlich, wie (implizite) Vergleiche mit eigenen Erfahrungen in Deutschland die Wahrnehmung der Situation in der Volksrepublik China prägen. Dieser Vergleich mit der Situation in Deutschland prägt auch die Wahrnehmung der Institution Schule in der Volksrepublik China: „Die chinesische Schule wird vor allem kontrastiv zu deutschen Schulen beschrieben, meist mit Blick auf ›die Dimension und Disziplinierung‹ (ganz anders; riesengroß und voll; strikt organisiert; streng). Dabei wird das Bild eines ›anonymen und anonymisierenden Ortes‹ erzeugt, an dem eine ›große, uniforme Masse‹ an Schülern „durchgeschleust“ werde.“ (Lang 2017, 112)

Dieses stereotype, überwiegend negative Bild des chinesischen Bildungssystem in deutschsprachigen Printmedien in den Jahren 2000 bis 2013 fasst Lang (2017, 116) wie folgt zusammen (kursive Wörter stammen dabei aus den Medienberichten selbst): „Chinesische Ausbildung und Erziehung ist leistungsorientiert, autoritär und inhuman. Zuhause und in den Bildungseinrichtungen dominieren äußerste Strenge, Druck und Disziplin, Militärgleiche Abrichtung (Drill) und die Forderung unbegrenzter Leidensfähigkeit (Tortur). Unnachgiebige Lehrer bedienen sich traditioneller, erstarrter Unterrichtsmethoden wie Auswendiglernen und Nachahmen. Chinesische Schüler werden von ihren unnachgiebigen Eltern angetrieben, sind zugleich ehrgeizig, diszipliniert und duldsam (d. h. die Autorität passiv hinnehmend). Es herrscht unbarmherzige Konkurrenz, Bildung ist harter Wettbewerb. Staatliche Aufnahmeprüfungen (wie der „Gao Kao“) dienen der Elitenauslese, sie sind darum bei Eltern und Schülern der Schlüssel zum Erfolg. Die herausgehobene Bedeutung von Bildung in der chinesischen Gesellschaft ist innerstaatlich schätzenswert, denn sie ermöglicht dem Einzelnen sozialen Aufstieg und Erfolg.“

 

Wie folgenreich sind diese medialen Darstellungen und inwieweit prägen sie Vorstellungen über das chinesische Bildungssystem in der deutschen Gesellschaft? Einen kleinen Einblick bietet eine Studie aus dem Jahr 2016, bei der die Vorstellungen von Deutschen und Chines*innen zum Bildungssystem im jeweils anderen Land abgefragt wurden. Diese Studie wurde von der Firma Huawei 华为 aus der Volksrepublik China in Auftrag gegeben und vom GIGA German Institute of Global and Area Studies, der Universität Duisburg-Essen und dem TNS Emnid durchgeführt – dabei wurden auf beiden Seiten jeweils ca. 1000 Personen befragt. Auf die Frage welche Position Chinas Bildungssystem im internationalen Vergleich einnimmt, schrieben 54% der befragten Deutschen der VR China eine internationale Spitzenposition zu, 19% stimmten der Aussage „China belegt im internationalen Bildungswettbewerb teils eine Spitzenposition, teils hinkt es hinterher.“ zu und 18% sahen die VR China im internationalen Vergleich hinterherhinken. Im Vergleich schrieben 83% der befragten Chines*innen dem deutschen Schulsystem eine Spitzenposition im internationalen Vergleich zu. Eine überwiegende Mehrheit (83%) der befragten Deutschen fanden außerdem, dass das chinesische Bildungssystem stärker auf Leistungsdruck setzt als andere Länder (Nosselt/Schüller/Schüler-Zhou 2016, 178). Ein Zusammenhang mit der medialen Berichterstattung über Schule in China, die oft von Leistungsdruck spricht, liegt nahe.

Auch aktuell erscheinen in deutschen Medien weiterhin viele Berichte über den Leistungsdruck chinesischer Schüler*innen – für Beispiele aus den Jahren 2021 und 2022 siehe beispielsweise: Aachener Zeitung 2022, Kamp 2021, Lu 2021. Gleichzeitig wurde 2021 und 2022 auch verstärkt über die Bildungsreformen der chinesischen Regierung berichtet, die zum einen den Druck auf chinesische Schüler*innen reduzieren sollten, gleichzeitig aber auch mit einer Ideologisierung des Unterrichts einhergingen (siehe dazu auch die Lerneinheit 10 in diesem Lernmodul) – siehe dazu: tagesschau 2022, Stegner 2021, RP Online 2021.


