Taiwan – „Schöne Insel“, fragiler Status
Taiwans aktueller Status -Staat oder kein Staat?- ist nicht leicht zu definieren. Dieses Modul bietet einen Überblick über die historischen Ursprünge des Konfliktes und die heftigen politischen Auseinandersetzungen über die denkbaren Extreme - vollständige Unabhängigkeit Taiwans oder Annexion durch die Volksrepublik China. Zugleich werden jedoch Einblicke in den Alltag unter dem Status quo und die spannenden historischen, geographischen, sozialen und wirtschaftlichen Besonderheiten des Landes gewährt.
Die China-Schul-Akademie wendet sich dem chinesischen Kulturraum in seiner ganzen Breite zu – dementsprechend entstehen neben Materialien zur Volksrepublik China auch solche mit Bezug zu Taiwan, Hongkong und Singapur. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer politischen Zuordnung. Auch in sprachlicher Hinsicht ist eine Vorbemerkung notwendig, da auch die Wahl der Umschrift politisch interpretierbar ist. Wählt man im Kontext Taiwans Pinyin als Transkriptionssystem, wie es die taiwanesische Regierung 2009 entschieden hat? Verwendet man Wade-Giles (die alte, in Taiwan im alltäglichen Gebrauch weiterhin übliche Umschrift), um das fortgesetzte “Anders-Sein” zu betonen? Oder schafft man einen Kompromiss, wie ihn z.B. T. Diefenbach zuletzt für seine Anthologie taiwanischer Literatur vorgeschlagen hat (Diefenbach 2022)? Verwendet werden im Folgenden bei allen Namen die von den Personen selbst gewählte Umschrift (soweit bekannt), bei Ortsnamen wie Taipei die von der taiwanesischen Regierung verwendete Schreibweise. Alle Schriftzeichen sind in Langzeichen wiedergegeben.
Thematische Einführung
Geschichtlicher Überblick
Vor dem 17. Jahrhundert
Vor dem 17. Jahrhundert lebten fast ausschließlich Ureinwohner*innen austronesisch-polynesischer Abstammung auf der Insel Taiwan. Interesse an der Insel ist auf dem chinesischen Festland dokumentiert etwa in Form von Reiseberichten. Vom Festland stammende Töpfereiprodukte, die auf Taiwan bei archäologischen Grabungen gefunden wurden, belegen, dass neben dem weiteren überregionalen Handel schon vor dem 14. Jahrhundert Handel auch mit dem Festland betrieben wurde.
Gegenwartsbezug
Die Ureinwohner*innen Taiwans sind schon seit einigen Jahren nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Ausprägung einer eigenen taiwanesischen Identität in den Fokus des allgemeinen Interesses gerückt. Sechzehn Gruppen haben – allerdings in Etappen und basierend auf fremdgesetzten Kriterien – bis heute eine rechtliche Anerkennung ihres Status erfahren (Andrade 2008, 4–21; Robert Gardella 2015, 3–44).
Europa und China auf Taiwan
Der Name Ilha Formosa (dt. schöne Insel, Meili Dao 美麗島) für Taiwan, dessen Ursprung entweder den im 16. Jahrhundert an der Insel vorbeisegelnden Portugiesen oder aber nachfolgenden Spaniern zugeschrieben wird, ist nachhaltiges Zeugnis für die im 17. Jahrhundert erfolgende koloniale Erschließung der Insel durch europäische Mächte (Kua 25.05.2023, 9–90). Hauptzweck der europäischen Eroberungen lag in der Sicherung des Zugangs zu den Handelswegen in der Region. Als die Niederländer, vertreten durch die Ostindienkompagnie, 1624 einen Stützpunkt und dann ein Fort im Süden Taiwans errichten (Fort Zeelandia), lebten allerdings schon etwa 20.000 Chines*innen auf der Insel. Spanische Händler folgten kurze Zeit später und errichteten eigene Stützpunkte im Norden.
Nur knapp 40 Jahre später, 1661/1662 gelang es einem Festländer, dem Ming-Loyalisten Zheng Chenggong 鄭成功 (1624 – 1662), international besser bekannt unter seinem Ehrentitel Koxinga 国姓爷 („Herr mit kaiserlichem Familiennamen“), die Niederländer zu besiegen und zu vertreiben. Auf dem Rückzug von den nach Süden vordringenden Qing-Truppen errichtete Koxinga, der zunächst nur Stützpunkte auf dem Festland aufgebaut hatte, im Südwesten der Insel Taiwan und auf den vorgelagerten Pescadores das Königreich Dongning (東寧王國, „Königreich Friede im Osten”): Das Königreich auf den Inseln war vor allem militärischer Rückzugsort für die Vorbereitung der von ihm angestrebten Rückeroberung des Festlandes von den mandschurischen Qing, zugleich aber auch maritimer Stützpunkt für regionale Handels- und Eroberungszwecke. Koxinga intensivierte den Zuzug von Han-Chinesen nach Taiwan, deren Zahl entsprechend stark anstieg. Erst 1683 besiegte die Qing-Dynastie 清 (1644-1912) unter erheblichen Mühen die zahlenmäßig weit unterlegenen Nachkommen des 1662 verstorbenen Koxinga. Die Erinnerung an Koxinga wird bis heute z.B. in Tempeln, durch nach ihm benannte öffentliche Orte sowie in Comics und Filmen gepflegt. Verehrt wird Koxinga – aus sehr unterschiedlichen Gründen und unter Rückgriff auf verschiedene Interpretationen seiner Motive und Aktionen – bis heute in Taiwan, auf dem Festland und auch in Japan, dem Geburtsland seiner Mutter (Andrade 2008).
