Versailles 1919 – auch ein chinesisches Trauma?
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Lerneinheit 1: Beijing 1919, Berlin 19191 Material
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Lerneinheit 2: Chinas Vertreter in Versailles 19192 Materialien
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Lerneinheit 3: Reaktionen auf den Friedensvertrag in China2 Materialien
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Lerneinheit 4: Suche nach einer neuen Kultur1 Material
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Lerneinheit 5: Der Geist der Vierten Mai Bewegung
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Lerneinheit 6: Erinnerung an 19192 Materialien
M3.2: Li Dazhao über Geheimdiplomatie (1919)
Geheimdiplomatie und eine Welt der Räuber
Niemandem ist, es erlaubt, einen Flecken der Erde, auf dem vernunftbegabte Wesen leben, als sein Eigentum zu betrachten und die dortigen Bewohner zu ignorieren. Die Regierungen der Räuber jedoch beabsichtigen, gestützt auf die Geheimdiplomatie, solche Gebiete, in denen Menschen ihrem normalen Leben nachgehen, als Geschenkobjekt zu behandeln, das sie sich gegenseitig überreichen und dieser oder jener räuberischen Regierung zum Zwecke da Ausdehnung ihrer räuberischen Macht einfach vermachen können. Ganz gleich, ob es sich dabei um Shandong, eine andere chinesische Provinz oder ein beliebiges Gebiet auf der Welt handelt, wir werden solche Machenschaften nicht anerkennen und dagegen protestieren. Wir protestieren gegen den Beschluß der europäischen „Konferenz zur Verteilung der Beute“ nicht aus einem engstirnigen Patriotismus heraus, sondern weil wir uns der Aggression, der räuberischen Handlungen einer Welt der Räuber widersetzen.
Als dieser europäische Krieg (erster Weltkrieg) beendet war, haben wir uns Illusionen hingeben, denn es wurde von einem Sieg der Menschlichkeit und des Friedens gesprochen. Wir nahmen an, dass die Welt nach dem Kriege nicht länger eine Welt der Räuber sein und ein menschlicheres Aussehen annehmen würde. Wer konnte wissen, daß die Worte von Menschlichkeit und Frieden den europäischen Regierungen nur als Tarnschild dienten? In keinem der Beschlüsse der Pariser Konferenz findet sich auch nur die Spur [S. 67] von Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Frieden und Licht; vielmehr zielt jeder einzelne Beschluß darauf ab, die Freiheit und das Recht der schwachen und kleinen Nationen den großen, mächtigen Räuberstaaten zu opfern! Wilson, warst du es nicht, der gegen die Geheimdiplomatie aufgetreten ist? Warum wurde aber dann die Shandong-Frage auf der Grundlage eines Londoner Geheimabkommens und einer geheimen Abmachung gewisser Militaristen entschieden? Du mußt wissen, daß damit der Keim für eine künftige Bedrohung des Weltfriedens gelegt worden ist. Was soll solch eine Friedenskonferenz für einen Wert haben! Dein eigenes Programm erweist sich heute als ein blinder Kanonenschuß, ist nichts weiter als eine Illusion, eine Wolke, die sich auflöst. Ich schäme mich für dich! Ich bedauere dich!
Ihr Japaner, die ihr so oft gesagt habt, daß unsere Völker von gleicher Rasse, gleiche Kultur und darum freundschaftlich verbunden seien: Was soll dieses Stück Shandong, das ihr nun mit aller Macht in eure Hände gebracht habt, euerem Volke für Vorteile bringen? Was für ein Glück versprecht ihr euch davon? Meiner Ansicht nach führt das allenfalls dazu, daß einige Prostituierte, Schurken und Morphiumsüchtige mehr einen Lebensunterhalt finden, daß in der menschlichen Gesellschaft noch mehr Verbrechen und Schlechtigkeiten verübt werden und daß der japanischen Nation ein weiteres Schandmal zugefügt wird. Meine Worte stellen durchaus keine Übertreibung dar. Man braucht sich doch nur die Geschichte der japanischen Kolonisation zu betrachten. War es nicht eben diese Sorte Menschen, die als erste ihren Fuß auf die fremden Gebiete setzte? Wer gehörte noch dazu? In erster Linie die Rauschgifthändler. Die Kaufleute, Großgrundbesitzer, Beamten und Militärs, die sich in diesen Gebieten festsetzten, verloren nach und nach jedwede menschlichen Züge. Dafür entwickelten sie solche Eigenschaften wie Grausamkeit, Verschlagenheit, Erpressertum, Mißgunst, [S. 68] Korruptheit und Verschwendungssucht. Die Folge war eine Festigung der Macht der Militaristen und Plutokraten, die das einfache japanische Volk unterdrücken und seine Befreiung für immer verhindern wollen. Zu weichen schmerzvollen Folgen für das japanische Volk wird dieser neue Schritt nun diesmal führen?
