Wie klingt China? Eine musikalische Entdeckungsreise
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Lerneinheit 1: Eine musikalische Reise durch China2 Materialien|4 Aufgaben
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Lerneinheit 2: Dimensionen chinesischer Musik- und Klangkultur
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Lerneinheit 3: Begegnung mit Tradition1 Material
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Lerneinheit 4: China im Kontakt mit Europa1 Material|1 Aufgabe
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Lerneinheit 5: Ethnische Vielfalt2 Materialien|1 Aufgabe
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Lerneinheit 6: Musik und Macht3 Materialien|5 Aufgaben
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Lerneinheit 7: Chinas Gesellschaft im Wandel2 Materialien|2 Aufgaben
M1.2: Eine musikalische Reise durch China
Lasst uns eine kurze musikalische Reise durch China wagen. Dabei geht es nicht darum zu hören, was in der Volksrepublik momentan populär und allgegenwärtig ist oder von besonders vielen Chines*innen gehört wird. Stattdessen lauschen wir gemeinsam hinein in die Vielfalt chinesischer Musikkulturen – von Peking-Oper über Rap-Songs bis hin zur tönenden Müllabfuhr ist alles dabei!
Gong Linna ist eine in China durchaus bekannte und anerkannte Sängerin. Komponiert wurde dieses Stück interessanterweise von einem Deutschen – Gong‘s Ehemann Robert Zollitsch (1966- ). Das Stück vermischt unterschiedliche Gesangsstile verschiedener lokaler chinesischer Opernformen – es ist also eine moderne Variante traditioneller chinesischer Lokalkultur. Zuerst veröffentlicht wurde das Lied schon 2006. Doch erst mit der Aufführung bei den offiziellen Feierlichkeiten zum Frühlingsfest in Beijing 2010 und der Verbreitung durch bekannte chinesische Popstars online erlangte das Lied große Bekanntheit.
Wie angekündigt springen wir auf unserer Reise durch Zeit und Raum – es soll uns zunächst eher um das neugierige Hören als um das vollständige Verstehen gehen. Die folgende Aufnahme zeigt eine der vielleicht berühmtesten chinesischen Sängerinnen: Teresa Teng (Deng Lijun 鄧麗君, 1953-1995) mit dem Lied „Wann kommst Du zurück?“ (Heri jun zai lai 何日君再來), das sie 1978 aufnahm. Als Abschiedsszene zwischen zwei Liebenden mit der wiederkehrenden Frage „Wenn wir uns heute Abend verabschieden, wann wirst Du wiederkommen?“ im Refrain mag dieses Liebeslied zunächst harmlos wirken. Doch das Lied hat interessante politische Hintergründe.
Das Lied „Wann kommst Du zurück“ wird oft verglichen mit dem deutschen Schlager „Lili Marleen“ – ein kriegszeitliches Lied, das an allen Fronten gespielt wurde. Es wurde zuerst 1937 aufgenommen – ganz kurz nach dem Ausbruch des Zweiten Sino-Japanischen Krieges im bereits japanisch besetzten Shanghai. Während des Krieges wurde es von allen Parteien gespielt und der Text „Wann kommst Du zurück?“ auch auf die erhoffte Rückkehr von Soldaten bezogen.
Teresa Teng nahm das Lied wiederum auf, als der Kalte Krieg zwischen der Volksrepublik China auf dem Festland und der Insel Taiwan in vollem Gange war. Aufgrund ihrer Beliebtheit wurde Teng von der Nationalistischen Regierung auf Taiwan als „Kulturbotschafterin“ eingesetzt. Ihre Stimme wurde sogar mit Hilfe riesiger Lautsprecher von einer winzigen taiwanischen Insel vor der Küste Chinas in Richtung Festland gespielt. Eine der neuesten Versionen desselben Liedes findet sich im Film „Crazy Rich Asians“, der in Singapur spielt.
Eine ähnlich lange Reise hat das folgende Stück hinter sich. Gespielt wird es hier von dem in China geborenen Starpianisten Lang Lang 朗朗 (1982- ).
Dieses Stück klingt vielleicht europäisch – in der Tat, es handelt sich um das „Gebet einer Jungfrau“ der sonst ziemlich unbekannten polnischen Komponistin Tekla Badarzewska-Baranowska (1834-1861) von 1859. Was hat so ein Stück also hier zu suchen?
Es gibt Stücke, die werden in China so viel (und so viel mehr) gespielt als in Europa, dass man sie möglicherweise mit Recht „chinesisch“ nennen darf (oder sogar muss). Während dieses Stück in Europa der Inbegriff von Kitsch wurde, ist es auf Taiwan zum Beispiel zum Alltag geworden – hier eine Aufnahme aus der südtaiwanischen Großstadt Gaoxiong 高雄.
Das “Gebet einer Jungfrau” ist nicht das einzige Europäische Lied, das in China so Wurzeln geschlagen hat, dass sich viele Chines*innen über seine europäische Herkunft nicht bewusst sind. Noch bekannter ist vielleicht folgende Melodie:
Das Lied, das wir als “Bruder Jakob” kennen, diente ab 1926 kurzzeitig als Nationalhymne der Republik China. Über die Jahre gab es mehrere Varianten des Liedes, das von verschiedenen politischen Lagern adaptiert wurde. Heute wird es mit nochmal anderem Text – der von zwei kleinen Tigern handelt – als Kinderlied gesungen.