Gegenüber den Ureinwohner*innen verfolgten die niederländischen Kolonialherren eine Politik der „Zivilisierung“ und Christianisierung (Kua 25.05.2023, 91–179); alle nachfolgenden chinesischen Kräfte, also Koxinga, seine Nachkommen wie auch die ihnen nachfolgenden Qing-Herrscher, bemühten sich hingegen gegenüber den Ureinwohnern wie auch gegenüber den in der Zwischenzeit zugezogenen Festland-Chinesen um deren Sinisierung, wobei die Qing mehr mit Anreizsystemen als mit Zwang vorgingen.
Der neue Status der Insel war nach dem Sieg über Koxingas Nachkommen 1683 zunächst Gegenstand von Debatten. Die Argumente schwankten zwischen der Erkenntnis, dass die Insel enorme ökonomische Bedeutung hatte und der Wahrnehmung, dass Taiwan als ehemaliger und möglicherweise zukünftiger Hort von Rebellen am besten dauerhaft zu räumen sei. Die Befürworter einer Annexion mit gleichzeitig lediglich minimaler militärischer Absicherung der Insel setzten sich durch. 1684 autorisierte der Kangxi-Kaiser die Einrichtung einer Präfektur Taiwan.
Der Zuzug von Chinesen vom Festland war in der Folge zwar einerseits sehr strikt reguliert (der Zuzug von ganzen Familien war nicht zuletzt aus Angst vor Konflikten mit den Ureinwohnern unerwünscht), andererseits gab es eine unaufhaltbare illegale Migrationsbewegung vom Festland nach Taiwan, weshalb es zu häufigen Konflikten über den Zugang zu Land zwischen illegalen Siedlern, aber auch mit den Ureinwohnern kam (Ye 22.09.2013).
Zum Ende der Qing-Ära auf Taiwan lebten in den 1890er Jahren etwa 2,5 Millionen Han-chinesische Siedler auf der Insel (Robert Gardella 2015, 10). Erst unter der japanischen Kolonialherrschaft änderte sich die Lage für die Ureinwohner*innen insofern gravierend, als ihnen erstmals alle Landrechte abgesprochen und sie in Reservate eingewiesen wurden (Friedman 2010).
Wie bedeutend die Insel für das regionale Kräfteverhältnis war zeigt unter anderem, dass Japan bereits 1874 Ansprüche auf Südtaiwan anmeldete. Im chinesisch-französischen Krieg 1884/1885 war insbesondere die Bedeutung der Häfen deutlich geworden. 1887 erfolgte in Reaktion auf die externen Begehrlichkeiten und im Zuge einer verstärkten Bemühung um die regionale Oberhoheit ein formalisierter Anschluss an die mandschurische Qing-Dynastie durch die Ernennung der Hauptinsel Taiwan zur Provinz des Qing-Reiches (Robert Gardella 2015).
Gegenwartsbezug
Spätestens die Ernennung zur Provinz des Kaiserreichs ist heute Anknüpfungspunkt für die Hoheitsansprüche der Volksrepublik China über die Insel Taiwan inklusive weiterer kleinerer Inseln im chinesischen Meer. So etwa, wenn in einer Pressemeldung der Autorin eines FAZ-Artikels „erschreckende Unkenntnis“ der chinesischen Geschichte vorgeworfen wird, weil sie nicht die Ansicht teilt, dass Taiwan seit jeher ein „untrennbarer Teil des chinesischen Territoriums“ ist, eine Tatsache, die laut der Pressemeldung und in Anlehnung an das Weißbuch zu Taiwan vom Sommer 2022, rechtlich und historisch hinreichend begründet sei. Mit dem Vertrag von Shimonoseki am Ende des Chinesisch-Japanischen Krieges 1895 wurde die Insel Taiwan jedoch nur 8 Jahre nach der Ernennung zur Provinz bereits zur japanischen Kolonie. (Mehr Informationen über die Niederlage der Qing-Dynastie gegen Japan finden Sie hier).
Japanische Kolonialzeit 1895-1945
Die insgesamt fünfzig Jahre währende japanische Kolonialzeit prägte die taiwanische Gesellschaft: Taiwanes*innen profitierten zwar vom wirtschaftlichen Aufschwung und der Einführung des japanischen Bildungswesens, andererseits wurde die japanische Sprache zum wichtigsten Kommunikationsmittel. Das Japanische war zumindest in den frühen Jahren nach der Machtübernahme nur einer sehr kleinen Gruppe von Taiwanes*innen geläufig. Später verdrängte die japanische Sprache das Chinesische und das Taiwanesische als lokale Sprachen im offiziellen Leben weitgehend. Einhergehend mit den Bildungsreformen und den wirtschaftlichen Aufbaubemühungen fand eine Umerziehung von Taiwanes*innen zu japanischen Bürger*innen statt. Dies bedeutete für die Mehrheit der Taiwanes*innen eine massive Unterdrückung, den erzwungenen Einsatz als Soldaten im zweiten Weltkrieg sowie den Ausschluss von relevanten Machtpositionen. (Eine ansprechende belletristische Verarbeitung der Kolonialphase ist im Roman Pflaumenregen von Stephan Thome (2021) zu finden.)
