Wohltönende Müllabfuhr – Weiterführende Informationen

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AutorTitelDatumObjektbeschreibungRechteEinordnung
Urheber*in: Komposition: Tekla Bądarzewska-Baranowska (1834-1861), Aufnahmen: Lang Lang 朗朗 (1982- ), Mike & Rachelle Givens, Text: Odila SchröderTitel: Gebet einer Jungfrau (Modlitwa dziewicy)Entstehungsdatum und -ort: 1856, Aufnahmen: 2018, 2012Objektbeschreibung: Zwei Aufnahmen des Stückes „Gebet einer Jungfrau“ der polnischen Komponistin Tekla Bądarzewska-Baranowska (1834-1861): 1. des chinesischen Star-Pianisten Lang Lang 朗朗 (1982- ), produziert von der Deutschen Grammophon, 2. eine Aufnahme einer taiwanesischen Müllabfuhr in der Stadt Kaohsiung (Gaoxiong 高雄).Rechte: Deutsche GrammophonEinordnung:

Komponistin: Tekla Bądarzewska-Baranowska (1834-1861)

Die polnische Komponistin wurde 1834 in Warschau geboren. Bekannt sind von ihr 35 Klavierstücke, darunter das Gebet einer Jungfrau.

Das „Gebet einer Jungfrau“

Das „Gebet einer Jungfrau“ wurde zunächst 1856 auf Polnisch und 1959 in einem französischen Musikmagazin veröffentlicht und erlangte schnell große Popularität. Das Stück ist auch für Laienpianisten gut spielbar. Mit seiner einfachen Struktur und Harmonik, vielen Arpeggi und eingängigen Melodie wurde es schnell zum „Schlager“ der romantischen Klavierliteratur. Als romantischer „Schlager“ wurde es zugleich verpönt und zum „Inbegriff des Kitsch“ erklärt. Seit den 1930er Jahren fand die Melodie auch in anderen Stücken und Genres Verwendung: Kurt Weill (1900-1950) integrierte sie z.B. in seine Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“.

Lang Lang 朗朗 (1981- )

Lang Lang 朗朗, geboren 1982 in der Stadt Shenyang 沈阳 im Nordosten Chinas, ist der vielleicht bekannteste chinesische Pianist seiner Generation. Schon als Kind gewann Lang Lang mehrere Klavierwettbewerbe, studierte zunächst in Beijing und begann 1997 ein Studium bei Gary Graffman in Philadelphia, USA. Seit 1999 konzertiert er international als Solist und hat sich als Virtuose und Kulturvermittler einen Namen gemacht.

Müllabfuhr in Taiwan

Die alltägliche Müllabfuhr dient der Hygiene und Vorbeugung gegen die sich im subtropischen Taiwan schnell verbreitenden Kakerlaken und Ratten. Taiwans musikalische Müllautos wurden 1968 aus Japan in die Hauptstadt Taiwans importiert. Um ihre Ankunft anzukündigen und damit die Anwohner aufzufordern, ihren Haushaltsmüll zu entsorgen, spielen die Müllautos in Taiwan meistens die Melodie des Stückes „Gebet einer Jungfrau“, teilweise auch Ludwig van Beethovens (1770-1827) „Für Elise“ (1810).

Heute hat Taiwan eine der höchsten Haushaltsmüll-Recycling-Raten in der Welt – manche behaupten, das „Gebet einer Jungfrau“ habe dazu beigetragen. Die Melodie ist so zu einem Symbol für Abfallentsorgung und Umweltbewusstsein geworden. Dabei hat die gemeinsame Müllentsorgung auch eine wichtige soziale Funktion als alltäglicher Nachbarschaftstreff entwickelt.

Die Nutzung der beiden Stücke mit europäischen Wurzeln ist dabei nicht unumstritten, schon 1968 wurde diskutiert die Stücke zu ersetzen bzw. das Repertoire auszuweiten. 1983 wurde etwa ein Drittel der Müllabfuhr-Flotte Taipeis mit einem neuen Lied, dem Titelsong des Filmes Love Story, ausgestattet, ein paar weitere Wagen spielten ein „English Sea Chantey“. Ab 1992 spielte die für die Abholung von Recycling zuständige Müllabfuhr jeden Sonntagmorgen das Stück „Gibt es leere Weinflaschen zu verkaufen“ (Jiu gan tang mai wu 酒干倘卖无) des taiwanesischen Popstars Hou Dejian 侯德健 (1956- ). Es wurden sogar passende Lieder in Auftrag gegeben: In einem Kompositionswettbewerb wurde 1984 ein neues Stück, „Die Umwelt verschönern“ eines Studenten der Chinese Culture University (Zhongguo Wenhua Daxue 中國文化大學) als neues Lied der Müllautos ausgewählt und 1.600 Müllautos mit dem neuen Lied in Umlauf gebracht – bis die zuständige Behörde verkündete, dass die neue Melodie von den Bürgern nicht erkannt wurde und Müllabfuhren verpasst würden. Man kehrte also zum „Gebet einer Jungfrau“ zurück. Zwischen 1985 und 1992 schwieg die reguläre Müllabfuhr in Taipei – Haushaltsmüll sollte nun abends abgestellt und über Nacht abgeholt werden. Dies führte zu Hygieneproblemen, da zu früh abgestellter Müll schnell gammelte. Ab 1995 wurde daher für den normalen Müll wieder die Regel „Müll berührt nicht den Boden“ eingeführt. Und so erklingt das „Gebet einer Jungfrau“ wieder – bis heute. In anderen Städten Taiwans erklingen teils abweichende Stücke.

Weiterhören

Chen Jianwei 陳建瑋. 2014. Fensaoren (pun-so lang) 糞埽人 [Müll-Menschen]. https://www.youtube.com/watch?v=KVkCNazp81U

KlassikAkzete. 2019. Lang Lang über Badarzewska „The Maden’s Prayer“, https://www.youtube.com/watch?v=cJgB2hYuyWs.

Weiterführende Literatur

Guy, Nancy. 2019. „Garbage Truck Music and Sustainability in Contemporary Taiwan: From Cockroaches to Beethoven and Beyond“. In Cultural Sustainabilities: Music, Media, Language, Advocacy, herausgegeben von Timothy J. Cooley, 63–74. University of Illinois Press. https://doi.org/10.5406/j.ctvh9w1f9.

———. 2021. „Listening to Taiwan’s Musical Garbage Trucks. Hearing the Slow Violence of Environmental Degradation“. In Resounding Taiwan: Musical Reverberations Across a Vibrant Island, herausgegeben von Nancy Guy, 1. Aufl., 180–96. London: Routledge. https://doi.org/10.4324/9781003079897.

Hall, Sophia Alexandra. 2022. „Beethoven’s ‘Für Elise’ Alerts Taiwanese Residents to Take out Their Trash“. Classic FM. 14. Februar 2022. https://www.classicfm.com/composers/beethoven/fur-elise-calls-taiwanese-trash/.

Qin, Amy, und Amy Chang Chien. 2022. „When You Hear Beethoven, It’s Time to Take Out the Trash (and Mingle)“. The New York Times, 8. Februar 2022, Abschn. World. https://www.nytimes.com/2022/02/08/world/asia/taiwan-waste-management-beethoven.html.