Künstliche Intelligenz im Unterricht? China und ChatGPT

In den letzten Wochen erregte das auf künstlicher Intelligenz basierende Tool ChatGPT großes Aufsehen, da es viele Fragen korrekt beantworten und sogar (kurze) Aufsätze verfassen kann, die kaum von selbstverfassten zu unterscheiden sind. Wir haben uns das Tool angeschaut und ausprobiert und stellen ein paar Ideen vor, wie mit ChatGPT zum Thema China gearbeitet werden kann.

Was ist ChatGPT?

Fragen wir doch GPT selber:

Antwort 1: „ChatGPT ist ein Computerprogramm, das wie ein sehr kluger Roboter funktioniert. Es kann dir Fragen beantworten und Aufgaben erledigen, indem es menschenähnlichen Text versteht und erstellt. Es ist wie ein virtueller Freund, der dir helfen kann, Dinge zu lernen und zu verstehen, indem es dir Informationen gibt oder dir bei Aufgaben hilft. Es ist wie ein besonderer Computer, der dir bei vielen Dingen helfen kann.“

Antwort 2: „ChatGPT ist ein natürliches Sprachverarbeitungs-Modell, das von OpenAI trainiert wurde. Es nutzt künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen, um auf Textbasis Fragen zu beantworten und Aufgaben auszuführen, die sonst von Menschen erledigt werden würden. ChatGPT ist ein sogenannter “Language Model” das bedeutet, dass es in der Lage ist, menschenähnlichen Text zu generieren und zu verstehen. Es kann verwendet werden, um Prozesse wie Textgenerierung, Übersetzung, Textzusammenfassung und automatische Antworten zu automatisieren. Es kann auch in Anwendungen wie Chatbots, virtuellen Assistenten und automatisierten Schreibdiensten eingesetzt werden.“ 

(Bei der ersten Antwort wurde dem Programm die Aufgabe gestellt, sich selbst kindgerecht zu erklären, bei der zweiten Antwort erhielt es die Anweisung, eine Antwort für Lehrer*innen zu formulieren.)


Was kann ChatGPT?

Viele Fragen, deren Antworten im Internet zu finden sind, kann ChatGPT korrekt beantworten – so beispielsweise die meisten Multiple Choice Fragen in unserem Quiz China Kennenlernen. ChatGPT liefert dabei nicht nur die korrekte Antwort, sondern erläutert diese auch und gibt weitere Informationen (nennt allerdings keine Quellen). Doch manchmal geht dies auch bei solchen Fragen schief, bei denen Menschen ein Blick auf eine Karte für die richtige Antwort genügen würde:

Internetnutzer*innen in der Volksrepublik China haben ebenfalls mit ChatGPT experimentiert (man kann dem Programm unter anderem auch auf Chinesisch Fragen stellen). Sie haben ihm Fragen, wie sie in der Hochschulzugangsprüfung (der Gaokao) vorkommen, gestellt. Auch hierbei war das Ergebnis unterschiedlich gut: Neben korrekten Antworten gab es auch Fehler, bei denen man Schmunzeln muss. So wurde dem Protagonisten Jia Baoyu 賈寶玉 aus dem Ming-zeitlichen Roman „Der Traum der roten Kammer“ (Hongloumeng 紅樓夢) beispielsweise von ChatGPT empfohlen, seine eigene Großmutter zu heiraten (Zhang 2022).

Nach einigen Wochen, in denen chinesische Internetnutzer*innen ChatGPT via praktische Miniprogramme in der beliebten App WeChat benutzen konnten – wurden diese Programme im Dezember 2022 gesperrt (Deng 2022). Es ist unklar, ob dies auf staatliche Zensurvorgaben zurückgeht, da ChatGPT auch Informationen zu im Internet der Volksrepublik China normalerweise zensierten Informationen (z.B. die Niederschlagung der Proteste 1989) liefern kann. Für Frühjahr 2023 hat der chinesische Internetkonzert Baidu außerdem ein eigenes Pendant zu ChatGPT angekündigt.

Doch die Stärke von ChatGPT liegt vor allem darin, Texte produzieren zu können, die von Menschen verfassten zum Täuschen ähnlich sind. Chinesische Internetnutzer*innen haben ChatGPT etwa einen Tagebucheintrag im Stile des großen Schriftstellers Lu Xun 魯迅 (1861-1936) verfassen lassen (Zhang 2022). Auch eine (von uns in Auftrag gegebene) Rede im Stil von Xi Jinping 习近平 zu den deutsch-chinesischen Beziehungen (siehe dazu auch unseren Werkstattbericht zu 50 Jahren deutsch-chinesische Beziehungen) spuckt ChatGPT in wenigen Sekunden aus:

Solche eindrücklichen Ergebnisse haben bereits mehrfach die Frage aufgeworfen, ob ChatGPT den Schulunterricht revolutionieren oder vielleicht sogar das Konzept der Hausaufgaben abschaffen wird (Scheurer 2023). Schließlich kann ChatGPT typische schulische Essayfragen Genre-konform beantworten – vermutlich sogar mit weniger Fehlern als Texte von Schüler*innen.