Während des Zweiten Weltkrieges erörterte die Kairoer Erklärung von 1943, verfasst von den Vereinigten Staaten, der Republik China unter Führung der Nationalen Volkspartei Kuomintang (KMT, Pinyin Guomindang 国民党) unter Chiang Kai-shek 蒋介石 (1887-1975, Pinyin Jiang Jieshi) und Großbritannien, den Umgang mit Japan, das bis zu einer bedingungslosen Kapitulation gemeinsam bekämpft werden sollte. Japanische Kräfte sollten ferner aus allen von Japan eroberten Territorien vertrieben werden, worunter auch chinesische Territorien wie die Mandschurei, die Insel Taiwan, die Pescadores sowie Korea fielen. (Damm 2023)
In der Potsdamer Erklärung von 1945 wurde schließlich die Kairoer Erklärung bestätigt und Taiwan, das durch amerikanische Bombardierungen bis zum Kriegsende schwere Zerstörungen erfahren und ca. 30.000 Personen in den Kampfeinsätzen für Japan verloren hatte, wurde somit ab 1945 unter die Verwaltung der Republik China gestellt. In der Potsdamer Erklärung „beauftragten“ die Alliierten die Republik China lediglich, Taiwan zu verwalten. Dieser Zustand sollte bis zu den Friedensverhandlungen in San Francisco 1952 währen, wo allerdings die beiden chinesischen Parteien (Republik China und Volksrepublik China) nicht anwesend waren. Der Status Taiwans wurde, so eine gängige Interpretation, mit dem Friedensvertrag von San Francisco, der anders als die Potsdamer und Kairoer Erklärung völkerrechtlich bindend ist, nicht final geklärt, denn dort wurde nur die Aufgabe Taiwans durch Japan erwähnt – nicht hingegen die Übernahme durch die Republik China (Damm 2023).
Nachkriegszeit
Die politischen Differenzen zwischen der Nationalen Volkspartei unter Chiang Kai-shek und den von Mao Zedong 毛泽东 (1893-1976) geführten Kommunisten, die während des 2. Weltkrieges zumindest nominell in einer Einheitsfront gegen die Japaner gekämpft und sich das chinesische Territorium geteilt hatten, mündeten ab 1945 auf dem Festland in einen Bürgerkrieg. Während die Nationale Volkspartei – zögerlich – Hilfe von den USA erhielt, setzte sich die kommunistische Volksbefreiungsarmee in den nachfolgenden Kämpfen mit sowjetischer Unterstützung durch und eroberte nach und nach das gesamte chinesische Festland. Nachdem auf Taiwan nach 1945 bereits schrittweise eine Regionalverwaltung der Republik China aufgebaut worden war, zog sich Chiang Kai-shek schließlich 1949 mit rund zwei Millionen Gefolgsleuten auf die Insel zurück, hielt aber am Ziel einer Rückeroberung des Festlands und dem Vertretungsanspruch für ganz China fest.
Noch während der Zeit der Verwaltung der Insel vom Festland aus protestierten am 28. Februar 1947 weite Teile der taiwanesischen Bevölkerung gegen den von der Nationalen Volkspartei auf Taiwan eingesetzten Militärgouverneur Chen Yi 陈毅 (1901 – 1972). Die Proteste richteten sich gegen die Folgen seiner Administration, die zu hoher Arbeitslosigkeit, Inflation und Krankheitsausbrüchen geführt hatte. Die Geschehnisse werden nach dem Datum 28. Februar auch „228-Zwischenfall“ (ererba 二二八) genannt. Nach anfänglich vorgetäuschtem Bemühen um eine Aufarbeitung der Protestgründe wurden die Unruhen durch vom Festland hinzugezogenes Militär gewaltsam unterdrückt. Zwischen 10.000 und 30.000 Menschen fielen den Repressionsmaßnahmen zum Opfer (Damm 12.02.2021; Memorial Foundation of 228 2017).
Mit der Gründung der Volksrepublik am 1. Oktober 1949 beanspruchten in der Folge zwei Regierungen für sich, ganz China zu vertreten: die Volksrepublik China unter Mao Zedong auf dem Festland und die Republik China unter Chiang Kai-shek auf Taiwan. In der UN vertrat weiterhin die Republik China auf Taiwan ganz China. Für die Kuomintang blieb in den Jahren nach dem Rückzug auf die Insel die Rückeroberung des Festlands bis weit in die 1970er Jahre erklärtes Regierungsziel. Die USA unterstützten Taiwan, drängten Chiang Kai-shek aber zu einer friedlichen Lösung des Konflikts mit der Volksrepublik.
Unter der Nationalen Volkspartei (KMT) und dem von ihr für Taiwan ausgerufenen Kriegsrecht wurden Oppositionelle, aber auch unpolitische Bürger*innen massiv verfolgt und unterdrückt, wo immer dies dem Machterhalt der Partei diente. Diese erst 1987 mit der Aufhebung des Kriegsrechts beendete Phase wird auch als „Weißer Terror“ Baise Kongbu 白色恐怖 bezeichnet. Dem Weißen Terror fielen nach 1947 (je nach Quelle) bis zu 20.000 Personen unmittelbar zum Opfer, weitaus mehr wurden für viele Jahre inhaftiert (Diefenbach 2017).