Unsere traditionelle Formel für die Außenpolitik lautete „mit Hilfe der Barbaren die Barbaren bezwingen“, während in der Innenpolitik stets der Grundsatz galt, daß man sich auf „besondere Kräfte stützen“ müsse. Diese Prinzipien sind aber von Grund auf falsch. Wieviel Schande, wieviel Leid, wie viele Niederlagen und wieviel Schmerz verbirgt sich für uns hinter diesen beiden Formeln! In ihnen offenbaren sich die Schwächen, die Trägheit, die Arglist und die Niederträchtigkeit einer Nation. Die Shandong-Frage, um die es jetzt geht, ist entstanden, als mehrere „Barbaren“ einen Kampf gegeneinander führten, aus dem schließlich ein „Barbar“ als Sieger hervorgegangen ist. Wem wir uns damals mit der Demütigung nicht abgefunden, den Kampf aufgenommen und – wie seinerzeit Belgien – zeitweilige Opfer und Leiden auf uns genommen hätten, dann könnten wir heute mit der Unterstützung der gerechten und humanistischen Kräfte der Welt rechnen. Man kann nicht erst klein beigeben und dann auf die Hilfe anderer hoffen! Man muß wissen, daß Menschen ohne Rückgrat, Kopf und Willen, Menschen, die sich selbst nicht zu helfen verstehen, auch in der Epoche der aufblühenden Gerechtigkeit und des Humanismus keine Unterstützung von anderen erwarten können. Erst recht gilt das für eine Welt der Räuber, wo man ständig mit neuen Erniedrigungen rechnen muß. Und da träumen wir am hellichten Tag davon, daß uns andere helfen mögen. Die Schande, den Glauben an die eigene Kraft verloren zu haben, ist zehntausendmal schmerzvoller als die Schande des Verlustes von Territorium. [S. 69]
Voller Haß werden jetzt Cao Ru-lin [Cao Rulin 曹汝霖], Zhang Zong-xiang [Zhang Zongxiang 章宗祥] und Lu Zong-yu [Lu Zongyu 陸宗輿] von allen Landesverräter geschimpft. Alle bezeichnen es als die größte Schande, daß die Regierung Shandong weggegeben hat und betrachten die an der Aggression beteiligten Japaner als unsere größten Todfeinde. Ich glaube jedoch, daß die Dinge in der Welt nicht so einfach liegen. Nicht Cao, Zhang und Lu allein begehen Schlechtigkeiten, die ganze gegenwärtige Welt ist eine Welt der Räuber. Daß die Japaner Shandong forderten und unsere Regierung sich darauf einließ, ist noch nicht die größte Schande für uns. Die allergrößte Schande besteht vielmehr darin, daß wir den Glauben an uns selbst aufgegeben haben, keinen eigenen Mut besitzen und nach wie vor auf eine „gemeinsame Verwaltung“ [der Provinz Shandong] hoffen und nach dem Grundsatz „mit Hilfe der Barbaren die Barbaren bezwingen“ ein geduldetes Dasein fristen. Die Ursache dafür, daß die Japaner ihre aggressiven Ziele in der Welt durchsetzen, ist darin zu suchen, daß diese Welt, eine Welt der Räuber ist. Darum sind nicht nur diejenigen, die uns Shandong geraubt haben, sondern alle räuberischen Gruppierungen in einer Welt der Räuber und alle räuberischen Handlungen der Geheimdiplomatie unsere Todfeinde. Die Tötung von einzelnen Personen und das Abhalten einiger Volksversammlungen allein führt zu nichts. Ohne nationale Selbstbestimmung und ohne den Willen zur Umgestaltung der Welt ist diese Welt der Räuber nicht zu stürzen. Unsere drei großen Gelöbnisse lauten: Umgestaltung der Welt der Räuber!
Keine Anerkennung der Geheimdiplomatie!
Verwirklichung der nationalen Selbstbestimmung!
18. Mai 1919, „Meizhou pinglun“ („Wochenrundschau“)
Li Ta-chao. Im Kampf für ein sozialistisches China. Aus Reden und Schriften des Mitbegründers der Kommunistischen Partei Chinas. Herausgegeben von Roland Felber und Fritz Gruner. Berlin: Dietz, 1969, 66–69.
