M1.1: Oktoberfest in Qingdao – Weiterführende Informationen

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Autor*in: Deutsche Welle, EuromaxxTitel: Oktoberfest weltweit: ChinaQuelle: https://www.dw.com/de/oktoberfest-weltweit-china/av-50508216Datum: 21.09.2019Thema: Video zum Oktoberfest/Bierfest in Qingdao, ChinRechte: Deutsche WelleInhalt: Die vierminütige Kurzdokumentation berichtet über das Oktoberfest in Qingdao 2019. Es wird eine chinesische Kellnerin interviewt und es werden Unterschiede zwischen dem deutschen und dem chinesischen Oktoberfest, was die Musik und das Essen angeht, erwähnt. Erklärt wird auch, dass das Qingdaoer Oktoberfest von der chinesischen Biermarke Tsingtao (Eigenname, in der aktuellen Umschrift Qingdao pijiu 青岛啤酒) organisiert wird. Die Biermarke Tsingtao geht auf die Zeit zurück, als Qingdao deutsche Kolonie war und Deutsche dort 1903 eine Brauerei gründeten. Das Fest findet in deutschen Kulissen statt, die den noch bestehenden alten Teilen der Stadt aus der Kolonialzeit nachempfunden sind.

Einordnung: Jedes Jahr öffnet das Oktoberfest in München für etwas mehr als zwei Wochen und zieht Besucher*innen aus Deutschland und der ganzen Welt an. Im Herbst 2019 besuchten laut Schätzungen 6,3 Millionen Personen das Münchner Oktoberfest. (Statista 2019) Das Qingdao Bierfest (Qingdao Pijiu Jie 青岛啤酒节) zählte im selben Jahr laut offiziellen Angaben „nur“ 920.000 Besucher*innen (nicht sieben Millionen wie im Video behauptet wird). (Lou 2019) Das Oktoberfest in Qingdao dauert jedoch einen ganzen Monat – und damit doppelt so lange wie das Oktoberfest in München. Es ist das größte Oktoberfest außerhalb Deutschlands.

Wie kommt es dazu, dass das zweitgrößte Oktoberfest weltweit gerade in Qingdao, an der Ostküste Chinas, stattfindet? Zum ersten Mal durchgeführt wurde das Qingdao Bierfest 1991. Ursprünglich sollte das Bierfest vor allem als Werbung für die lokale Biermarke Tsingtao (Qingdao 青岛) dienen. (Yang 2007, 53-54)

Die Ursprünge der Biermarke Tsingtao reichen mehr als hundert Jahre zurück: Am 14. November 1897 besetzten deutsche Marinetruppen Qingdao und gründeten dort eine deutsche Kolonie, die bis 1914 - als japanische und britische Soldaten Qingdao eroberten - Bestand haben sollte. Bereits 1901 hatten deutsche Händler eine Brauerei in der deutschen Kolonie Qingdao gegründet, die jedoch schnell bankrott ging. (Matzat 2007) Auch in anderen chinesischen Städten, die von ausländischen Staaten unter militärischem Druck „gepachtet“ worden und de facto kolonial verwaltet wurden, waren in den Jahren zuvor bereits Brauereien gegründet worden. (Yang 2007, 31; Pilcher/Wang/Guo 2018, 305)

1903 gründete eine Gruppe von Deutschen und Briten in der deutschen Kolonie Qingdao dann die Germania-Brauerei. Maschinen und Ausstattung sowie grundlegende Rohstoffe wie Hopfen und Malz wurden aus Deutschland geliefert. Wie auch die – ausschließlich deutsche - Werbung des ab 1904 produzierten Germania-Bieres zeigt, waren die Deutschen und andere Europäer vor Ort die Zielgruppe. (Yang 2007, 32) Auf den Etiketten prangte prominent der Name „Germania-Brauerei“ und darunter etwas kleiner der Ortsname „Tsingtau“.

Nach der Übernahme Qingdaos als japanische Kolonie 1914 wurden die deutschen Eigentümer der Brauerei herausgedrängt und die Brauerei in japanische Hände gelegt. Japan war innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer Biernation geworden: Hieß es 1854 bei der ersten Begegnung mit Bier in Japan noch, dieses sei „Alkohol, bitter wie Pferdeurin“, so hatten seit den 1880er-Jahren immer mehr (vor allem reiche) Japaner Geschmack am Bier gefunden. Es entwickelte sich eine rege japanische Brauereiwirtschaft, die sogar ins Ausland exportierte und deshalb in Deutschland misstrauisch beäugt wurde. (Alexander 2013, 6-54; Fuess 2003, 232-249; Pilcher 2016, 28-33) Unter japanischer Leitung wurde der Name geändert – Tsingtao prangte nun in großen Lettern als Markenname des Bieres auf den Etiketten – und die Menge des produzierten Bieres stark erhöht. Außerdem versuchte die Brauerei unter japanischer Leitung verstärkt eine chinesische Klientel als Absatzmarkt für ihre Biere zu gewinnen – ein Trend, der sich auch fortsetzte, als die Brauerei nach Japans Niederlage im zweiten Weltkrieg 1945 zum ersten Mal in chinesische Hände geriet. (Yang 2007, 34-37)

