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Liedtext | Melodie | Titel | Datum | Objektbeschreibung | Versionen | Rechte | Einordnung |
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Liedtext: Huang Jiamo 黄嘉谟 (1916-2004) | Melodie: Liu Xue‘an 刘雪庵 (1905-1985) | Titel: Wann kommst Du zurück? (Heri jun zai lai 何日君再來) | Entstehungsdatum und -ort: 1937, Shanghai. Cover-Versionen: 1939/1940, 1978, 2018 | Objektbeschreibung: Das Lied „Wann kommst Du zurück?“ wird oft verglichen mit dem deutschen Schlager „Lili Marleen“: ein kriegszeitliches Lied, das an allen Fronten und auch noch lange nach dem Krieg gespielt wurde. | Versionen: Li Xianglan 李香蘭. 1939/1940. Heri jun zai lai 何日君再來 [Wann Kommst Du Zurück?]. Filmsong aus: Byakuran no uta 白蘭の歌 [Lied der weißen Orchidee]. Manchukuo Film Association Corporation. https://www.youtube.com/watch?v=McF161sl2w8. Teng, Teresa 鄧麗君. 1978. Heri jun zai lai 何日君再來 [Wann Kommst Du Zurück?]. Yi feng qingshu 一封情書 [Ein Liebesbrief]. https://www.youtube.com/watch?v=vpXecdJt65o. Chen, Jasmine. 2018. Heri jun zai lai 何日君再來 [Wann Kommst Du Zurück?]. Filmsong aus: Crazy Rich Asians. WaterTower Music, WarnerBros. https://www.youtube.com/watch?v=Es7G1IDR760. | Rechte: Text: Odila Schröder (CC-BY-SA 4.0) | Einordnung: Das Lied „Wann kommst Du zurück?“ (Heri jun zai lai 何日君再來) wird oft verglichen mit dem deutschen Schlager „Lili Marleen“: ein kriegszeitliches Lied, das an allen Fronten gespielt wurde.
Das Lied „Wann kommst Du zurück?“ entstand kurz nach dem Ausbruch des Zweiten Sino-Japanischen Krieges 1937 im bereits japanisch besetzten Shanghai. Als sie das Lied aufnahm, war Zhou Xuan 周璇 (1920-1957) erst 17 Jahre alt, hatte aber schon mehrere Jahre in Ensembles gesungen und getanzt, die das Shanghaier Nachtleben der 1930er Jahre prägten. Kurz vor der japanischen Besatzung der Stadt 1937 erlangte Zhou Xuan mit der Hauptrolle im Film Street Angel (Malu tianshi 馬路天使) breitere Bekanntheit. Kurz darauf entstand der Film Drei Sterne begleiten den Mond (San xing ban yue 三星伴月, der 1938 in die Kinos kam. Es handelte sich um einen der letzten chinesischen Stummfilme – die eingefügten Lieder wurden parallel zur Kinovorführung auf einem Grammophon abgespielt. Das Lied wurde schnell bekannter als der Film und über das Radio in ganz China verbreitet. Das im Liedtext beschriebene feuchtfröhliche Abschiednehmen dürfte chinesische Zuhörer an andere Gedichte aus der reichen chinesischen Lyriktradition erinnert haben, die auf ähnliche Weise das Motiv von Abschied und Vermissen verarbeiteten. Das Motiv des Vermissens ist traditionell mit Exilerfahrungen von Dichtern verbunden, die aus der Heimat geflohen oder verstoßen waren. Die Zeit um 1937/38 war geprägt von ähnlichen Erfahrungen. Mit der japanischen Besatzung war China gespalten – die Anhänger der Nationalisten waren ins Landesinnere geflohen, kommunistische Truppen im mittleren Nordosten stationiert und die Küstenregionen japanisch besetzt. Die Stimmung des Gedichtes – sorgenvolle Melancholie, gebrochen durch den Rausch und das Sehnen nach Zweisamkeit – schien den Nerv der Zeit zu treffen. Außerdem entwickelte das Lied verschiedene Bedeutungen: die Anrede „jun“ 君 – wortwörtlich der „Gentleman“, im Chinesischen gleichklingend wie „jun“ 軍 – der Soldat. Der Titel des Liedes und zugleich die letzte Zeile des Refrains „Wann kommst Du zurück“ konnten im kriegszeitlichen China also als auch als „Wann kommt/kommen der Soldat/die Soldaten wieder?“ verstanden werden. Doch das Lied wurde während des Krieges auch zu propagandistischen Zwecken eingesetzt: Schon 1939 wurde es von Li Xianglan 李香蘭 (1920-2014) in einer Produktion der Manchukuo Film Association gesungen. Die Mandschurei war schon seit 1931 japanisch besetzt, hier wurden nach Kriegsbeginn 1937 zahlreiche pro-japanische Filme produziert. Die Sängerin und Schauspielerin Li Xianglan war als Kind japanischer Eltern in der Mandschurei unter dem japanischen Namen Yoshiko Yamaguchi 淑子山口 geboren worden und wuchs bei prominenten chinesischen Bekannten der Familie auf. Sie sprach fließend Japanisch und Chinesisch. Während des Krieges spielte sie die Hauptrolle in verschiedenen Filmen, die unter japanischer Besatzung gefilmt wurden und zur Kollaboration aufrufen sollten. Li Xianglan spielt dabei häufig die Rolle einer Chinesin, die sich in den japanischen Hauptdarsteller verliebt- so auch im Film Lied der weißen Orchidee (Byakuran no uta 白蘭の歌). Lis japanische Nationalität wurde dem chinesischen Publikum erst nach Kriegsende bekannt. Das Lied kann dem Genre der shidaiqu 时代曲 zugerechnet werden: Musik, die chinesische Melodien, Jazz-Einflüsse und europäische Elemente verband. Das Genre hatte sich in den Shanghaier