Schrittweise erkannten ab den 1950er Jahren viele afrikanische und osteuropäische Länder, aber auch einige Länder in Europa die Regierung der VR China in Beijing als alleinige Vertreterin von Gesamt-China an. Der große Umbruch erfolgte aber erst mit der Resolution 2758 der UNO-Generalversammlung, durch die 1971 der chinesische Sitz in der UN an die VR China ging. Taiwan, das auf seinem Vertretungsanspruch für ganz China bestand, sah sich gezwungen, die UNO und all ihre Unterorganisationen zu verlassen, obwohl die USA zu diesem Zeitpunkt noch darauf gedrängt hatten, den Status ungeklärt und somit beide Vertretungen in der UN zu belassen. Im sog. Kommuniqué von Shanghai signalisierten die USA 1972 ihr Einverständnis mit der Sicht der beiden Regierungen auf die Frage des Vertretungsanspruches für China: Beide Chinas erkennen nur ein China an, von dem Taiwan einen Teil darstellt.
1979 nahmen dann auch die USA formal diplomatische Beziehungen zur VR China auf. Dies führte dazu, dass für die USA mit dem „Einen China“ fortan ausschließlich die VR China verbunden sein musste. Gleichzeitig verpflichteten sich die USA im Taiwan Relations Act aus dem gleichen Jahr dazu, zur Wahrung von Frieden und Stabilität im Westpazifik Taiwan Verteidigungsmaterial für die Selbstverteidigung zur Verfügung zu stellen – ohne jedoch eine Bündnispflicht für den Kriegsfall einzugehen.
Im Verlauf der 1970er-Jahre zahlten sich amerikanische Hilfen an Taiwan, aber vor allem auch die massiven eigenen staatlichen Investitionen in die Wirtschaftsförderung seit Mitte der 1960er-Jahre aus: Exportorientierte Branchen blühten auf und die Exportförderungen mündeten in Taiwan über die nächsten drei Jahrzehnte hinweg in einer Entwicklung hin zum Status eines „Asiatischen Tigers“. (Über die wirtschaftliche Entwicklung Taiwans im letzten Jahrhundert: Chow 2022)
Andererseits verschlechterte sich die internationale Stellung Taiwans in den 1970er-Jahren kontinuierlich, was auch die Regierungspartei Kuomintang schwächte. Dem stand ein langsames Erstarken von oppositionellen Kräften gegenüber, die auf lokaler Ebene (und nur da fanden nach 1949 Wahlen statt) zunehmend mehr Wahlen gewinnen konnten (Fell 2018, 27).
1979 kam es in der Stadt Kaohsiung 高雄 im Süden Taiwans (Pinyin Gaoxiong Kaohsiung-Zwischenfall: Gaoxiong Shijian) zur gewaltsamen Unterdrückung der friedlich gegen die Machtverhältnisse protestierenden demokratischen Opposition („Kaohsiung-Zwischenfall“ Kaohsiung Shijian 高雄事件). Im Nachgang wurden die zentralen Figuren der Bewegung verhaftet und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Der Zwischenfall resultierte in weiteren Protesten und gewaltsamen Gegenmaßnahmen, leitete aber letztlich die Demokratisierung des Landes ein (Manthorpe 2005, 209,210).
Der Weg zur Demokratisierung
Ab den 1980er Jahren und insbesondere nach der Aufhebung des Ausnahmezustands 1987 entwickelte sich Taiwan schrittweise hin zu einer demokratischen Republik, in der der Präsident/die Präsidentin und das Parlament direkt vom Volk gewählt werden. Die Parteienlandschaft pluralisierte sich und der Gründung der Demokratischen Fortschrittspartei 民主進步黨 (DFP; Englisch: Democratic People’s Party/DPP; Pinyin Minzhu jinbudang) im Jahr 1986 folgten weitere Parteigründungen, wobei aufgrund des Mehrheitswahlrechts bisher stets entweder KMT- oder DFP-Kandidant*innen das Präsident*innenamt innehatten (Fell 2018, 38, 98–131).
Das Funktionieren der noch jungen demokratischen Strukturen zeigte sich u.a. daran, dass auf den ersten, 1996 frei gewählten Präsidenten Lee Teng-hui 李登輝 (1923-2020, Pinyin Li Denghui, KMT-Kandidat) mit Chen Shui-bian 陳水扁 (1950 -, Pinyin Chen Shuibian) im Jahr 2000 erstmals ein Kandidat der Demokratischen Fortschrittspartei als Präsident folgte, der 2008 wieder von einem KMT-Kandidaten (Ma Ying-jeou 馬英九, 1950 -; Pinyin Ma Yingjiu) abgelöst wurde. Tsai Ing-wen 蔡英文 (1956 -, Pinyin Cai Yingwen) wurde 2016 als DFP-Kandidatin ins Amt gewählt. (Zum Wahlgeschehen Anfang 2024 siehe unten, Absatz Gegenwartsbezug.)