Nach der Gründung der Volksrepublik China 1949 wurde die Brauerei Qingdao zu einem staatseigenen Unternehmen. Tsingtao Bier wurde in den folgenden Jahrzehnten vor allem nach Singapur und Hong Kong verkauft, um Auslandsdevisen für die Volksrepublik China zu beschaffen. (Yang 2007, 42-44) Die Nachfrage nach Bier stieg in China vor allem seit den 1980er-Jahren an, als der Lebensstandard zu steigen begann. 1993 wurde die Brauerei Tsingtao privatisiert. (Yang 2007, 51-53) Auch heute ist die Biermarke stolz auf ihre Ursprünge: Auf den Etiketten prangt groß der Schriftzug Tsingtao - die alte Umschrift für Qingdao - und die Information, dass die Brauerei seit 1903 besteht. Im Jahr 2019 war die Tsingtao Brauereigruppe die zweitgrößte chinesische Bierbrauerei und belegte den sechsten Platz unter den vierzig größten Brauereien weltweit. Dies entspricht 4,2% der weltweiten Bierproduktion im Jahr 2019 – zum Vergleich: die weltgrößte Brauerei Anheuser-Busch hatte mit Marken wie Budweiser, Corona, Beck’s oder Franziskaner einen Anteil von 29,3% an der weltweiten Bierproduktion. (Meier 2020, 13)


(Jonas Schmid, März 2021)

 

Verwendete Literatur

Alexander, Jeffrey W. 2013. Brewed in Japan. The Evolution of the Japanese Beer Industry. Vancouver [u.a.]: UBC Press. Zitieren

Überblick über die Entwicklung der Bierherstellung in Japan vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart.

Fuess, Harald. 2003. Der Aufbau der Bierindustrie in Japan während der Meiji-Zeit (1868–1912): Konsum, Kapital und Kompetenz. Bochumer Jahrbuch für Ostasienforschung 27: 231–267. https://oaw.ruhr-uni-bochum.de/viewer.html?file=BJOAF2003.pdf. Zitieren

Wissenschaftlicher Aufsatz, der die Entwicklung der japanischen Bierindustrie bis zum ersten Weltkrieg darstellt.

Groeneveld, Sabina. 2020. “A hotbed of sins” or “just like home”? Drinking cultures in colonial Qingdao (1897–1914). In: Alcohol Flows Across Cultures. Drinking Cultures in Transnational and Comparative Perspective, hg. von Waltraud Ernst, 139–158. London: Routledge. 10.4324/9780203732038-7. Zitieren

Das Kapitel gibt einen Überblick über den Alkoholkonsum in der deutschen Kolonie Qingdao.

Matzat, Wilhelm. 2007. Germania Brauerei und ihre Angestellten (1903 – 1914). Tsingtau.org. 11. Januar. https://tsingtau.org/germania-brauerei-und-ihre-angestellten-1903-1914/ (zugegriffen: 24. Februar 2021). Zitieren
Pilcher, Jeffrey M. 2016. “Tastes Like Horse Piss”: Asian Encounters with European Beer. Gastronomica 16, Nr. 1 (1. Februar): 28–40. http://doi.org/10.1525/gfc.2016.16.1.28, /gastronomica/article/16/1/28/44928/Tastes-Like-Horse-Piss-Asian-Encounters-with (zugegriffen: 24. Februar 2021). Zitieren

Wissenschaftlicher Aufsatz, der die Geschichte des Biers in asiatischen Ländern (Indien, China, Japan) darstellt und vergleicht.

Pilcher, Jeffrey, Yu Wang und Yuebin Jackson Guo. 2018. „Beer with Chinese Charactersitics“: Marketing Beer under Mao. Revista de Administração de Empresas 58, Nr. 3: 303–315. http://doi.org/10.1590/s0034-759020180310, http://www.scielo.br/scielo.php?script=sci_abstract&pid=S0034-75902018000300303&lng=en&nrm=iso&tlng=en (zugegriffen: 20. Februar 2021). Zitieren

Wissenschaftlicher Aufsatz, der die Entwicklung der chinesischen Bierindustrie in den ersten Jahrzehnten unter Mao darstellt.

Statista. 2020. Oktoberfest in München: Anzahl der Besucher bis 2019. Statista. 15. September. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/165511/umfrage/anzahl-der-besucher-auf-dem-oktoberfest-seit-1980/ (zugegriffen: 24. Februar 2021). Zitieren
Yang, Zhiguo. 2007. “This Beer Tastes Really Good”: Nationalism, Consumer Culture and Development of the Beer Industry in Qingdao, 1903-1993. The Chinese Historical Review 14, Nr. 1 (1. Januar): 29–58. doi:10.1179/tcr.2007.14.1.29, https://doi.org/10.1179/tcr.2007.14.1.29 (zugegriffen: 24. Februar 2021). Zitieren

Wissenschaftlicher Aufsatz, der die Geschichte der Biermarke Tsingtao (Qingdao) von ihrer Gründung zu deutschen Kolonialzeiten über die Übernahme durch Japan bis in die Volksrepublik China hinein nachzeichnet.

刘嵘. 1993. 青岛啤酒厂志. Hg. von 耿议忠 und 龚仁信. [s.l.]: 青岛出版社. Zitieren
Chinesische Darstellung der Geschichte der Biermarke Tsingtao.
娄花. 2019. 31天92万人次!"花园式啤酒节"尽显崂山气度. 青岛市文化和旅游局. 26. August. http://whlyj.qingdao.gov.cn/n28356069/n32563280/n32568137/190916101441380043.html (zugegriffen: 24. Februar 2021). Zitieren

Chinesischer Bericht über die Besucherzahlen des Bierfestivals in Qingdao 2019.