M2.5: Wirtschaftsleistung: Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (2020)

Einordnung: Dieser Einordnungstext beschreibt die Datengrundlage und erläutert den Indikator Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, seine Entwicklung in China und im internationalen Vergleich.

Daten

Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf lag in der Volksrepublik China 2020 landesweit bei 72.000 Renminbi 人民币 (dies entsprach im Juli 2020 umgerechnet 9.045 Euro). Dieser nationale Durchschnitt verdeckt jedoch große Unterschiede innerhalb des Landes zwischen städtisch geprägten und wirtschaftlich starken Verwaltungsregionen mit einem deutlich höheren Wert und ländlich geprägten und wirtschaftlich schwächeren Regionen mit einem teils deutlich niedrigeren Wert. Die Reihenfolge der Verwaltungseinheiten nach der Höhe des Bruttoinlandsproduktes pro Kopf geordnet lautete 2020:

Beijing 北京: 164.889 RMB, 20.714 Euro (Juli 2020)

Shanghai 上海: 155.768 RMB, 19.568 Euro (Juli 2020)

Jiangsu 江苏: 121.231 RMB, 15.230 Euro (Juli 2020)

Fujian 福建: 105.818 RMB, 13.293 Euro (Juli 2020)

Tianjin 天津: 101.614 RMB, 12.765 Euro (Juli 2020)

Zhejiang 浙江: 100.620 RMB, 12.640 Euro (Juli 2020)

Guangdong 广东: 88.210 RMB, 11.081 Euro (Juli 2020)

Chongqing 重庆: 78.170 RMB, 9.820 Euro (Juli 2020)

Hubei 湖北: 74.440 RMB, 9.351 Euro (Juli 2020)

Shandong 山东: 72.151 RMB, 9.064 Euro (Juli 2020)

Innere Mongolei (Nei Menggu 内蒙古): 72.062 RMB, 9.053 Euro (Juli 2020)

Shaanxi 陕西: 66.292 RMB, 8.328 Euro (Juli 2020)

Anhui 安徽: 63.426 RMB, 7.968 Euro (Juli 2020)

Hunan 湖南: 62.900 RMB, 7.902 Euro (Juli 2020)

Liaoning 辽宁: 58.872 RMB, 7.396 Euro (Juli 2020)

Sichuan 四川: 58.126 RMB, 7.302 Euro (Juli 2020)

Jiangxi 江西: 56.871 RMB, 7.144 Euro (Juli 2020)

Henan 河南: 55.435 RMB, 6.964 Euro (Juli 2020)

Hainan 海南: 55.131 RMB, 6.926 Euro (Juli 2020)

Ningxia 宁夏: 54.528 RMB, 6.850 Euro (Juli 2020)

Xinjiang 新疆: 53.593 RMB, 6.732 Euro (Juli 2020)

Tibet (Xizang 西藏): 52.345 RMB, 6.576 Euro (Juli 2020)

Yunnan 云南: 51.975 RMB, 6.530 Euro (Juli 2020)

Qinghai 青海: 50.819 RMB, 6.384 Euro (Juli 2020)

Jilin 吉林: 50.800 RMB, 6.382 Euro (Juli 2020)

Shanxi 山西: 50.528 RMB, 6.348 Euro (Juli 2020)

Hebei 河北: 48.564 RMB, 6.101 Euro (Juli 2020)

Guizhou 贵州: 46.267 RMB, 5.812 Euro (Juli 2020)

Guangxi 广西: 44.309 RMB, 5.566 Euro (Juli 2020)

Heilongjiang 黑龙江: 42.635 RMB, 5.356 Euro (Juli 2020)

Gansu 甘肃: 35.995 RMB, 4.522 Euro (Juli 2020)