Nachtclubs entwickelt, thematisierte oft Liebe, Sex und Alkoholkonsum und wurde oft von Frauen gesungen. Aus diesen Gründen wurde es von Intellektuellen der Zeit abfällig als „gelbe“ – also pornografische und dekadente – Musik bezeichnet. Trotz seiner enormen Beliebtheit und modernen Verbindung verschiedener Stile galt das Genre als „bourgeois“ und anti-revolutionär. Zusätzlich wurde das Genre nach dem Krieg mit der japanischen Besatzung assoziiert. Als Lied der „Kollaborateure“ und Lied von Anhängern der Nationalen Volkspartei wurde „Wann kommst Du zurück“ in der Volksrepublik nach dem Krieg zensiert. In den späten 1970er und 1980er Jahren gewann das Lied eine neue politische Dimension: 1978 wurde es von Teresa Teng gecovert. Teresa Teng, oder Deng Lijun 鄧麗君 (1953-1995), war die wahrscheinlich erfolgreichste taiwanesische Sängerin der 1970er Jahre. Aufgrund ihrer Beliebtheit wurde Teng von der Regierung der Nationalen Volkspartei (Guomindang) auf Taiwan als „Kulturbotschafterin“ eingesetzt. Im Kontext des Kalten Krieges zwischen der Sowjetunion und den USA wurde auch zwischen der Volksrepublik China und Taiwan ein Propagandakrieg ausgetragen. So wurden auf kleinen, zu Taiwan gehörenden Inseln vor der chinesischen Küste riesige Lautsprecherwände installiert, die politische Botschaften über das Meer sendeten. In lauen Nächten (wenn wenig Wind ging, der die Botschaften verweht hätte) wurde dabei auch die Stimme Teresa Tengs in Richtung des Festlandes gesendet – darunter das Lied „Wann kommst Du zurück“. Natürlich wurde diese neue Version auf dem chinesischen Festland in politischen Kampagnen verdammt. Dennoch kursierten Kassetten mit Aufnahmen Teresa Tengs auch in der Volksrepublik China. Ein Zeitzeuge berichtet von einem Sprichwort, dass in dieser Zeit kursierte: „Am Tag hören wir den alten Deng, in der Nacht hören wir die kleine Deng“ (Baitian ting lao Deng, wanshang ting xiao Deng 白天听老邓, 晚上听小邓) (Jones 2020, 172). Mit dem „alten Deng“ ist hier Deng Xiaoping 邓小平 (1904-1997) gemeint, der politische Führer der Volksrepublik – die „kleine Deng“ ist Teresa Teng. Im Hollywood-Film Crazy Rich Asians hat das Lied einen neuen Klang gewonnen – es ist nun Teil einer Welt des Luxus und Konsums der chinesischen Diaspora in Singapur geworden. Erinnerungen an das Shanghai der 1930er Jahre – ebenfalls einer Welt im Umbruch, einer multikulturellen Metropole, einer Stadt der Reichen und Schönen – werden hier beschworen, um ein alternatives Bild „chinesischer Kultur“ zu zeichnen und hörbar zu machen. Anhand des Liedes lässt sich auch der Wandel von Frauenbildern über ein knappes Jahrhundert chinesischer Geschichte nachvollziehen (vgl. Zusatzmaterial: „Gender-Performance/Frauenbilder“).
Weiterführende Literatur Jones, Andrew F. 2020. Circuit Listening. Chinese Popular Music in the Global 1960s. Minneapolis: University of Minnesota Press. Zitieren
Jones, Andrew F. 2001. Yellow music: media culture and colonial modernity in the Chinese jazz age. Durham, NC: Duke University Press. Zitieren
Jones, Andrew F. 2020. Teresa Teng and the Network Trace. In: Circuit listening: Chinese popular music in the global 1960s, 169–195. Minneapolis: University of Minnesota Press. Zitieren
Introduction. The East is Red : Towards a Sonic History of the 1960s -- Circuit Listening at the Dawn of the Chinese 1960s -- Quotation Songs : Media Infrastructure and Pop Song Form in Mao's China -- Fugitive Sounds of the Taiwanese Musical Cinema -- Pirates of the China Seas : Vinyl Records and the Military Circuit -- Folk Circuits : Rediscovering Chen Da -- Teresa Teng and the Network Trace -- Appendix. "Listening to Songs in the Streets of Taipei"
Raine, Michael. 2018. “You Can’t Replace Gone with the Wind with Chūshingura”: China Nights and the Problem of Japanese Film Policy in Occupied Shanghai. Film History 30, Nr. 2: 164–198. https://www.jstor.org/stable/10.2979/filmhistory.30.2.06 (zugegriffen: 16. Juni 2020). Zitieren
Steen, Andreas. 1999. Zhou Xuan: „When will the gentleman come back again?“ CHIME, Nr. 14–15: 124–153. https://c0d7c8f1-0bcd-4ba6-b99e-bb9f0007d292.filesusr.com/ugd/c191ef_25bb9c3b1d1c4ac59a94d6630f31bddf.pdf (zugegriffen: 7. Mai 2021). Zitieren
Stephenson, Shelley. 2002. A Star by Any Other Name: The (After) Lives of Li Xianglan. Quarterly Review of Film and Video 19, Nr. 1: 1–13. http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/10509200214821 (zugegriffen: 16. Juni 2020). Zitieren
Tuohy, Sue. 1999. Metropolitan Sounds: Music in Chinese Films of the 1930s. In: Cinema and Urban Culture in Shanghai, 1922-1943, hg. von Yingjin Zhang. Stanford, CA: Stanford University Press. Zitieren
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