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Titel | Datum | Liedtext | Komposition | Interpreten | Produktion | Varianten | Übersetzung | Einordnung |
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Titel: Marsch der Freiwilligen (Yiyong jinxingqu 義勇進行曲) | Erscheinungsjahr: 1935 | Liedtext: Tian Han 田漢 | Komposition: Nie Er 聶耳 | Interpreten: Yuan Muzhi 袁牧之, Gu Menghe 顾梦鹤, Sheng Jialun 盛家伦, Deng Junli 郑君里, Jin Shan 金山, Shi Chao 施超, Situ Huimin 司徒慧敏 (Regisseure, Schauspieler und Sänger der Denton Film Studios) | Produktion, Rechte: Denton Film Studio (Shanghai) (Diantong yingpian gongsi 電通影片公司), Pathé Records (Baidai 百代) | Varianten: Nie, Er 聶耳, und Han Tian 田喊. 1935. Yiyong jinxingqu 義勇進行曲 [Marsch Der Freiwilligen]. Fengyun ernü. Pathé Records. https://www.youtube.com/watch?v=6icFnCSF2yA.
Yiyong jinxingqu 義勇進行曲 [Marsch Der Freiwilligen]. 1978. https://www.youtube.com/watch?v=LyXA2uXduss. China Global Television Network. 2018. Yiyong jinxingqu 義勇進行曲 [Marsch Der Freiwilligen]. https://www.youtube.com/watch?v=-W4YetUHhKM. | Übersetzung des Liedtextes: Odila Schröder (CC BY-SA 4.0) | Einordnung: Liedtext: Tian Han 田漢 (1898–1968) Tian Han wurde in der Stadt Changsha in der Provinz Hunan geboren und studierte ab 1918 Pädagogik in Tokyo. Gemeinsam mit den Schriftstellern Guo Moruo 郭沫若 (1892–1978) und Yu Dafu 郁達夫 (1996–1945) war Tian Han Gründungsmitglied der Gesellschaft Schöpfung (Chuangzaoshe 創造社), einer der prägendsten literarischen Gruppen der Zeit. Tian Han war als Dramatiker, Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur tätig. Nach dem Krieg nahm er leitende Positionen in den kulturpolitischen Gremien der Volksrepublik ein. Er starb als „konterrevolutionärer“ Gefangener während der Kulturrevolution. Während dieser Zeit wurde die Nationalhymne entweder ohne Text gespielt oder durch “Der Osten ist Rot” ersetzt. Nie Er wurde unter dem Namen Nie Shouxin 聶守信 1912 in der Hauptstadt der Provinz Yunnan im Südwesten Chinas geboren, lernte zunächst einige chinesische Instrumente und brachte sich dann Geige und Klavier bei. 1931 wurde er als Geiger für die Mondlicht Musikdrama Gesellschaft rekrutiert, ab 1932 wirkte er im Mondlicht Sing- und Tanzensemble (Mingyue gewutuan 明月歌舞團), welches in den 1930er Jahren das Shanghaier Nachtleben prägte. Der Gründer des Ensembles, Li Jinhui 黎錦暉 (1891–1967) wird heute als „Vater der chinesischen Popmusik“ gefeiert, wurde aber von Intellektuellen der Zeit für seine kommerziellen, „dekadenten“ und „pornographischen“ Lieder attackiert. Ab 1932 engagierte sich Nie Er für verschiedene kommunistisch geprägter Musikgruppen und wurde 1934 Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas. Ni Er arbeitete in dieser Zeit für das Shanghaier Lianhua Filmstudio (Lianhua yingye gongsi 聯華影業公司) und das Label Pathé Records (百代). In dieser Zeit komponierte er 37 Lieder, von denen sich nicht nur der Marsch der Freiwilligen in das kulturelle Gedächtnis der chinesischen Gesellschaft eingeprägt hat. Nie Er starb 1935 bei einem Schwimmunfall in Japan. Der Marsch der Freiwilligen wurde im Mai 1935 von einer kleinen Gruppe an Angestellten der Denton Film Studios, darunter dem Regisseur und dem Hauptdarsteller des Films Kinder in unruhiger Zeit, aufgenommen. Da einige der Sänger aus der südchinesischen Provinz Guangdong stammen sind auf der Aufnahme neben dem an nordchinesische Dialekte angelehnten und sich zu dieser Zeit verfestigenden „Hochchinesisch“ (Mandarin) auch kantonesische Laute zu hören.
