China in der Kolonialzeit: Das Beispiel Qingdao
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- Lerneinheit 4: Quiz zu Qingdao als Kolonie1 Aufgabe
- Ergänzende Materialien8 Materialien
- Ausländische Kolonien und Einflussgebiete in Qing-China
- Sammelbild „Uebergabe des Fort“ (um 1900)
- Die Besetzung Qingdaos 1897
- Japanischer Druck „Die japanische Armee besetzt das Bismarck-Fort in Tsingtau“ (1915)
- Die Eroberung Qingdaos 1914
- Kolonien des deutschen Kaiserreiches
- Informeller Imperialismus und Halbkolonie
- Der Gelehrte Yan Fu über die deutsche Besetzung Qingdaos (1897)
- Ausländische Kolonien und Einflussgebiete in Qing-China
M3.2: Ein anonymer Artikel über Qingdao (1915)
Der folgende Text erschien im April 1915 in einem Shanghaier Monatsmagazin. Über den Autor des Artikels ist nichts bekannt, der hier vorliegende Name ist vermutlich ein Pseudonym. Laut eigener Aussage hat der Autor vor der Eroberung Qingdaos durch japanische Truppen 1914 drei Monate in Qingdao verbracht.
Eines Tages ging ich entlang der Eisenbahnlinie spazieren und sah plötzlich wie ein Deutscher mit dickem Bauch und tiefen Augen in Lederschuhen an mir vorbeischoss und einen wild herumheulenden Jungen packte. Der Junge war erst fünf oder sechs Jahre alt und zitterte vor Angst wie ein zum Tode Verurteilter – sein Zustand war extrem jämmerlich. Der Junge warf sich nach links und rechts und hoffte so, dem festen Griff zu entkommen. Doch wütend hielt der Deutsche ihn an einem Bein fest und trug ihn, den Kopf nach unten hängend, mit fliegenden Schritten davon. Ich sah nur noch, wie die Hände und Füße des kleinen Jungen hin und her zappelten, und konnte vor Niedergeschlagenheit meine Tränen nicht unterdrücken. Als ich bei jemandem nachfragte, was passiert sei, antwortete man mir: „Der Junge hat einen kleinen Stein neben der Bahn genommen und ihn auf die Gleise geworfen. Das hat der Ausländer gesehen und so kam es dazu.“ Doch auch Kinder im Westen in diesem Alter machen ständig solche schlitzohrigen und unanständigen Sachen. Woher soll der kleine Junge denn wissen, dass er das nicht darf? Wenn man seine Eltern fragt und die ein ernstes Wort mit ihm reden, ihn etwas zurechtstutzen oder ihn vielleicht entsprechend bestrafen, dann reicht das aus. Wenn man ihn so misshandelt, wo bleibt denn dann noch die Menschlichkeit?
Eines anderen Tages sah ich auch wieder einen Ausländer wie verrückt rennen, um eine Person vor ihm zu packen. Doch der Andere konnte noch schneller rennen, verschwand um eine Ecke und schien außer Gefahr zu sein. Der Deutsche pfiff nun seinen Hund herbei. Schnell wie ein Blitz zischte der Hund an mir vorbei, erschnappte des Mannes Kleidung und wartete auf sein Herrchen, der den Mann festnahm. Da dieser Chinese wie ein Tier gejagt worden war, hielt ich ihn für einen Dieb. Doch als ich bei jemandem nachfragte, was passiert sei, antwortete man mir, dass dem nicht so sei: "Er befand sich auf den Eisenbahnschienen, als ein Zug kam. Da die Eisenbahnvorschriften dies verbieten, rief der Deutsche ihn zu sich. Da er nicht wusste, was zu tun war, rannte er weg. Je schneller er rannte, desto schneller die Verfolgung, denn der Deutsche war fest entschlossen, ihn zu fangen.“ Jemand anders sagte: „Wenn man hier in Qingdao lebt, muss man sich streng an die Gesetze und Regeln halten, um Gefahren zu vermeiden. Eine kleine Unachtsamkeit und die Strafe folgt sofort. Solange die Ausländer das Sagen haben, müssen wir tagaus tagein vorsichtig sein. Erst wenn wir das Pachtgebiet zurückerhalten, werden wir wieder ein Leben haben können.”
一日, 散步鐵道旁。忽見皤腹深目者, 飛其革靴, 而捉一狂啼之兒。兒僅五六歲, 觳觫如就縛之死囚, 為狀至慘 。兒左右奔避, 冀免縛 。德人忿而握其一 股, 頭目倒懸, 大步如飛, 提之而去 。止見小兒手足搔動而已。是時不覺淒然淚墮, 詢之他人, 則曰: “兒取路旁小石,投軌道中,為洋人所見,以至如此。” 夫以西兒當此年齡, 惡作劇之舉動, 亦時有之。小兒何知, 詢其家人嚴囑管束, 或如例科罰可矣 。乃虐待至此, 尚有人道哉?
又一日, 亦見洋人狂奔, 捉前之一人。前一人步亦捷, 轉一牆角, 可避捉矣。洋人大嗾其隨行之犬。犬疾如矢, 瞥眼而過, 竟噬得若人衣角, 而待洋人來獲。是又以獵獸之法待華人。吾意此必為竊, 詢之他人, 曰: “不然 。火車將至, 軌道例不許行人。渠犯其章, 洋人喝之, 渠茫無措手足, 於是奔。洋人必得而甘心, 亦奔。彼奔亦厲, 追亦厲。”且曰:“居此間者, 必謹守法度, 乃可免禍 。稍不慎, 罰即隨之。洋人當運, 吾輩日惴惴。 此等租界, 必收贖后, 吾人乃得有身命。
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