M5.5: Studie: Diskriminierung von trans* Menschen in China: Arbeitsmarkt

Inhalt: Der Bericht zur Situation von trans* und nichtbinären Menschen in China wurde von der Non-Profit-Organisation Beijing LGBT Center und dem Institut für Soziologie der Peking Universität unter Mitarbeit des United Nations Development Programme (UNDP), der niederländischen Regierung und diversen chinesischen LGBTIQ*-Organisationen erstellt. Es handelt sich dabei um die erste (und bisher einzige) landesweite Studie zur Situation der Transgender-Bevölkerung in der Volksrepublik China. Die Studie basiert auf einer im September 2017 durchgeführten Online-Umfrage mit 2.060 Teilnehmer*innen. Diese identifizieren sich selbst als Transfrau, Transmann, nichtbinär oder Crossdesser*in. Ihre sexuelle Orientierung ist divers, wobei sich der Großteil (33,3%) als bi- oder pansexuell bezeichnet. Die meisten Umfrageteilnehmer*innen kommen aus den urbanen Gebieten an der Ostküste der Volksrepublik China (Beijing, Shandong, Shanghai, Zhejiang und Guangdong) und sind jung und gebildet. Mehr als zwei Drittel von ihnen haben oder hatten mit Geschlechtsdysphorie (Leid/Bedrängnis durch die Nichtübereinstimmung der Geschlechtsidentität mit dem biologischen Geschlecht) zu kämpfen.
Der Bericht beschreibt unterschiedliche Bereiche der Diskriminierung gegenüber trans* und nichtbinären Menschen in der Volksrepublik China (VR China): Die Möglichkeiten und Einschränkungen beim Zugriff auf Medikamente zur Hormontherapie und auf geschlechtsangleichende Operationen sowie die daraus resultierenden psychischen und physischen Auswirkungen werden analysiert. Ebenso werden darin der Grad der Akzeptanz durch die eigene Familie oder Partner*innen sowie häusliche Gewalt thematisiert. Weiterhin beinhaltet der Bericht Informationen zum Bildungsniveau von trans* und nichtbinären Personen in der VR China und zur Diskriminierung im chinesischen Bildungswesen. Auch zeigt er die daraus resultierenden Probleme von chinesischen trans* und nichtbinären Menschen auf dem Arbeitsmarkt oder am Arbeitsplatz auf. Außerdem geht der Bericht auf die Wahrnehmung von öffentlichen Orten durch trans* und nichtbinäre Menschen in der VR China ein. Abschließend zeigt die Studie die große Verbreitung psychischer Probleme wie Depressionen und Angststörungen unter chinesischen trans* und nichtbinären Menschen auf und diskutiert politische Maßnahmen zur Verbesserung der Lage. Allgemein gibt sich die chinesische Regierung in Bezug auf die Rechte von queeren Menschen relativ verhalten, gar indifferent. Sie fährt eine Politik der „Drei Neins“ (san bu 三不): nicht unterstützen, nicht opponieren, nicht propagieren (bu zhichi, bu fandui, bu tichang 不支持，不反对，不提倡). Diese Politik ist in etwa vergleichbar mit der Praxis „Don’t ask, don’t tell“ des US-amerikanischen Militärs.
Warum gerade Transfrauen (Menschen, denen bei der Geburt das männliche Geschlecht zugeschrieben wurde, die sich aber als weiblich identifizieren) in vielen Bereichen am meisten von Diskriminierung betroffen sind, lässt sich durch die männliche Überlegenheit und die bis heute gültigen, traditionellen Geschlechterrollen in der patriarchalen chinesischen Gesellschaft erklären – der Mann als Hauptverdiener, die Frau kümmert sich um Haushalt und Kind(er). Diese niedrige soziale Stellung der Frau gilt ebenfalls für Transfrauen. Zusätzlich sind Transfrauen von einer gesellschaftlichen Stigmatisierung betroffen. Denn durch vorherrschende Männlichkeitsbilder werden Transfrauen als abnormal stigmatisiert, da das als weiblich gelesene äußerliche Erscheinungsbild und Verhalten eines Menschen, dem bei Geburt das männliche Geschlecht zugeschrieben wurde, als „unmännlich“ gilt.

Frederike Schneider-Vielsäcker (Stand 24.05.2022)

Weiterführende Literatur: