Tribut
Tribut (aus dem Lateinischen tributum „Zugeteiltes“ beziehungsweise im übertragenen Sinne „Abgabe“) meint die Abgabe von Gegenständen an eine höhergestellte Person. In vielen historischen Gesellschaften war diese Art von Abgaben an Höhergestellte üblich. Im Chinesischen wurde hierfür der Begriff
gong 貢 verwendet, der ursprünglich eine Abgabe in Form einer Steuer meinte, dann aber eine politische Bedeutung bekam. Im ersten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung leisteten kleinere Reiche größeren Reichen im Gebiet des heutigen Chinas Abgaben. Später im chinesischen Kaiserreich wurde dieser Begriff dann auch auf Gebiete außerhalb Chinas übertragen.Bedeutend ist der Begriff Tribut vor allem, weil der bekannte amerikanische Sinologie John Fairbank in der Mitte des 20. Jahrhunderts die Theorie eines Tributsystems (tributary system,
chaogong tixi 朝貢體系) entwickelte, das seiner Interpretation nach die Außenbeziehungen des chinesischen Kaiserreichs prägte. Wer Beziehungen mit China unterhalten wollte, musste am Kaiserhof erscheinen und Tribut bringen (chaogong 朝貢) – je nach Entfernung von China jedes Jahr oder alle paar Jahre. Die Gesandten wurden auf Kosten des chinesischen Staates versorgt und mussten ihre niedrigere Stellung symbolisch durch das Niederwerfen vor dem Kaiser zeigen. Der chinesiche Kaiser wiederum verlieh ihnen chinesische Titel und überreichte ihnen Geschenke (neben wertvollen Gütern oft auch den chinesischen Kalender), um so die Höherwertigkeit Chinas zu verdeutlichen. Neben der Audienz in der Hauptstadt wurde Handel betrieben und in China fehlende Produkte (z.B. Pferde) wurden so erworben. Diese Vorstellung eines durchgehenden Tributsystems konnte sich auch halten, da sie gut zur sinozentrischen Vorstellung chinesischer Intellektueller und Herrscher aus der Kaiserzeit passt, die China als kulturell-moralisches Zentrum, umgeben von weniger entwickelten Völkern, betrachteten. Der Empfang von Tributgesandtschaften diente also vor allem auch dazu, die Legitimität des Kaisers innerhalb Chinas zu stärken.
Die Idee eines Tributsystems ist in der Forschung jedoch von verschiedenen Seiten kritisiert worden. Es könne nicht von einem umfassenden System gesprochen werden, da es im Laufe der Zeit unterschiedlich stark ausgeprägt und Veränderungen unterworfen war. Ein umfassendes „System“ für alle Beziehungen mit dem Ausland wurde erstmals in den Gründungsjahren der Ming-Dynastie (1368–1644) eingeführt, dauerte jedoch nicht die gesamte Ming-Dynastie an. Stattdessen griffen chinesische Herrscher in der Realität auch immer wieder auf andere Praktiken zurück. Zeitweise (beispielsweise in der Song-Dynastie, 960-1279) herrschten auch gleichwertige Beziehungen zwischen China und den umliegenden Reichen. Die Übernahme der tonangebenden chinesischen Sichtweise auf Tribut durch Forscher*innen lässt auch die Sichtweisen und die Handlungsspielräume von ausländischen Staaten außer Acht. Die Beziehungen zwischen China und dem Ausland waren außerdem nicht harmonisch, es kam auch zwischen China und „seinen Tributstaaten“ zu Kriegen und Streitigkeiten. Die chinesische Rhetorik von der kulturellen Strahlkraft Chinas und seinen friedlichen und harmonischen Beziehungen zu anderen Reichen wurde in der Realität auch durch die militärische Macht Chinas abgestützt. Trotz dieser Kritikpunkte fasziniert das Konzept des chinesischen Tributsystems – mit seinem angeblichen Fokus auf Harmonie und Souveränität – bis heute, da es scheinbar historische und rhetorische Anknüpfungspunkte für die Außenpolitik der Volksrepublik China in der Gegenwart bietet.