Für die nach dem Ende des Kriegsrechts beginnenden Jahrzehnte des politischen Wechsels besonders prägend waren die Massenproteste, die im März 2014 in Taiwan ausbrachen, weil sie für das nachfolgende Verhältnis zur Volksrepublik China von entscheidender Bedeutung sind. Die Proteste richteten sich zunächst gegen die immer stärkere Öffnung der Wirtschaft für festländische Firmen und Investoren. Die Dienstleistungsbranche (v.a. Tourismus, Druckereiwesen und medizinische Dienstleistungen), die einen Anteil von 70% am taiwanesischen BIP hatte, sollte durch ein bereits 2013 in Shanghai zunächst hinter verschlossenen Türen ausgehandeltes Abkommen für festländische Investitionen geöffnet werden. Umgekehrt sollten auch taiwanische Investitionen in den Dienstleistungssektor der Volksrepublik China erleichtert werden. Aufgrund der von den Demonstrant*innen getragenen Sonnenblumen auch als „Sonnenblumenbewegung“ (Taiyanghua Xuelian 太陽花學運) bezeichnet, brachten die Proteste entsprechend dem Slogan: „Reject the Cross-Strait Service Trade Agreement, Defend Democracy“ (Tuihui fumao, weihu minzhu) neben der Kritik an dem Abkommen auch die allgemeine Unzufriedenheit mit der festland-freundlichen Politik der regierenden Kuomintang zum Ausdruck. Weitere Themen, die aufgegriffen wurden, waren ein als notwendig erachteter Generationenausgleich und die Frage der politischen Eigenständigkeit Taiwans. Im Zuge der Proteste wurde der Legislativyuan, das taiwanesische Parlament, erobert und 23 Tage lang besetzt gehalten und den Demonstrierenden gelang auch ein Eindringen in den Exekutivyuan. Erst nach deutlichen Zugeständnissen der Regierung (das Abkommen wurde ausgesetzt und ein von den Protestierenden geforderter Normenkontrollmechanismus angekündigt) fand die Bewegung nach wenigen Wochen ein friedliches Ende (Rowen 2015).
Gegenwartsbezug
Aufgrund des immensen Drucks der Volksrepublik China unterhielten vor der Wahl im Januar 2024 nur noch 13 kleinere und international wenig einflussreiche Länder offiziell diplomatische Beziehungen zu Taiwan (eine jeweils aktualisierte Liste findet sich im Wikipedia-Eintrag zu Foreign Relations of Taiwan) und erkannten das Land damit als Staat an. Neben den diplomatischen Beziehungen ist auch die internationale Einbindung Taiwans nach wie vor schwierig bis unmöglich: Das Land kann aufgrund der ablehnenden Haltung der Volksrepublik China weiterhin und trotz globaler Probleme wie der COVID19-Pandemie nicht in internationalen Organisationen wie beispielsweise der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der internationalen Luftfahrtbehörde IAO oder bei Interpol mitwirken. Das Weißbuch der Volksrepublik China zu Taiwan formulierte im Sommer 2022 den Anspruch der Regierung Xi Jinping: „Die nationale Wiedervereinigung ist der einzige Weg, […] die Sicherheit und die Entwicklungsinteressen unseres Landes zu schützen.“ (The Taiwan Affairs Office of the State Council und The State Council Information Office 10.08.2022, 12)
Am 13.01.2024 wurden Präsidentschaftswahlen abgehalten – eine Amtszeitverlängerung für Tsai Ing-wen war nach Ablauf ihrer zweiten Amtszeit nicht mehr möglich. Anfang 2023 erklärte der amtierende Vizepräsident William Lai 賴清德 (1959- , Lai Ching-te, Lai Qingde) seine Kandidatur für die demokratische Fortschrittspartei DFP. Noch vehementer als Tsai Ing-Wen hatte Lai sich in der Vergangenheit für eine stärkere Haltung gegenüber dem Festland ausgesprochen, so z.B. 2017, als er -in seiner Rolle als Premierminister- sich selbst als „pragmatischen Arbeiter für Taiwans Unabhängigkeit“ bezeichnete. In seiner Rede nach der Aufstellung als Präsidentschaftskandidat betonte er die von der DFP vertretene Position, dass Taiwan nicht unabhängig werden müsse, weil es schon ein souveräner Staat sei. (Tiezzi 14.04.2023; 三立 LIVE 新聞 2023) Die Nationale Volkspartei (KMT) legte im Mai 2023 in einer nicht in Form von Vorwahlen stattfindenden Kandidatenauswahl durch ein Komitee Hou Yu-Ih 侯友宜 (1957- , Pinyin Hou Youyi) als Kandidaten fest. Hou ist seit 2015 Bürgermeister von Neu-Taipei 新北市 und wird als gemäßigter Kandidat eingeschätzt. Als dritter Kandidat trat für die erst 2019 gegründete Taiwanische Volkspartei (Taiwan People’s Party, TPP bzw. dt. TVP 台灣民眾黨) Ko Wen-je 柯文哲 (1959- , Pinyin Ke Wenzhe), ehemaliger Bürgermeister von Taipei, an.
Lai konnte die Präsidentschaftswahl am 13.01.2024 mit 40,1% der Stimmen für sich entscheiden, Hou Yu-Ih erhielt 33,5% und Ko Wen-je 26,5%. Das Wahlergebnis wird als Bestätigung des von Amtsvorgängerin Tsai Ing-Wen eingeschlagenen Kurses einer fortgesetzten Eigenständigkeit gegenüber Beijing gedeutet. Lai hatte im Wahlkampf betont, den Kurs von Präsidentin Tsai fortsetzen zu wollen.
Zugleich verlor die Demokratische Fortschrittspartei aber die Mehrheit im Parlament (Legislativyuan), wo mit der Wahl die Kuomintang erstmals seit 2016 wieder zur stärksten Partei wurde (52 Sitze), gefolgt von der DFP mit 51 Sitzen und der TVP mit 8 Sitzen. Dieses Ergebnis wird als Zeichen der Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Innenpolitik (u.a. niedriges Lohnniveau versus hohe Lebenshaltungskosten) gewertet. Die TVP wird in der anstehenden Legislaturperiode eine entscheidende Rolle spielen, da ohne ihre Stimmen keine der beiden großen Parteien eine ausreichende Mehrheit besitzt (Batto 14.01.2024).