Jonas Schmid, 27.06.2022

Verwendete Literatur

Jia, Changbao, Mechthild Leutner und Minxing Xiao. 2021. Die China-Berichterstattung in deutschen Medien im Kontext der Corona-Krise: Studie im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Berlin: Rosa-Luxemburg-Stiftung. https://www.rosalux.de/publikation/id/44908/die-china-berichterstattung-in-deutschen-medien. Zitieren
Kamp, Matthias. 2021. Der Druck auf Chinas Schulkinder ist so gross, dass viele krank werden. Neue Zürcher Zeitung, 24. November. https://www.nzz.ch/international/china-das-bildungssystem-ist-ungerecht-und-verursacht-stress-ld.1655736 (zugegriffen: 31. Mai 2022). Zitieren
Köller, Michaela, Martin Stuckert und Jens Möller. 2019. Das Lehrerbild in den Printmedien: Keine „Faulen Säcke“ mehr! Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 22, Nr. 2 (1. April): 373–387. doi:10.1007/s11618-018-0856-5, https://doi.org/10.1007/s11618-018-0856-5 (zugegriffen: 31. Mai 2022). Zitieren
Lang, Elisa. 2017. China wirkt ja vor allem so bedrohlich und unsympathisch, weil die Chinesen so übermotiviert sind, so ekelehrgeizig. In: Chinesisch-Deutscher Imagereport, 102–118. De Gruyter. Zitieren
Lu, Franka. 2021. Chinesisches Bildungssystem: Auf dem Rücken der Kinder. Die Zeit, 18. Juli, Abschn. Kultur. https://www.zeit.de/kultur/2021-07/bildungssystem-china-soziale-ungleichheit-verbot-private-nachhilfe (zugegriffen: 31. Mai 2022). Zitieren
Nosselt, Nele, Margot Schüller und Yun Schüler-Zhou. 2016. Deutschland und China. Wahrnehmung und Realität. Die Huawei-Studie 2016. Fokus Digitalisierung und digitale Innovation. Hg. von Huawei Technologies Deutschland GmbH. Huawei Technologies Deutschland GmbH. https://huawei-studie.de/publication/deutschland-und-china-wahrnehmung-und-realitaet-die-huawei-studie-2016/ (zugegriffen: 23. April 2021). Zitieren

Die Huawei Studie wurde von unabhängigen wissenschaftlichen Instituten durchgeführt und erhob Daten zur Wahrnehmung von China in Deutschland und Deutschland in China.

ONLINE, RP. 2021. Um Belastung für Schüler zu verringern: China schafft Prüfungen für Erst- und Zweitklässler ab. RP ONLINE. 31. August. https://rp-online.de/panorama/ausland/schule-china-pruefungen-fuer-erst-und-zweitklaessler-werden-abgeschafft_aid-62466697 (zugegriffen: 31. Mai 2022). Zitieren
Richter, Carola und Sebastian Gebauer. 2010. Die China-Berichterstattung in den deutschen Medien. Bd. 5. Schriftenreihe zur Bildung und Kultur. Heinrich-Böll-Stiftung. https://www.boell.de/sites/default/files/endf_studie_china-berichterstattung.pdf (zugegriffen: 23. April 2021). Zitieren
Stegner, Lilli. 2021. Keine schriftlichen Prüfungen mehr für Erstklässler: Chinas große Bildungsreform. RP ONLINE. 30. August. https://rp-online.de/politik/ausland/china-will-den-kindern-den-leistunsgdruck-nehmen-und-reformiert-schulsystem_aid-62447041 (zugegriffen: 31. Mai 2022). Zitieren
tagesschau.de. Xi-Jinping-Kunde für Grundschüler in China. tagesschau.de. https://www.tagesschau.de/ausland/asien/china-xi-schuljahr-101.html (zugegriffen: 31. Mai 2022). Zitieren
Thimm, Caja, Tobias Bürger und Phyllis Kuhn, Hrsg. 2014. China im Spiegel der deutschen Gesellschaft: Images, Einstellungen und Erwartungen in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik. https://www.bapp-bonn.de/publikationen-forschungsergebnisse-china-deutschen-gesellschaft/. Zitieren
Zeitung, Aachener. 2022. Gute Noten: Lerndruck für Kinder in China. Aachener Zeitung, 14. Januar, Abschn. Karlo-clever. https://www.aachener-zeitung.de/karlo-clever/lerndruck-fuer-kinder-in-china_aid-65304941 (zugegriffen: 31. Mai 2022). Zitieren