秘密外交與強盜世界(常)
凡是世界上的土地、只要是世界上知道人的道理的人在那裏過人的生活、我們決不能把他認作私有物、拒絕他人。但是強盜政府們要根據着秘密外交拿人類正當生活的地方、當作他們私相授受的禮物、或送給那一個強盜國家強盜政府、作擴張他那強盜勢力的根據、無論是山東、是山北、是世界上的什麼地方、我們都不承認、都要抗拒的。我們反對歐洲分贜會議所規定對於山東的辦法、並不是本著狹隘的愛國心、乃是反抗侵略主義、反抗強盜世界的強盜行為。
這回歐戰完了、我們可曾作夢、說什麼人道、平和、得了勝利、以后的世界、或者不是強盜世界了、或者有點人的世界的采色了。誰知道這些名辭、都只是強盜政府的假招牌。我們且看巴黎會議所議決的事、那一件有一絲一毫人道、正義、平和、光明、的影子!那一件不是拿著弱小民族的自由、權利、作幾大強盜國家的犧牲!
威爾遜這位書生、天天在那裏對那些強盜說『正義』『人道』的話、組織『國際聯盟』哪、希望『永久和平』哪、這裏是對牛彈琴。只落得那些強盜們對他瞪眼、他自己也是對他們嘔氣、希望他的人灰心。
威爾遜君!你不是反對秘密外交嗎?為什麼他們解決山東問題、還是根據某年月日的倫敦密約、還是根據某年月日的某某軍閥間的秘密協定?須知這些東西都是將來擾亂世界平和的種子。像這樣的平和會議、那有絲毫價值!人家爲保障一國的強盜權利、還有退出和會的決心勇氣,你爲保障世界平和、貫徹自己的主張、竟沒有退出和會的決心勇氣。你自己的主張計劃如今全是大砲空聲、全是曇花幻夢了。我實為你慚愧!我實為你悲傷!
常向我們說和我們有同種同文的情誼的日本人啊!你們把這塊山東土地拚命拿在手中究竟於你們民族的生活上有什麼好處?添什麼幸福?依我看來、也不過多養活幾個醜業婦、無賴漢、嗎啡客、在人類社會上多造些罪惡、作些冤孽,給日本民族多留些恥辱的痕跡罷了。這話並不是我太刻薄、試一翻日本的移民史、那一處不是這幾色人先到?除去這幾色人還有什麼人?— 那背包賣藥的還是第一等的 — 在這等地方的商人、紳士、官吏、軍人,也都漸漸丟失了他們的人性、只增長他那殘暴狡詐、嫉妒、貪淫的性質。結果更要鞏固國內軍閥財閥的勢力、來壓制一般人民、永遠不能翻身。這又何苦呢!
我們歷來對外的信條、總是「以夷制夷」、對內的信條、總是「依重特殊勢力」。這都是根本的大錯。不知道有幾多恥辱哀痛失敗傷心的陳跡、在這兩句話裏包藏。而從他一方面、又把民族的弱點、惰性、狡詐、卑鄙、都從這兩句話裏暴露出來。這回青島問題、發生在群『夷』相爭一『夷』得手的時候、當時我們若是不甘屈辱、和他反抗、就作了比利時、也不過一時受些苦痛有些犧牲。到了今日、或者能得點正義人道的援助。那時既低聲下氣、今日卻希望旁人援手、要知這種沒骨頭沒志氣的人民、就是正義人道昌明的時代、不能自助的人、也不能受人的幫助。況在強盜世界的裏面、更應該受點罪孽。我們還在這裏、天天做夢、希望他人幫助。這種喪失自立性的恥辱、比喪失土地山河的恥辱、更要沉痛萬倍!
大家都罵曹章陸這一班人為賣國賊、恨他們入骨髓、都說政府送掉山東、是我們莫大的恥辱、這抱侵略主義的日本人、是我們莫大的仇敵。我卻以為世界上的事、不是那樣簡單的。這作惡的人、不僅是曹章陸一班人、現在的世界仍然是強盜世界啊!日本人要我們的山東、政府答應送給他、都還不算我們頂大的恥辱、我們還是沒有自立性、沒有自決的膽子、仍然希望共同管理、在那「以夷制夷」四個大字下討一種偷安苟且的生活、這真是民族的莫大恥辱啊!日本所以還能拿他那侵略主義在世界上橫行的原故、全因為現在的世界、還是強盜世界。那麼不止奪取山東的是我們的仇敵、這強盜世界中的一切強盜團體秘密外交這一類的一切強盜行為、都是我們的仇敵啊!我們若是沒有民族自決世界改造的精神把這強盜世界推翻、單是打死幾個人開幾個公民大會、也還是沒有效果。我們的三大信誓、是:
改造強盜世界,
不認秘密外交,
實行民族自決。
「秘密外交與強盜世界」. 每週評論 第22號 (中華民國八年五月十八日年): 第二版.
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