Während die Regierung der Volksrepublik China öffentlich vor allem das für die DFP negative Wahlergebnis im Legislativrat hervorhob und als Unterstützung für die pro-festländische Politik der KMT wertete, entschied sich Nauru, einer der verbliebenen 13 Staaten mit diplomatischen Kontakten zur Republik China auf Taiwan zur Einstellung eben dieser Kontakte, womit sich die Zahl der Staaten, die der Republik diplomatische Anerkennung zollen, Anfang 2024 auf 12 erniedrigt hat (einschließlich des Vatikan-Staats).
Literaturempfehlungen
Zu Taiwan – der historischen Entwicklung ebenso wie zur gegenwärtigen Situation – sind eine im Vergleich zu anderen China-bezogenen Themen große Breite an leicht zugänglichen und zielgruppengerechten Informationsquellen in deutscher Sprache verfügbar, die zur Unterrichtsvorbereitung herangezogen werden können:
Auch existieren bereits Materialien von Schulbuchverlagen zu Taiwan, ein aktuelles, empfehlenswertes Beispiel:
Ausführliche Informationen folgen in Zukunft. Bei Fragen wenden Sie sich gerne jederzeit an [email protected].
Autor | Kategorie | Schlagworte | Dauer | Fächerbezug | Klassenstufe(n) | Lehrplan |
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Autor*in: Stefanie Elbern (Alle nicht anders ausgezeichneten Texte wurden vom Autor/von der Autorin verfasst oder von ihm/von ihr übersetzt.) | Kategorie: Politik und Recht, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Geschichte, Außenbeziehungen, Greater China | Schlagworte: Alltagsleben, Außenbeziehungen, Digitalisierung, Internet, Karten, Konflikt/Krieg; Netzpolitik, Digitalpolitik, Politik, Recht, Taiwan, Wirtschaft | Dauer: 180 min. plus Vertiefungsmöglichkeiten | Fächerbezug: Politik, Geschichte, Geographie | Klassenstufe(n): 9, 10, 11, 12, 13 | Bezug zu Lehrplänen: Beispiele:
Thüringen, Gymnasium, Sozialkunde, Klasse 12: Internationale Konflikte Sachsen, Gymnasium, Geschichte, Klasse 11-12: Herausforderung Frieden Hessen, Gesamt-/Realschule, Sozialkunde, Klasse 10: Friedenssicherung Stand der Erhebung: 05.09.2023 |
Lernziele/Kompetenzen
Die Schüler*innen können…
1 | 2 | 3 | 4 |
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Inhaltliche Kompetenzen | Erkennen | …die unterschiedlichen Standpunkte zur Frage des Status Taiwans unterscheiden und einordnen. | Informationsbeschaffung und -verarbeitung |
…die für die aktuelle Konfliktlage relevanten, zentralen Akteure identifizieren. | Informationsbeschaffung und -verarbeitung | ||
…andere Themen, die den Alltag in Taiwan prägen, benennen (Digitalisierung, ethnische Vielfalt…). | Erkennen von Vielfalt | ||
Bewerten | …die Bedeutung der eingeschränkten Einbindung Taiwans in internationale Organisationen reflektieren. | ||
…die möglichen Folgen einer Veränderung des Status Quo – z.B. für die deutsche Wirtschaft, aber auch für globale Lieferketten – reflektieren. | |||
Handeln | …in Diskussionen über die politische Lage Taiwans einen eigenen Standpunkt argumentativ untermauern. | Verständigung und Konfliktlösung; Handlungsfähigkeit im globalen Wandel | |
Methodische Kompetenzen | Erkennen | …aus Einzelereignissen eine historische Entwicklung nachzeichnen und kritisch reflektieren. | Analyse des globalen Wandels, Kritische Reflexion und Stellungnahme |
Bewerten | …die Bedeutung des aktuellen Konflikts für den Alltag der Taiwanes*innen reflektieren. | Kritische Reflexion und Stellungnahme | |
Handeln | …ausgehend vom historischen Hintergrund der aktuellen Konfliktlage Möglichkeiten des Dialogs gestalten. | Verständigung und Konfliktlösung | |
Soziale und personale Kompetenzen | Kommunikative Kompetenzen | … faktenbasiert diskutieren und argumentieren. | |
Personale Kompetenzen | …eine Werthaltung aufbauen. |
Anmerkung: Nicht bei jedem in den Materialien abgehandelten Aspekt ist inhaltlich unmittelbar ein Bezug zum Globalen Lernen/Bildung für nachhaltige Entwicklung sichtbar. Wir wollen dies in den Modulen in der Herangehensweise aber wo immer möglich verankern. Die Lernziel-/Kompetenzfestlegung ist daher entsprechend dem Dreiklang Erkennen-Bewerten-Handeln aufgebaut.
