China Spektrum: Debatten jenseits der offiziellen Regierungslinie
M2.3: Liu Junyan: Engagement für Umweltschutz in der Volksrepublik China – (un)möglich?
Jonas Schmid 07.12.2023
M2.3: Engagement für Umweltschutz in der Volksrepublik China – (un)möglich?
Was sind die Möglichkeiten und Grenzen von zivilgesellschaftlichem Engagement im Bereich Umweltschutz und Klimakrise in der Volksrepublik China? Die Forscher*innen des Projektes China Spektrum gehen dieser Frage nach.
Das vergangene Jahrzehnt [2013-2023] war geprägt von starken Einschnitten in den Handlungsspielraum chinesischer NGOs und deren Mitarbeitenden. Vor allem die Betätigungsfelder ausländischer Organisationen in China, darunter auch viele Deutsche, wurden durch das Gesetz zur Regulierung ausländischer Nichtregierungsorganisationen von 2016 deutlich eingeschränkt.
Auch in Klimafragen wird der Raum für zivilgesellschaftliches Engagement zunehmend kleiner. In den vergangenen Jahren wurden offener Protest oder künstlerische Formen des Aktivismus – wie Kunstinstallationen, die auf Umweltverschmutzungen hinweisen – immer wieder unterbunden. Zudem ist Zensur in den sozialen Medien ein Thema, so wurden beispielsweise Posts zum einjährigen Gedenken an die Flut 2021 in Henan gelöscht.
In diesem Kontext mag es überraschen, dass Liu Junyan als Klima-Aktivistin in öffentlichen Diskussionen durchaus Spielraum erhält und staatliche Medien ihr eine Plattform bieten. Und das, obwohl Greenpeace eine ausländische NGO ist und mit ihrem Bottom-Up-Ansatz der Einbindung der Bevölkerung im Widerspruch zum zentralstaatlichen, technologiezentrierten Ansatz der chinesischen Regierung steht.
Lius ungewöhnlicher Handlungsspielraum hat mehrere Gründe:
• Im Bereich Klima und Umwelt verfolgen Staat und NGOs in China nicht selten eine komplementäre Agenda. Die Betätigung chinesischer Organisationen und Individuen in diesem Bereich wird als weniger sensibel wahrgenommen, solange die Zentral- oder lokale Regierung nicht angegriffen wird oder eine autonome Interessensorganisation stattfindet.
• Das Arbeitsfeld ist auch für ausländische Umweltorganisationen noch recht offen. Mit vielen sachkundigen chinesischen Mitarbeitenden arbeitet Greenpeace in China vor allem in der Umweltforschung und Wissensvermittlung und nicht aktivistisch.
• Liu Junyan selbst argumentiert wissenschaftlich. Indem sie Extremwetter-Situationen erklärt und anschaulich vor zukünftigen Problemen warnt, verfolgt sie das gleiche Ziel wie der Staat, aber kann Menschen aus einer anderen Perspektive erreichen. Sie verbindet deutliche Forderungen nach einer wirkkräftigeren staatlichen Politik mit Lob an anderer Stelle.
Dass gerade im Bereich Umwelt- und Klimapolitik noch Handlungs- und Debattenspielraum besteht, ist auch für Akteur*innen in Deutschland und Europa von großem Interesse. Das Thema nachhaltige Entwicklung stand im Zentrum der diesjährigen deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen [2023]. Die neue China-Strategie der Bundesregierung sieht Kooperation im Klimabereich als wichtiges gemeinsames Betätigungsfeld.
Lius Forderung nach Wissenstransfer, Bewusstseinswandel und aktiver Beteiligung von Bürger*innen an dieser globalen Herausforderung verbindet sie mit Gleichgesinnten in Deutschland und andernorts. Inwieweit ihre Ideen und Initiativen die chinesische Klima- und Umweltpolitik beeinflussen können, bleibt abzuwarten.
Zur Einsicht detaillierter Quellenangaben sowie weiterführender Informationen und Literaturhinweise zum Material besuchen Sie bitte die Plattform ChinaPerspektiven. [https://www.china-schul-akademie.de/materialien/m-spektrum-m2-3]
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