Schriftsprache (klassisches Chinesisch)
Bis etwa 1900 spielte in der chinesischen Elite die “Schriftsprache” (wenyanwen 文言文, auch klassisches Chinesisch oder Literatursprache genannt), eine wichtige Rolle. Diese Schriftsprache unterschied sich bereits ab der Qin-Dynastie 秦 (221-206 v.u.Z.) stark von der gesprochenen Sprache. Sie benutzte zwar großenteils die gleichen Schriftzeichen wie die Umgangssprache, aber die Bedeutung, Grammatik und Syntax waren oft komplett unterschiedlich. Diese Schriftsprache wurde durch die Benutzung in offiziellen Dokumenten sowie literarischen Werken überliefert. Besonders wichtig waren dafür die Konfuzianischen Klassiker sowie literarische und philosophische Texte. Die klassische Schriftsprache fungierte lange Zeit sowohl innerhalb Chinas als auch im ostasiatischen Raum (z.B. Japan und Korea) als eine Art lingua franca, wobei Nutzer unterschiedlicher Sprachen sich über die gemeinsame Schriftsprache verständigen konnten. Da sie aber nur für die gebildeten Oberschichten verständlich war und tief in traditionellen Denkmustern und hierarchischen Strukturen verwurzelt war, wurde die klassische Schriftsprache im Rahmen der gesellschaftlichen und politischen Umbrüche im frühen 20. Jhd. allmählich durch die schriftliche Form der Umgangssprache (baihua 白话) ersetzt. Die klassische Schriftsprache wurde damals als eine Hürde für den Aufbau eines „neuen“ Chinas wahrgenommen. Auch heutzutage gibt es im Chinesischen einen Unterschied zwischen Umgangssprache und formellen Texten, ähnlich wie in fast allen anderen Sprachen, aber der Unterschied ist heute deutlich kleiner als früher. Als Fach wird “Klassisches Chinesisch” (gudai Hanyu 古代汉语) bis heute in der Schule unterrichtet, wobei es (wie z.B. in Europa bei Latein) in erster Linie um das Lesen und Verstehen von klassischen Texten geht.
Synonyme:
Klassisches Chinesisch; Literatursprache