Historie – Taiwan im Unterricht
Taiwan zu unterrichten, beinhaltet(e) zeitgebunden jeweils sehr unterschiedliche Schwerpunkte. Geprägt war und ist die Verarbeitung in Schulbüchern jeweils von den politischen Entwicklungen und der medialen Berichterstattung über Taiwan. Während des Kalten Krieges wurde Taiwan als ein Modell dafür herangezogen, was ohne kommunistische Herrschaft in Festlandchina passieren könnte. Es galt als Ort der Bewahrung der „echten“ „chinesischen“ Tradition, die auf dem Festland während der Kulturrevolution und unter Mao Zedongs diesbezüglicher Politik zu leiden hatte, wobei wertvollstes „chinesisches“ Kulturgut freilich erst mit der Flucht Chiang Kaisheks 蒋介石 (1887-1975, pinyin Jiang Jieshi) nach Taiwan gelangt war. Was die Fokussierung auf die „chinesische“ Kultur unter Chiang Kai-shek für Taiwans lokale Kultur bedeutete, die während der Phase des Kriegsrechts weitestgehend zugunsten festländischer Traditionen unterdrückt wurde, wurde dabei ausgeblendet. Größere Hinwendung zu Taiwan in seiner Eigenständigkeit erfolgte nach dem Ausschluss der Republik China aus der UN 1971 und der Anerkennung der VR China durch die USA 1979. Die wachsende diplomatische Isolation Taiwans ließ dessen Vertretung des „wahren China“ nicht mehr plausibel erscheinen, die diktatorische Herrschaft der Regierungspartei KMT wurde im Rückblick ganz anders eingeordnet. In aufeinander folgenden Schritten wendete sich das Interesse dann der wirtschaftlichen Erfolgsstory des Tigerstaats zu, dem gelungenen friedlichen Übergang zu einem demokratischen System (Dawley u. a. 2020, 51–53) sowie –noch aktueller- den fortschrittlichen Elementen im politischen System („Cyber-Demokratie“, frühe, erfolgreiche COVID-Bekämpfung als Stichworte). Ganz aktuell liegt nun ein starker Fokus darauf, welche Unterstützung Taiwan erwarten darf, wenn sich die VR China dazu entschließt, den Status quo ggf. durch gewaltsame/militärische Aktivitäten hin zu einer engeren Anbindung zu verändern.
Taiwan im Unterricht – heute
Taiwan stand in den vergangenen Jahren immer dann im Fokus der medialen Berichterstattung, wenn beispielsweise politischer Druck aus der Volksrepublik China auf deutsche Unternehmen wie Audi ausgeübt wurde – weil Taiwan auf einer Pressekonferenz des Konzerns nicht als Teil der VR China auf einer Karte gezeigt wurde; wenn der Nachschub an Halbleitern stockt(e), z.B. aufgrund von Handelsbeeinträchtigungen durch Corona; und schließlich, wann immer sich die politische Großwetterlage verschärft(e) und Militäreinsätze einen Krieg möglich erscheinen lassen. Dementsprechend dient damit aktuell als Aufhänger für die Behandlung Taiwans im Unterricht sicher oft die aktuelle mediale Berichterstattung zum Taiwan-Konflikt.
Durch eine Fokussierung ausschließlich auf die zeitgebunden im Vordergrund stehenden Aspekte kann ein Verständnis des Status Quo nur sehr eingeschränkt erarbeitet werden. Im Kontext dieses Moduls soll daher die Möglichkeit geboten werden, sich dem Land historisch, politisch/wirtschaftlich und kulturell/sozial anzunähern. Bei der Hinwendung zu Taiwan wird, um der beschränkt zur Verfügung stehenden Unterrichtszeit gerecht zu werden, im Modul, wo immer möglich, auf Wissen zurückgegriffen, das bereits im sonstigen Fachunterricht erworben wurde. Dazu zählen Fragestellungen wie: Wann ist ein Staat ein Staat? Sowie „Wie bestimmen Geschichte und Gegenwart die Identität (hier: von taiwanesischen Bürger*innen)?“ Diese zwei Fragen sind dementsprechend Leitfragen des Moduls. Ganz allgemein erlauben die bereitgestellten Materialien aber auch, durch die Auseinandersetzung mit dem Land über das Konstrukt „China“ aus anderen Blickrichtungen nachzudenken.
Die Modulmaterialien sind auf die zwei genannten Leitfragen zugeschnitten: Wie sind die konstituierenden Elemente Staatsgebiet (L1), Staatsvolk (L9) und Staatsgewalt (L3) im Falle Taiwans zu beurteilen? Wie prägen Historie und Gegenwart die Identität der Taiwanes*innen (L2, L4, L5, L9)? Lerneinheit 1 ermöglicht eine erste Annäherung an die Geographie der Insel, während sich Lerneinheit 2 mit einer Zeitleistenarbeit der die Gegenwart bestimmenden Historie zuwendet. Die Darstellung eines Landes auf Karten richtet, wenn unterschiedliche Ansichten gezeigt werden, die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die Frage, welcher Zustand von wem warum dokumentiert und damit akzeptiert oder hinterfragt wird. Die historische Hinwendung zu Taiwan ist eine Voraussetzung für ein tiefergehendes Verständnis der aktuellen Konfliktlage. Um die Staatlichkeit Taiwans besser beurteilen zu lernen, wendet sich Lerneinheit 3 dem politischen System der Republik China (Taiwan) zu. Hier kann Vorwissen der Schüler*innen aktiviert werden, etwa im Hinblick auf Merkmale von demokratischen Systemen oder über eine Auseinandersetzung mit den völkerrechtlich als konstituierend angesehene Eigenschaften von Staaten (s.o., Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt).
Der aktuelle Konflikt wird in Lerneinheit 4 in Form von Einzelarbeit, in Lerneinheit 5 in einer Gruppenarbeit erschlossen.
Lerneinheit 6 bietet in Form eines Interviews die Möglichkeit, die in den weiteren Lerneinheiten L7 – L10 separat thematisierten Lerninhalte (z.B. Taiwans Einbindung in die internationale Staatengemeinschaft, Identität, Digitalisierung) in kompakter Form zu vermitteln.