Nachdem wir schon kurz in Richtung Taiwan gelauscht haben, wollen wir nun auch noch nach Hongkong blicken. Der wohl erfolgreichste und produktivste Sänger und Schauspieler Hongkongs ist wohl Andy Lau (Liu Dehua 劉德華, 1961- ). Sein Lied „Chinesen“ erschien 1997, als Hongkong gerade von den Briten an die Volksrepublik zurückgegeben wurde – und wurde auch bei den Feiern 1997 zur Rückgabe Hongkongs und wieder zur 10-Jahresfeier 2007 gespielt. Hier lohnt sich ein Blick auf den Text, mit dem versucht wird, eine gemeinsame chinesische Identität zu konstruieren.
Natürlich hat sich seit 1997 einiges getan. Wie vielleicht aus den Medien bekannt ist, übt die Volksrepublik auch in Hongkong immer mehr Macht aus. 2019 kam es zu massiven Protesten. In diesem Kontext entstand das folgende Stück, genannt “Explicit Content” der Hongkonger Sängerin Charmaine Fong (Fong Ho-Man 方皓玟, 1980- ). Es zeigt stilisiert Ausschnitte von Videos der Proteste, von Pressekonferenzen mit Carrie Lam, der damaligen Peking-treuen politischen Vertreterin Hongkongs und von Polizeigewalt.
Nach diesen Exkursionen nach Taiwan und Hongkong wollen wir einen großen zeitlichen Sprung wagen. Keine Reise durch die chinesische Musik kann ohne die Erwähnung traditioneller chinesischer Opern auskommen. Hier eine Aufnahme von Mei Lanfang 梅蘭芳 (1849-1961), Chinas berühmtesten Darsteller der Peking-Oper, der sich auf weibliche Rollen spezialisiert hat. Die Aufnahme ist die früheste Live-Aufnahme, die wir von ihm haben – sie entstand 1930 in den USA, als Mei Lanfang in Hollywood tourte.
Auch heute spielt traditionelle Oper noch immer eine Rolle. Viele Chines*innen hören und spielen mit großer Begeisterung verschiedene Opern-Stile. Und das Genre verändert sich. So wurde etwa die Titelmelodie für eine Protagonistin des Playstation Spiels Genshin Impact des chinesischen Herstallers miHo Yo von einer Peking-Oper Darstellerin gesungen. Hier eine Cover-Version eines Ensembles, das auf YouTube und chinesischen Video-Plattformen Millionen von Views hat. Besonders interessant ist hier der Kontrast zwischen dem klassischen Gesangsstil und der Instrumentalbegleitung, die eher an Rock- oder Filmmusik erinnert.
Wir haben eben bereits ein Stück der Sängerin Charmaine Fong aus Hongkong gehört, in dem sie nicht auf Hochchinesisch, sondern auf Kantonesisch singt. Ein weiteres Beispiel dafür, dass Musik aus China nicht immer auf Chinesisch gesungen wird ist das Lied des uigurischen Sängers und Dutar-Spielers Abdurehim Heyit (1964- ). Dutar ist eine langhalsige Laute, die in der Musik Zentralasiens gerne eingesetzt wird. Das folgende Lied mit dem Titel “Begegnung” verwendet den Text eines Historikers, der lange Jahre in Gefangenschaft verbrachte. Seit 2017 ist auch der Verbleib des Sängers Adurehim Heyits ungeklärt. 2019 gab es nach Gerüchten, er sei in den von der chinesischen Regierung in Xinjiang errichteten Lagern gestorben, eine kurze Videobotschaft von ihm.
Auch chinesische Musiker*innen außerhalb Chinas machen auf gesellschaftliche Probleme in China aufmerksam. So z.B. der Hit des chinesisch-amerikanischen Sängers und Schauspielers Wang Leehom (Wang Lihong 王力宏, 1976- ) und des in Malaysia geborenen und in Taiwan ansässigen Rappers Namewee (Huang Mingzhi 黃明志, 1983- ), der die Schicksale von Wanderarbeiter*innen in der Stadt Beijing thematisiert.
Aber natürlich ist auch in China nicht alle Musik offensichtlich hochpolitisch.
Das ist Jolin Tsai aus Taiwan (Tsai I-ling 蔡依林, 1980- ), wie man sie kennt. In diesem Lied sind Anleihen bei K-Pop (koreanische Popmusik) oder Lady Gaga erkennbar (mit Lady Gaga hat Jolin Tsai tatsächlich schon zusammengearbeitet). Das Lied enthält aber auch eine satirische Komponente, die Popkultur und das Leben der Stars kritisiert: Stars tun scheinbar alles für Aufmerksamkeit und kümmern sich nur um Geld.
Aber Jolin Tsai kann auch ernste Themen: Ihr 2014 produziertes Lied „Wir sind alle verschieden und doch alle gleich“ behandelt Schicksale von homosexuellen Paaren in Taiwan, die bis 2019 nicht heiraten durften, daher offiziell nicht als Angehörige galten und so z.B. im Krankenhaus keinen Zugang zu ihren lebensbedrohlich erkrankten Partnern erhielten.
Zum Abschluss hören wir ein Stück des chinesischen Komponisten Yao Chen 姚晨 (1978- ), der am Pekinger Zentralkonservatorium unterrichtet. Es nutzt traditionelle chinesische Instrumente, orientiert sich aber auch klar an avantgarde-Musik aus Europa.
Zur Einsicht detaillierter Quellenangaben sowie weiterführender Informationen und Literaturhinweise zum Material besuchen Sie bitte die Plattform ChinaPerspektiven. [https://www.china-schul-akademie.de/materialien/m-musik-m1-2]
Weiterführende Informationen
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