Tongzhi
Ähnlich zu queer ist tongzhi 同志 eine selbstgewählte Bezeichnung für Menschen, deren sexuelle Orientierungen und/oder Geschlechtsidentitäten von heteronormativen Vorstellungen abweichen (Homosexuelle, Bisexuelle, Pansexuelle, Asexuelle, inter* und trans* Menschen, nichtbinäre Personen und Menschen, die sich keiner der ausschließenden Kategorien wie Frau/Mann, homo-/heterosexuell, trans-/cisgeschlechtlich zuordnen möchten).
Der Ausdruck hat eine lange Geschichte in China und wurde im Laufe derer in unterschiedlichen Kontexten verwendet. In seiner eigentlichen Bedeutung meint tongzhi gemeinsamer Wille und gemeinsame Ziele. So bezeichnete er in der Qin-Dynastie (221–206 v. Chr.) Menschen mit gleichen Moralvorstellungen und Idealen. Eine politische Bedeutung bekam der Begriff erstmals zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch den berühmten Ausruf des Revolutionärs Sun Yatsen (孙逸仙, 1866–1925): „Die Revolution ist noch nicht vollendet. Genossen, wir müssen weiter hart arbeiten“ (geming shangwei chenggong, tongzhi reng xu nuli 革命尚未成功,同志仍需努力). Im sozialistischen Gebrauch bedeutet tongzhi also Genoss*in, was in der Mao-Ära als geschlechtsneutrale Anrede für Frauen und Männer gleichermaßen verwendet wurde. Nach 1978 sprach man sich auf diese Weise allerdings nur noch innerhalb der Partei an.
Im Rahmen der queeren Bewegung im Taiwan der 1990er-Jahre hat sich tongzhi als Bezeichnung für chinesische Mitglieder der LGBTIQ*-Community durchgesetzt und ist heute auch in der VR China geläufig. Der Begriff ist deshalb im chinesischen Sprachraum verbreitet, weil er zum einen aufgrund seiner Etymologie positiv konnotiert ist – er vermittelt Respekt, Gleichheit, Zusammenhalt, Widerstand – und zum anderen eine Gruppenidentität der chinesischen queeren Community über die Landesgrenzen hinaus stiftet. Tongzhi beschreibt zudem ein Gegenkonzept zum westlichen Zentrismus der global verwendeten englischen Bezeichnung gay (global gay) und bietet im chinesischen Sprachraum einen leichteren Zugang in die Thematik als queer oder gay.