Wo dies zeitlich möglich ist, bieten Lerneinheiten 7-10 aber die Möglichkeit, sich mit einzelnen Schwerpunkten vertieft auseinanderzusetzen:
Die außenpolitische Haltung der VR China gegenüber der Taiwan-Frage wurde in den letzten zwei Dekaden immer wieder in politischen Papieren und Reden ausformuliert. Lerneinheit 7 erschließt mit Hilfe von Auszügen aus relevanten Texten die Entwicklung hin zum heutigen Stand und thematisiert zugleich konkrete Folgen dieser Politik, indem Zugangsmöglichkeiten Taiwans zu Gremien der internationalen Staatengemeinschaft in den Blick genommen werden.
Grundwissen über Taiwan als elementarem Bestandteil globaler Lieferketten (Lerneinheit 8) ist notwendig, um die wirtschaftlichen Folgen einer Eskalation des Konflikts einzuschätzen.
Lerneinheit 9 enthält Materialien zu politischen und kulturellen Identitätsfragen, die die Pluralität der taiwanischen Gegenwartsgesellschaft abbilden. Einblicke in den Stand der Digitalisierung der Gesellschaft (Lerneinheit 10) bieten den Schüler*innen lebensweltliche Zugänge, die gleichwohl die aktuelle politische Situation nicht aus dem Blick lassen.
Die ergänzenden Materialien ermöglichen eine Auseinandersetzung mit Jungendkultur in Taiwan: LE EM 11.1 enthält zwei gekürzte Abschnitte aus dem Buch „Am Fuße des Kavulungan – Eine philosophische Reise“ der taiwanesischen Autorin Lung Ying-tai 龍應台 (1952- ). Beschrieben wird die Begegnung der Ich-Erzählerin mit einer Dorfschulklasse. Die Jugendlichen diskutieren unter Anleitung der Autorin über die Beziehung von ca. vierzehnjährigen Jungen und Mädchen. Das Material eignet sich für einen Einstieg in Sprachreflexion. In dem Kapitel „Fragen zum Nachdenken für Vierzehnjährige“ (LE EM 11.2 und 11.3) des gleichen Romans regt ein Fragenbogen die Jugendlichen an, über ganz unterschiedliche Themen nachzudenken. Das Material enthält die Fragen der Autorin und die Antworten der Schüler*innen und eignet sich als Einstieg ins Thema Philosophie beziehungsweise philosophisches Denken.
Die hier präsentierten Unterrichtsverläufe sind Vorschläge, die mit den im Modul enthaltenen Materialien umsetzbar sind und auf den im didaktisch-methodischen Kommentar dargelegten Überlegungen basieren. Unsere Vorschläge werden im Laufe unserer Schulpatenschaften an die Erfahrungen aus der Praxis angepasst. Geben Sie uns gerne auch informell Rückmeldung zu Ihren Unterrichtserfahrungen mit den im Modul enthaltenen Materialien: [[email protected]].
Phase | Dauer | Inhalt | Sozialform | Material |
---|---|---|---|---|
Einstieg/Vorstrukturierung | 10 min | Den Blick lenken: Orientierung via Karten | Gruppenarbeit | L1 M1.1 |
20 min | Zeitleistenarbeit: Historische Annäherung | Einzelarbeit | L2 M2.1 | |
Erarbeitung I | Leitfrage 1: Wann ist ein Staat ein Staat? | L3, L4 | ||
30 min | Grundlagenwissen: Staatssystem Taiwan | Einzelarbeit | M3.1 M3.2 M3.3 | |
Entweder | 25 min | Dimensionen des aktuellen Konflikts | Einzelarbeit | L4 M4.1, M4.2 |
Oder | 25 min | Dimensionen des aktuellen Konflikts | Gruppenarbeit | L5 M5.1 |
5 min | Tafelbild | Auswertung Gruppenarbeit | ||
Vertiefung | 30 min | Interview | Gruppenarbeit | L6 M6.1 |
Erweiterung I | 45 min | VR-chinesische Außenpolitik gegenüber Taiwan: Entwicklung und Folgen | Einzelarbeit | L7 M7.1, M7.2 |
30 min | Bedeutung der Wirtschaft im aktuellen Konflikt | Einzelarbeit | L8 M8.1, M8.2 | |
Erarbeitung II | Leitfrage 2: Wie prägen Historie und Gegenwart die Identität der Bürger*innen? | L9, L10 | ||
30 min. | Bevölkerungszusammensetzung, politische Standpunkte | Einzelarbeit | L9 M9.1 M9.2 | |
30 min. | Facetten kultureller Identität | Gruppenarbeit | M9.3 | |
15 min | Digitalisierung als Element von kultureller Prägung: Digitalisiertes Taiwan – Einführung | Lehrvideo/Lehrervortrag | L10 M10.1 | |
45 min. | Internet als soziales Medium; politische Gestaltung durch Instrumente für Bürger*innenbeteiligung | Einzelarbeit | M10.2, M10.3, M10.4 | |
Sicherung | 15 min. | Mindmaps zu Leitfrage 1 und Leitfrage 2 | Gruppenarbeit (pro Gruppe eine Leitfrage); anschließend abschließendes Unterrichtsgespräch | |
Ausblick: Seminararbeit, Hausaufgaben | Zeitleisteneinträge verfassen: parallel zu “Taiwan, Fahrradinsel” zum Beispiel „Taiwan, die Baseball-Insel" |
Stefanie Elbern
Inhalt
Autor*in
Stefanie Elbern
3 Lernmodule
Beinhaltet
- 11 Lerneinheiten
- 22 Materialien
- 26 Aufgaben