Wer ist China?
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EM1: China – Ein Imperium?
Jonas Schmid 19.12.2022
EM1: China – Ein Imperium?
Der Text erläutert knapp Bezeichnungen wie „China“ und „Reich der Mitte“ und skizziert zu den Themenfeldern Territorium, Beziehungen mit dem Ausland, Gesellschaft und Staat sowie Kultur und Denken wesentliche Veränderungen in der Geschichte des chinesischen Kaiserreichs, die der Vorstellung von einer durchgängig vorhandenen chinesischen Hochkultur zuwiderlaufen.
Der Begriff „China“ ist eine im Ausland geprägte Bezeichnung für den chinesischsprachigen Kulturraum. Die geografischen Grenzen dieses Raums veränderten sich mit der Zeit stetig. Die „Chines*innen“ selbst bezeichnen den Raum, in dem sie leben, seit langem als „Reich der Mitte“ (Zhongguo 中國). Ursprünglich, in der Zeit vor der ersten chinesischen Kaiserdynastie, als diese Eigenbezeichnung entstand, bedeutet Zhongguo „Staaten der Mitte“, da die Bewohner*innen sich im Zentrum der ihnen bekannten Welt sahen. Die Fremdbezeichnung "China" leitet sich womöglich von der ersten Kaiserdynastie, den Qin 秦 (221–207 v. u. Z.) her. Der „Erste Erhabene Kaiser von Qin“ (Qin Shihuangdi 秦始皇帝, 259–210 v. u. Z.) eroberte die anderen Staaten und nannte sich Kaiser (Huangdi 皇帝). Bis 1912 regierten Kaiser – aus verschiedenen Dynastien – China.
Doch während der über 2.000-jährigen Geschichte des chinesischen Kaiserreiches gab es auch viele Veränderungen, die es schwierig machen, das chinesische Kaiserreich als eine Einheit zu sehen.
- Geografische Ausdehnung: Das Herrschaftsgebiet der Kaiser (was wir als China bezeichnen würden) war nie einheitlich. Viele Gebiete, die heute als Teil Chinas gelten, waren lange Zeit nicht Teil des Territoriums chinesischer Dynastien oder wurden von diesen nur lose kontrolliert. (Das Territorium des ersten Kaisers der Qin-Dynastie entsprach etwa beispielsweise zu einem Viertel dem der Volksrepublik China heute. Städte südlich des Yangzi wie Wuhan oder Guangzhou waren damals noch nicht wirklich Teil Chinas.) China war außerdem oft in verschiedene Staaten zersplittert: Verschiedene Dynastien wechselten sich in kurzer Folge ab oder existierten sogar gleichzeitig. Auch während einzelner Dynastien veränderte sich die territoriale Ausdehnung häufig. Von den über 2.000 Jahren, die das chinesische Kaiserreich existierte, war es knapp ein Drittel der Zeit in verschiedene Staaten zersplittert.
- Beziehungen mit dem Ausland: Auch wenn chinesische Intellektuelle und Herrscher China meist als kulturelles Zentrum der Welt ansahen, spielen Beziehungen mit dem Ausland in der chinesischen Geschichte immer eine Rolle. China war nicht abgeschlossen, sondern stand immer im Austausch: Die Hauptstadt der Tang-Dynastie war eine kosmopolitische Metropole, das China der Song-Zeit war ein Staat unter vielen in Ostasien und in der Ming-Zeit war China fest in globale Warenströme eingebunden. Etwa die Hälfte der Geschichte des chinesischen Kaiserreichs wurde China außerdem ganz oder teilweise von ethnisch nicht-chinesischen Völkern beherrscht. Diese beeinflussten Staat, Kultur und Gesellschaft: Beijing als Hauptstadt Chinas geht beispielsweise auf solche nicht-chinesischen Herrscher zurück.
- Gesellschaft und Staat: Auch die Gesellschaft änderte sich im Laufe der Jahrhunderte. Bis ins 9. Jahrhundert hinein bestand die gesellschaftliche Elite aus adligen Personen. Erst in den folgenden Jahrhunderten entwickelte sich schrittweise eine Beamtenschicht, die in Staat und Gesellschaft großen Einfluss hatte. Prüfungen zur Auswahl dieser Beamten wurden vor allem ab dem 14. Jahrhundert sehr bedeutsam. Auch die Rolle der Frauen veränderte sich: Spielten in der Tang-Zeit (618-907) Frauen Polo (damals herrschte auch der einzige weibliche Kaiser der chinesischen Geschichte), wurden ab der Jahrtausendwende in gehobenen Schichten strengere Moralvorstellungen stärker – Frauen sollten zuhause bleiben. Die Wirtschaft veränderte sich ebenso und trug zu Bevölkerungswachstum und gesellschaftlichem Wandel bei.
- Kultur und Denken: Auch Kultur und Religion waren von Debatten geprägt. Der Konfuzianismus geht zwar ursprünglich auf Konfuzius (latinisiert für Kongzi 孔子, 551-479 v. u. Z.) zurück, aber geht zugleich über Konfuzius‘ Gedanken hinaus: Ältere Texte von Konfuzius und anderen wurden immer wieder neu interpretiert und neue Ideen entwickelt. Während der Konfuzianismus lange Zeit vor allem für eine kleine gebildete Elite wichtig war, spielten in der Bevölkerung auch örtliche Gottheiten, der Daoismus und der Buddhismus (kam ab dem 2. Jahrhundert nach China) eine wichtige Rolle. Eine Neuinterpretation des Konfuzianismus erlangte dann ab dem 11. Jahrhundert Einfluss in weiten Teilen der Gesellschaft. Auch Sprache und Schrift waren im Wandel: Während Gelehrte eine Schriftsprache verwendeten, die sich am Chinesisch aus der Zeit von Konfuzius orientierte, erblühte im Alltag eine Umgangssprache, die Konfuzius nicht verstanden hätte.
Diese Beispiele zeigen, wie schwierig es ist, einzelne durchgehende Charakteristika von China über eine solch lange Zeit hinweg, zu nennen. War China also eine Hochkultur? Mit diesem Begriff wurden lange Zeit (heute wird der Begriff selten verwendet, da er eine Höherwertigkeit impliziert) historische Gesellschaften bezeichnet, die gemeinsame Merkmale wie z. B. Schrift, Geld, Märkte und Handel, unterschiedliche Gesellschaftsschichten, Städte mit monumentalen Gebäuden etc. hatten. In China gab es viele dieser Merkmale bereits in den Jahrhunderten vor der Gründung des Kaiserreichs (3. Jhd. v. u. Z.). Die Idee einer einheitlichen, seit mehreren Tausend Jahren bestehenden chinesischen Hochkultur wird vonseiten der Kommunistischen Partei Chinas zur Festigung des eigenen Machtanspruchs genutzt und ist auch im Ausland weit verbreitet. Sie übersieht allerdings die vielfältigen Entwicklungen innerhalb der chinesischen Geschichte. Denn China als geografischer, politischer und kultureller Raum veränderte sich stetig. Der chinesische Historiker Ge Zhaoguang (葛兆光, geb. 1950) spricht daher auch in seinem Buch „Was ist China?“ davon, dass „‚China‘ im Laufe der Geschichte ein sich wandelndes ‚China‘ ist.“
Zur Einsicht detaillierter Quellenangaben sowie weiterführender Informationen und Literaturhinweise zum Material besuchen Sie bitte die Plattform ChinaPerspektiven. [https://www.china-schul-akademie.de/materialien/m-china-em1]