Wie mit ChatGPT im Unterricht umgehen?

Angesichts dieser Herausforderung überlegen auch Lehrer*innen und Didaktiker*innen, wie ChatGPT produktiv und sinnvoll in Lernprozesse integriert werden kann. In einem Interview schlägt Regina Schulz (Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung) beispielsweise vor, dass Fragestellungen und Arbeitsaufgaben „individualisierter, reflexiver und natürlich komplexer werden“ müssen (Bildung.Table 2023). Hierfür eignen sich vor allem auch fächerverbindende Themen – wie beispielsweise das Thema China. 

Ein anderes Beispiel für solche individuelleren und komplexeren Unterrichtsangebote sind wissenschaftspropädeutische Kurse, in denen beispielhaft wissenschaftliches Arbeiten eingeübt und ausprobiert werden kann. ChatGPT selbst kann sogar erklären, aus welchen Gründen er für wissenschaftliche Arbeiten ungeeignet ist:

Auch durch individuelle Rechercheaufgaben und Protokolle oder Portfolios, die die Zwischenschritte der Recherche dokumentieren, kann besser sichergestellt werden, dass die Schüler*innen die Aufgabe selbst erledigt haben. Einen Leitfaden für so eine Recherche mit Zwischenschritten findet sich in unserem Lernmodul „China unter der Lupe“.

Im Folgenden ein paar weitere Ideen, wie mit ChatGPT zum Thema China gearbeitet werden kann.

Datengrundlage und Voreingenommenheit herausarbeiten und reflektieren

Die Aussagen von ChatGPT können nur so gut sein, wie die Datengrundlage, auf der das Programm trainiert wurde. ChatGPT gibt also ebenfalls geläufige Stereotype wieder beziehungsweise ist durch seine Datengrundlage voreingenommen. Deutlich wurde das beispielsweise, als chinesische Internetnutzer*innen im November 2022 ChatGPT auf English und auf Chinesisch fragten, was passieren würde, wenn die Volksrepublik China ihre Zero Covid-Politik aufheben würde. 

Wurde die Frage auf Chinesisch gestellt, antwortete ChatGPT: If China ended Zero Covid, it could lead to another wave of the pandemic. Because of the presence of community spread and asymptomatic cases, the virus can spread very quickly. This could lead to more people contracting Covid-19 and dying, as well as causing even more severe shocks to the healthcare system and economy. 

Stellte man ChatGPT eine beinahe gleichlautende Frage auf Englisch, lautete die Antwort jedoch: If China ends its COVID policy, the country’s economy may experience a significant boost as businesses and industries resume operations. However, the risk of a second wave of infections could also increase, leading to potential health and social consequences. The government would need to implement effective measures to prevent and control the spread of the virus, such as widespread testing, quarantine measures, and contact tracing. Additionally, international trade and travel may resume, improving relations with other countries and boosting the global economy. However, there may also be potential risks and challenges, such as a resurgence of the virus and potential backlash from other countries over China’s handling of the pandemic. (Zhang 2022)

Auch wenn die Antworten von ChatGPT auf diese Fragen mittlerweile in unterschiedlichen Sprachen gleich lauten, zeigen sich bei verschiedenen Sprachen doch auch noch Unterschiede. Es lohnt sich daher gleiche Fragen auf Deutsch und auf Chinesisch zu stellen und die Antworten von ChatGPT zu vergleichen (zum Beispiel unter Zuhilfenahme von Übersetzungsprogrammen wie DeepL).

Texte von ChatGPT kritisch betrachten und reflektieren

Wie oben erwähnt, wirken Texte von ChatGPT auf den ersten Blick sehr korrekt und ohne Hintergrundwissen zu einem bestimmten Thema ist es sehr schwer, die Richtigkeit zu überprüfen. Ein Beispiel: Wissen Sie, wer die sogenannten Wolfskrieger sind?

Anders als ChatGPT es uns erzählt sind die sogenannten Wolfskrieger (benannt nach dem chinesischen Actionfilm “Wolfskrieger”) eine Gruppe von nationalistischen Diplomaten der Volksrepublik China.