(Jonas Schmid)
gong 貢 verwendet, der ursprünglich eine Abgabe in Form einer Steuer meinte, dann aber eine politische Bedeutung bekam. Im ersten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung leisteten kleinere Reiche größeren Reichen im Gebiet des heutigen Chinas Abgaben. Später im chinesischen Kaiserreich wurde dieser Begriff dann auch auf Gebiete außerhalb Chinas übertragen.Bedeutend ist der Begriff Tribut vor allem, weil der bekannte amerikanische Sinologie John Fairbank in der Mitte des 20. Jahrhunderts die Theorie eines Tributsystems (tributary system,
chaogong tixi 朝貢體系) entwickelte, das seiner Interpretation nach die Außenbeziehungen des chinesischen Kaiserreichs prägte. Wer Beziehungen mit China unterhalten wollte, musste am Kaiserhof erscheinen und Tribut bringen (chaogong 朝貢) – je nach Entfernung von China jedes Jahr oder alle paar Jahre. Die Gesandten wurden auf Kosten des chinesischen Staates versorgt und mussten ihre niedrigere Stellung symbolisch durch das Niederwerfen vor dem Kaiser zeigen. Der chinesiche Kaiser wiederum verlieh ihnen chinesische Titel und überreichte ihnen Geschenke (neben wertvollen Gütern oft auch den chinesischen Kalender), um so die Höherwertigkeit Chinas zu verdeutlichen. Neben der Audienz in der Hauptstadt wurde Handel betrieben und in China fehlende Produkte (z.B. Pferde) wurden so erworben. Diese Vorstellung eines durchgehenden Tributsystems konnte sich auch halten, da sie gut zur sinozentrischen Vorstellung chinesischer Intellektueller und Herrscher aus der Kaiserzeit passt, die China als kulturell-moralisches Zentrum, umgeben von weniger entwickelten Völkern, betrachteten. Der Empfang von Tributgesandtschaften diente also vor allem auch dazu, die Legitimität des Kaisers innerhalb Chinas zu stärken.
Die Idee eines Tributsystems ist in der Forschung jedoch von verschiedenen Seiten kritisiert worden. Es könne nicht von einem umfassenden System gesprochen werden, da es im Laufe der Zeit unterschiedlich stark ausgeprägt und Veränderungen unterworfen war. Ein umfassendes „System“ für alle Beziehungen mit dem Ausland wurde erstmals in den Gründungsjahren der Ming-Dynastie (1368–1644) eingeführt, dauerte jedoch nicht die gesamte Ming-Dynastie an. Stattdessen griffen chinesische Herrscher in der Realität auch immer wieder auf andere Praktiken zurück. Zeitweise (beispielsweise in der Song-Dynastie, 960-1279) herrschten auch gleichwertige Beziehungen zwischen China und den umliegenden Reichen. Die Übernahme der tonangebenden chinesischen Sichtweise auf Tribut durch Forscher*innen lässt auch die Sichtweisen und die Handlungsspielräume von ausländischen Staaten außer Acht. Die Beziehungen zwischen China und dem Ausland waren außerdem nicht harmonisch, es kam auch zwischen China und „seinen Tributstaaten“ zu Kriegen und Streitigkeiten. Die chinesische Rhetorik von der kulturellen Strahlkraft Chinas und seinen friedlichen und harmonischen Beziehungen zu anderen Reichen wurde in der Realität auch durch die militärische Macht Chinas abgestützt. Trotz dieser Kritikpunkte fasziniert das Konzept des chinesischen Tributsystems – mit seinem angeblichen Fokus auf Harmonie und Souveränität – bis heute, da es scheinbar historische und rhetorische Anknüpfungspunkte für die Außenpolitik der Volksrepublik China in der Gegenwart bietet.
(Jonas Schmid)
Weiterführende Informationen:
https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/10670564.2015.1030949
Synonyme:
tributary system, chaogong tixi, 朝貢體系