Der Regisseur Situ Huimin 司徒慧敏 (1910–1987) wurde in der Provinz Guangdong geboren und war schon ab 1927 Mitglied der Kommunistischen Partei China, studierte ab 1928 in Japan und arbeitete in den 1930er Jahren für die Denton und Lianhua Film Studios. Die Kriegsjahre verbrachte er in Hong Kong und Chongqing, ab 1946 studierte er Film in den USA. Nach seiner Rückkehr in die Volksrepublik China 1952 arbeitete er an chinesischen Großproduktionen wie der Aufnahme des Modellstückes Der Osten ist Rot (M6.2) mit. Der „Marsch der Freiwilligen“ entstand als anti-japanisches Widerstandslied. Schon 1931 hatte Japan das im Nordosten Chinas liegende Gebiet der Mandschurei besetzt, im Januar und Februar 1932 war es zu kämpferischen Auseinandersetzungen und einer Besatzung von Teilen der Stadt Shanghai durch japanische Truppen gekommen. Zwischen 1934 und 1935 formierte sich der Widerstand: Insbesondere politisch links orientierte Filmemacher und Mitglieder der im Untergrund arbeitenden Kommunistischen Partei Chinas engagierten sich für den anti-japanischen Widerstand. Sie riefen Anhänger der regierenden Nationalen Volkspartei dazu auf mit vereinten Kräften gegen das japanische Vordringen zu kämpfen. Zu diesem Zwecke wurden von jungen Musikern und Aktivisten u.a. Massensingaktionen in öffentlichen Parks organisiert, bei denen große Menschengruppen ausgewählte Widerstandslieder zu singen lernten. Diese Aktionen werden heute als „Sing-Bewegung zur Nationalen Befreiung“ zusammengefasst. Viele professionelle Komponisten am Shanghaier Konservatorium, aber vor allem die an linksorientierten Filmstudios arbeitenden Autodidakten komponierten in diesem Kontext anti-japanische Lieder. Seit Ende des 19. Jahrhunderts war in Shanghai eine boomende Filmbranche gewachsen. Ausländische Produktionsfirmen wurden in den 1920er Jahren abgelöst von chinesischen: der Mingxing Film Company (Mingxin yingpian gongsi 明星影片公司) und der Tianyi Film Company (Tianyi yingpian Gongsi 天一影片公司). In den 1930er Jahren kamen links-orientierte Produzenten wie Lianhua Filmgesellschaft (Lianhua yingye gongsi 聯華影業公司) hinzu. Der Film Kinder in unruhiger Zeit war einer der ersten chinesischen Filme mit synchronem Ton – die Produktionsfirma Denton bewarb ausdrücklich die Tatsache, dass für den Film ein neues Aufnahmesystem verwendet wurde (Tang 2020, 11). Während der Film floppte, wurde der „Marsch der Freiwilligen“ begeistert aufgenommen und bei Massensingaktionen gesungen. Dies legte die Grundlage für die sich während des Zweiten Sino-Japanischen Krieges fortsetzende Singkultur. Insbesondere die Kommunistischen Truppen im nordchinesischen Hinterland bedienten nicht nur neu komponierter Melodien, sondern nutzten die Melodien lokaler Volkslieder, um zum Widerstand aufzurufen und ein Gemeinschaftsgefühl zu nähren. Als Nationalhymne erklang das Lied erstmals im April 1949 bei der Weltfriedenskonferenz in Prag. Während der Kulturrevolution wurde Tian Han als Konterrevolutionär verstoßen und der Marsch der Freiwilligen durch das Lied „Der Osten ist Rot“ ersetzt. Ab 1969 wurde die Melodie des Marsches in instrumentaler Version (ohne den Text) wieder als Hymne benutzt. Zwischen 1978 und 1982 kam eine Version mit geändertem Text zum Einsatz. Seit 1982 wird mit der Rehabilitierung von Tian Han wieder die Originalversion verwendet. Diese Version ist seit 2004 in der Verfassung als Hymne der Volksrepublik festgelegt.
Textvariante 1978-1982 [Marschiert] voran, heldenhafte Menschen/Bürger aller Völker! Die große Kommunistische Partei führt uns weiter auf dem Langen Marsch. Gemeinsam eilen [Zehntausende mit einem Herzen] einer kommunistischen Zukunft [einem kommunistischen Morgen] entgegen, das Heimatland aufbauend, das Heimatland beschützend, tapfer kämpfend. Voran! Voran! Voran! Ewig [tausende Herbste und zehntausend Generationen] halten wir die Flagge von Mao Zedong hoch, voran! Halten wir die Flagge von Mao Zedong hoch, voran! Voran! Voran! 前进,各民族英雄的人民! 伟大的共产党,领导我们继续长征。 万众一心奔向共产主义明天, 建设祖国保卫祖国英勇地斗争。 前进!前进!前进! 我们千秋万代,高举毛泽东旗帜, 前进! 高举毛泽东旗帜, 前进!前进!前进!进! Musikalische Gestaltung
Visuelle Gestaltung: Originalversion (1935)
Visuelle Gestaltung: aktuelle Version (CGTN 2018) Die folgenden Symbole werden in schneller Abfolge gezeigt:
Weiterführende Literatur Howard, Joshua H. 2015. „Music for a National Defense“: Making Martial Music during the Anti-Japanese War. Cross-Currents: East Asian History and Culture Review 4, Nr. 1 (20. Juli): 238–284. http://doi.org/10.1353/ach.2015.0016, https://muse.jhu.edu/article/586702 (zugegriffen: 12. Oktober 2017). Zitieren
Howard, Joshua H. 2020. Composing for the Revolution: Nie Er and Chinas Sonic Nationalism. University of Hawaii Press. Zitieren
Jones, Andrew F. 2001. Yellow music: media culture and colonial modernity in the Chinese jazz age. Durham, NC: Duke University Press. Zitieren
Tang, Xiaobing. 2020. Radio, Sound Cinema, and Community Singing: The Making of a New Sonic Culture in Modern China. Twentieth-Century China 45, Nr. 1: 3–24. http://doi.org/10.1353/tcc.2020.0005, https://muse.jhu.edu/article/746154 (zugegriffen: 16. Januar 2020). Zitieren
Wong, Isabel K. F. 1984. Geming Gequ: Songs for the Education of the Masses. In: Popular Chinese Literature and Performing Arts in the People’s Republic of China, hg. von Bonnie S. McDougall, 112–143. Berkeley: University of California Press. Zitieren
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