Eine Möglichkeit für den Unterricht ist es daher, ChatGPT Fragen zu Themen oder Begriffen zu stellen, zu denen man Informationen vorliegen hat. So kann man ChatGPT zu bestimmten Begriffen oder Personen einen Glossareintrag verfassen lassen und diesen mit den Glossareinträgen auf unserer Plattform und den dort verlinkten weiterführenden Informationen vergleichen. Die Schüler*innen erlernen so einen kritischen Umgang mit ChatGPT.

Datengrundlage verbessern

Eine weitere Möglichkeit der Arbeit mit ChatGPT ist, selbst Informationen im Internet bereitzustellen, die langfristig die Datengrundlage von ChatGPT und seine Antworten verbessern können. Fragt man ChatGPT beispielsweise nach Tsingtaostraßen in Deutschland, weiß er darüber nichts.

Auch hier erfindet ChatGPT wieder etwas: In Lübeck gab und gibt es keine Tsingtau-Gedächtnishalle und in Bremen auch kein Deutsch-Chinesisches Museum.

In unserer Lernortkarte haben wir Orte mit Chinabezug in Deutschland (viele davon mit einem kolonialgeschichtlichen Hintergrund) zusammengestellt. Wenn Schüler*innen Blog- oder Wikipedia-Einträge dazu verfassen, wird die Datengrundlage von ChatGPT langfristig besser werden (Bildung.Table 2023).

Prompts verändern und Kreativität ansprechen

ChatGPT kann Texte auf Aufforderungen hin einfacher oder komplexer formulieren oder in andere Genres (Gedicht, Rede, …) oder Stile übertragen. Eine Aufgabe könnte daher lauten, Schüler*innen verschiedene Aufforderungen ausprobieren zu lassen.

Fälschungen erkennen

Auf Aufforderung hin verfasst ChatGPT auch Texte aus der Perspektive historischer Personen. Zum Beispiel ein Augenzeugenbericht einer Chinesin zum Großen Sprung nach vorn:

Oder einen Text zur deutschen Kolonialherrschaft in Qingdao:

Hier lohnt sich zum einen der Vergleich der Texte untereinander – es wird deutlich, dass die Antworten nach derselben Struktur aufgebaut sind und teils auch sehr generisch sind. Zweitens lohnt es sich aber auch solche „Fälschungen“ mit echten historischen Quellen (siehe zum Beispiel die Quellen im Lernmodul zu Qingdao) zu vergleichen und die Schüler*innen Unterschiede herausarbeiten zu lassen oder die „gefälschte“ Quelle herauszufinden und zu begründen, warum dies eine Fälschung ist.

Weitere Tools

ChatGPT ist nicht das einzige (aber wahrscheinlich aktuell das bekannteste) Onlinetool, das durch “Künstliche Intelligenz” kreative Produkte erstellen kann. Weitere Tools sind zum Beispiel:

DeepL Write: Ihr KI-Schreibassistent Gibt für deutsche und englische Texte Formulierungsvorschläge und Synonyme.

Gptzero.me Versucht zu bestimmen, ob ein Text von einem KI-Tool wie ChatGPT oder von einem Menschen stammt.

Perplexity.ai Dem Programm können ebenfalls wie ChatGPT Fragen gestellt werden, die es in einem Text beantwortet. Dabei werden außerdem auch Internetquellen für die Aussagen angegeben.

Jasper AI Erstellt Texte wie zum Beispiel Emails.

Synthesia Erstellt Videos ausgehend von Texten.

Dall-E-2 Erstellt Bilder ausgehend von Texten.

Tome Erzählt Geschichten.

Fireflies Um Gespräche oder Diskussionen zu protokollieren.

Murf Erstellt ausgehend von Text Tonaufnahmen.

Verwendete Literatur

Bildung.Table. „ChatGPT erledigt Hausaufgaben in Sekunden“. Bildung.Table, 11. Januar 2023. https://table.media/bildung/didaktik-und-tools/schule-chatgpt-erledigt-hausaufgaben-in-sekunden/.

Deng, Iris. „ChatGPT Gets the Boot from WeChat as Tencent Clears out Third-Party Apps“. South China Morning Post, 16. Dezember 2022. https://www.scmp.com/tech/tech-trends/article/3203575/wechat-kicks-out-chatgpt-apps-after-third-party-services-flourished-tencent-platform-amid-strong.

Scheurer, Stefan. „Was, wenn die Maschine deine Hausaufgaben schreibt?“ SWR3.de, 16. Januar 2023. https://www.swr3.de/aktuell/chat-gpt-testen-schule-plagiat-100.html.

Zhang, Irene. „ChatGPT: How China Plays“. China Talk, 16.12.2022. https://www.chinatalk.media/p/chatgpt-how-china-plays.