Datengrundlage

Die Daten, die dieser Karte zugrunde liegen, stammen aus dem offiziellen Jahresbericht des Nationalen Amtes für Statistik der Volksrepublik China, finden sich aber auch in aufbereiteter Form bei Statista, einem deutschen privatwirtschaftlichen Portal, das amtliche Statistiken sowie Daten von Markt- und Meinungsforschungsinstituten zugänglich macht. Offizielle staatliche Statistiken aus der Volksrepublik China – insbesondere was wichtige wirtschaftliche Indikatoren wie beispielsweise die Wirtschaftsleistung angeht – werden oft kritisch gesehen und ihre Validität angezweifelt. In der Volksrepublik China – insbesondere auf der Provinz- und Lokalebene – sind die Bewertung und Beförderung von Beamten eng mit der erfolgreichen Umsetzung von Vorgaben der Zentralregierung (darunter als einer der wichtigsten Faktoren das Wirtschaftswachstum) verknüpft. Lokale Beamte haben daher oftmals ein Interesse, dass für sie schlechte Daten durch Manipulation aufgehübscht werden. (Weitere Informationen zum Bewertungssystem chinesischer Beamter finden Sie in unserem Lernmodul Meritokratie.)

2013 berichtete die New York Times beispielsweise über den eklatanten Unterschied zwischen Provinzstatistiken und nationalen Daten zur Wirtschaft: Wurden die Bruttoinlandsprodukte aller 31 Verwaltungseinheiten (Provinzen, regierungsunmittelbare Städten und autonome Regionen) addiert, so lag die Summe deutlich höher als das vom Nationalen Statistikbüro für ganz China errechnete Bruttoinlandsprodukt – es schien als gäbe es eine weitere Phantomprovinz mit einer Wirtschaftskraft von 5,8 Billionen Renminbi 人民币 (Tatlow 2013; Wen 2019; Heilmann 2016, 188; Holz 2013, 313-315). Eine 2019 vom amerikanischen Thinktank Brookings herausgegebene Studie, kam auch zu dem Ergebnis, dass die regionalen Wirtschaftsdaten zwischen 2008 und 2016 so stark verzerrt waren, dass die chinesische Wirtschaft 2016 in der Realität 12% kleiner war als angenommen (Chen u.a. 2019). Die verzerrten Wirtschaftsstatistiken der Volksrepublik China sind also kaum auf gezielte Fälschungen der Zentralregierung, sondern eher auf die im chinesischen Beamtensystem angelegten Anreize zur Schönung von lokalen Statistiken zurückzuführen (Heilmann 2016, 189; Holz 2014, 322). Die Zentralregierung und die Parteiführung in Beijing haben in den Jahren nach 2013 dies als Problem erkannt und versuchen Druck auf die Provinzebene auszuüben, damit deren Zahlen stärker der Realität entsprechen (Leng 2019). Weitere Informationen zur Validität von Statistiken aus der Volksrepublik China sind im Hintergrundtext „Statistiken aus der Volksrepublik China“ zu finden.

Bruttoinlandsprodukt pro Kopf

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist ein Maß für die wirtschaftliche Stärke eines Landes, bei dem der Wert aller Güter und Dienstleistungen, die in einem Jahr innerhalb eines Landes erwirtschaftet werden, berechnet werden. Um im internationalen Vergleich eine bessere Vergleichbarkeit zwischen Ländern zu ermöglichen, wird das BIP oft pro Kopf angegeben. Dabei wird das Bruttoinlandsprodukt eines Landes oder einer Gegend durch die dortige Einwohnerzahl dividiert. Denn das Bruttoninlandsprodukt allein sagt noch wenig über die wirtschaftliche Leistungskraft aus, wenn dabei nicht die Bevölkerungszahl mit einbezogen wird. So lag das BIP der Volksrepublik China 2020 bei 14.340 Milliarden US-Dollar und das der Bundesrepublik Deutschland bei 3.806 Milliarden US-Dollar. Auf die Bevölkerungszahl umgerechnet lag das Pro-Kopf-BIP in Deutschland jedoch deutlich höher, das heißt, dass im Durchschnitt auf jede*n Deutsche mehr Wertschöpfung entfällt als auf jede*n Chines*in.

Historische Entwicklung in China

In den ersten Jahrzehnten nach der Gründung der Volksrepublik China 1949 hatten vor allem die Provinzen im Norden und Nordosten Chinas, wo sich bedeutende Rohstoffvorkommen (wie beispielsweise Öl und Kohle befanden) ein im nationalen Vergleich deutlich höheres BIP pro Kopf – sie lagen deutlich über dem nationalen Durchschnitt von 119 Renminbi im Jahre 1952. Im internationalen Vergleich blieb das BIP allerdings sehr gering und die Volksrepublik China arm. Auch in den 1980er-Jahren und mit dem Beginn der Reform- und Öffnungspolitik führten die Regionen im Norden die Liste des BIP pro Kopf an, gefolgt von den Regionen an der Ostküste. Erst in den 1990er-Jahren begannen die Provinzen entlang der Küste im nationalen Vergleich an die Spitze vorzudringen. Ihr im Vergleich hohes Wirtschaftswachstum ließ andere Regionen insbesondere im Inland im Westen und Süden, aber auch im Nordosten hinter sich und schuf so regionale Ungleichheiten, die bis heute Bestand haben: Seit den 2000er-Jahren liegen die Verwaltungsregionen der Volksrepublik China mit dem höchsten BIP pro Kopf an der Küste. (Liao/Wei 2016, 12-13)

Internationaler Vergleich

Vergleiche der Wirtschaftskraft zwischen Ländern sind nicht so einfach, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheint: Es genügt beispielsweise nicht einfach, die offiziellen statistischen Daten aus der Volksrepublik China in Euro umzurechnen und dann mit den Werten aus Deutschland bzw. der EU zu vergleichen. Denn in unterschiedlichen Ländern gibt es auch unterschiedliche Preisniveaus, das heißt die Kaufkraft eines bestimmten Geldbetrages ist unterschiedlich. So sind beispielsweise Grundnahrungsmittel in der Volksrepublik China im direkten Vergleich billiger als in Deutschland. Beim Vergleich von wirtschaftlichen Daten über Landesgrenzen hinweg, werden diese daher oft in Kaufkraftstandards oder Kaufkraftparität (Purchasing Power Parity) umgerechnet – man kann sich dies wie eine fiktive Währung (oft wird auch der US-Dollar als Standard genommen und die Kaufkraftparität angepasst, die Rede ist dann vom „International Dollar“) vorstellen, die Preisniveauunterschiede zwischen Ländern ausgleicht und damit aussagekräftige Vergleiche wie beispielsweise des BIP oder des BIP pro Kopf erlaubt.

Auf Wikipedia findet sich eine Auflistung des BIP der einzelnen Verwaltungsregionen der Volksrepublik China im Jahr 2020 nach Kaufkraftparität angepasst. Die drei Regionen mit dem höchsten Pro-Kopf-BIP in der Volksrepublik China – Beijing, Shanghai und Jiangsu – sind dabei ungefähr vergleichbar mit dem Pro-Kopf-BIP von Bahrain, Portugal und Lettland. Die drei Regionen mit dem niedrigsten Pro-Kopf-BIP – die Provinzen Guangxi, Heilongjiang und Gansu – sind vom Pro-Kopf-BIP her vergleichbar mit Surinam, Peru und Albanien.

Dieses Beispiel zeigt bereits, dass es auch innerhalb Europas und innerhalb der EU enorme Unterschiede beim Pro-Kopf-BIP gibt: So war das an Kaufkraftparität angepasste deutsche Pro-Kopf-BIP im Jahr 2020 fast doppelt so hoch wie das Griechenlands. Und das Pro-Kopf-BIP von Luxembourg, dem Spitzenreiter in Europa, sogar achtmal größer als das von Albanien, dem Schlusslicht der Statistik. Zu Vergleich: Das Pro-Kopf-BIP von Beijing, Spitzenreiter im nationalen Vergleich der Volksrepublik China, war „nur“ 4,5 mal größer als das von Gansu, der Region mit dem niedrigsten Pro-Kopf-BIP in China. (Bundeszentrale für politische Bildung 2021)

Jonas Schmid, 27.06.2022.

Weiterführende Literatur: