Vom Willen zur Freiheit – China im globalen Kontext
Vermittlungsprogramm der China-Schul-Akademie
Unter dem Titel „Vom Willen zur Freiheit – China im globalen Kontext“ finden, organisiert von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, im Herbst 2024 in Heidelberg eine Ausstellung, mehrere Konzerte und ein Schulkonzert für Schüler:innen der 9.-12. Klasse statt. Begleitend wird ein Vermittlungsprogramm angeboten: Lehrkräfte, die mit ihren Klassen/Kursen ein oder mehrere dieser Veranstaltungen besuchen, können flexibel einfüh-rende Workshops zu ausgewählten Themen vereinbaren. Diese werden von Mitarbeiter*innen der China-Schul-Akademie durchgeführt.
Das Wissenschaftsjahr 2024 – Freiheit markiert das 75. Jubiläum der Gründung der Bunderepublik Deutschland – zugleich feiert die Volksrepublik China ihr 75-jähriges Bestehen. 2024 feiern wir auch 35 Jahre Mauerfall, das Ende der DDR nach monatelangen Rufen nach Freiheit – zugleich jährt sich das „Tian’anmen Massaker“, die blutige Niederschlagung der Demonstrationen für Demokratie und Freiheit auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking durch die chinesische Staatsgewalt.
Was bedeutet der Wille zur Freiheit in China, in Hong Kong, Taiwan und der Volksrepublik, in der chinesischen Diaspora, im ausländischen Exil? Wie wird wann und wo Freiheit erreicht und von wem? Welche Möglichkeiten, welchen Freiheitswillen können wir in chinesischer Kulturproduktion beobachten, die immer wieder in der Geschichte staatlichen Repressalien ausgesetzt war und ist?
Ausstellung: Mächtiger als das Schwert: Freiheit schreiben
11.10.2014-1.11.2024
Universitätsmuseum / Betriebswerk

Kalligraphie und Tuschemalerei sind in China seit jeher untrennbar mit Politik und Strukturen der Macht verbunden: Als eine Art Lingua franca garantierte Kalligraphie den kulturellen Zusammenhalt in diesem riesigen Reich mit vielen Dialekten. Kalligraphie und Malerei verlieh den sogenannten Literati sozialen Status und Zugang zur Macht. In kaiserlichen Prüfungen mussten nach strengen stilistischen Regeln Aufsätze oder Gedichte verfasst und kalligraphisch ansprechend gestaltet werden. Die Ausstellung mit dem Titel "Mächtiger als das Schwert: Freiheit schreiben", die ab Oktober im Universitätsmuseum zu sehen sein wird, zeigt zeitgenössische Positionen, die sich dieses Potentials von Kalligraphie und Kunst bedienen. Sie vereint die Arbeiten von drei zeitgenössischen Künstlern chinesischen Ursprungs: Chen Tong (*1962), Huang Rui (*1952), Yang Jiechang (*1956) und Zheng Guogu 郑国谷 (*1970) und der Yangjiang Group.
Gesprächskonzert und Film: Freiheiten I
Konzert mit Werken von Wang Xilin und Isang Yun und Gespräch mit Wang Xilin zum Dokumentarfilm „Man in Black“ (2023) von Wang Bing
Fr., 11.10.2024, 20 Uhr | Betriebswerk
ensemble aisthesis | Ekkehard Windrich
Eintritt: Schüler*innen 5 €

Isang YUN (1917-1995) ist einer der wichtigsten klassischen Komponisten Koreas. Als Freiheitskämpfer im 2. Weltkrieg von den Japanern gefoltert, wurde er 1967 durch den südkoreanischen Geheimdienst nach Seoul verschleppt und dort der Spionage für Nord-Korea angeklagt. Im Gefängnis wurde er erneut gefoltert. Die Intervention der internationalen Musikwelt konnte eine lebenslange Freiheitsstrafe verhindern. WANG Xilin (*1936) ist einer der wichtigsten modernen klassischen Komponisten Chinas. Während der Kulturrevolution war er schwerer Verfolgung ausgesetzt und musste Schläge, Gefängnis und Folter ertragen. Sein musikalisches Oeuvre reflektiert diese Erfahrungen. Das Klangforum rahmt mit den Oktetten von WANG Xilin und Isang YUN ein Gespräch mit dem chinesischen Komponisten zum Screening des Dokumentarfilms von WANG Bing (*1967) „Man in Black“ (2023). Der Film zeigt Körper und die Seele eines Mannes, der von einem Leben voller Folter und Leiden gezeichnet ist und dennoch zu tiefem und aufrichtigem Mitgefühl fähig ist. Zu den Klängen seiner Musik lässt er die schrecklichen Ereignisse Revue passieren, die in seiner Erinnerung als Zeugnis einer (andauernden) Epoche lebendig sind, in der die gesamte chinesische Nation entmenschlicht und aller ihrer Freiheiten beraubt wurde und wird.
Freiheiten II „Do you hear the people sing?”
Auftragswerke von Ying Wang (UA) und Yiran Zhao (UA) sowie "Public opinion Descends upon its Demonstrators" von Robert Ashley und Motetten von Guillaume de Machaut
Konzerte: Sa. und So., 23.- 24.11.2024, 19 Uhr | Hebelhalle
Schulkonzert: So. oder Mo., 24/25.11.2024, vormittags (nach Absprache)
SCHOLA HEIDELBERG | ensemble aisthesis | Ekkehard Windrich
Eintritt: Schüler*innen 5 €

In China besteht eine sehr lange Tradition der künstlerisch-kritischen Auseinandersetzung mit den herrschenden Verhält-nissen. Lieder, Musik, Kunst spiegeln innerhalb der chinesischen Philosophie den Zustand eines Landes. Deswegen ist es für jeden Herrscher wichtig, zu hören, was die Menschen singen. Dieser Tradition folgend werden sich die chinesischen Komponistinnen Ying WANG (*1976) und Yiran ZHAO (*1988) in eigens für das Projekt in Auftrag gegebenen Neukompositionen mit dem Thema „Freiheit“ in China künstlerisch auseinandersetzen. Dadurch eröffnet das Projekt Freiraum für die Kunst, der auch in der Volksrepublik China zwar theoretisch gegeben sein sollte, aber nicht wird.

WANG Ying lässt sich von dem Ballettstück „Das weißhaarige Mädchen“ inspirieren. Die Geschichte, in der eine vor einem brutalen Gutsbesitzer fliehende Magd von der chinesischen Roten Armee befreit wird, wurde in der Kulturrevolution zum Modellstück und erlangte so besondere Popularität. In WANGs Neukomposition wird sie mit dem „weißhaarigen Mädchen“ Elsa aus dem Disney-Film Frozen zusammengebracht, die, zunächst der Freiheit beraubt, später aus freien Stücken der Heimat entsagt, um andere zu schützen. In „Interview with the White-Haired Girl“ begegnen sich die beiden Titelheldinnen und hinterfragen kritisch ihr jeweiliges Freiheitsverständnis.
Yiran ZHAOs Auftragskomposition erinnert an einen weiteren fragwürdigen Befreiungsmoment, einen Aufruf zur „freien Rede“, der schnell ins Gegenteil verkehrt wurde: 1956 ermunterte Mao Zedong mit der „Hundert-Blumen-Bewegung“ zu einem Wettstreit der Ideen, in dem auch zur Kritik an den herrschenden Verhältnissen aufgerufen wurde. Als die Regierung erkannte, wie heftig diese Kritik ausfallen würde, wurde die Bewegung gestoppt, Unzählige (darunter WANG Xilin) bestraft. In Robert Ashleys (*1961) Stück wird das Publikum mit Stille und leerer Bühne konfrontiert—nur einige Lautsprecher stehen herum. Wird das Publikum unruhig, erfolgt eine akustische Reaktion durch die Lautsprecher. Kommt es zu lautstarkem Protest, wird die Beschallung zur akustischen Bestrafung, für die Ashley in seinem radikalen Frühwerk drastische Anweisungen gab.
Vermittlungsprogramm
Lehrkräfte, die mit ihren Klassen/Kursen die Ausstellung oder Konzerte besuchen, können flexibel einführende Workshops zu ausgewählten Themen vereinbaren. Diese werden von Mitarbeiter*innen der China-Schul-Akademie durchgeführt. Materialien zu den hier aufgeführten Themen sind bereits ausgearbeitet und können auf der Plattform ChinaPerspektiven eingesehen werden: china-schul-akademie.de. Auf Anfrage können auch andere Schwerpunkte gesetzt werden.
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Modul „Wie klingt China“ – Musik Wie klingt China? Was ist chinesische Musik? Gemeinsam wagen wir eine musikalische Entdeckungsreise durch China. Dabei werden auch historische, politische und gesellschaftliche Entwicklungen hörbar: von Peking-Oper über Rap-Songs bis hin zur tönenden Müllabfuhr ist alles dabei. |
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Das politische System der Volksrepublik China Um das politische System der Volksrepublik (VR) China zu charakterisieren blicken wir auf die Rolle der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), den Staatsaufbau der VR China und das Verhältnis zwischen in der Verfassung verankerten Grundrechten und der Rechtswirklichkeit. |
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Internetzensur Wo liegen die Grenzen des Sagbaren in der VR China – hinter der „Great Firewall“? Welche Mittel werden zur Einschränkung von Meinungsfreiheit und Beeinflussung der öffentlichen Meinung eingesetzt? Wie gehen Internetnutzer*innen in China damit um? Das von der China-Schul-Akademie entwickelte Kartenspiel Zensiert! greift diese Fragen spielerisch auf. |
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Mao-Kult und Kulturrevolution Anhand von Postern der Mao-Zeit zeichnen wir die Geschichte der Volksrepublik China von ihrer Gründung 1949 bis zum Tod von Mao Zedong nach. Welche Folgen hatten die von Mao angestoßenen Kampagnen, wie die Kulturrevolution, auf die chinesische Bevölkerung? Und welche Rolle spielt der Mao-Kult bis heute? |
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Chinesische Schrift und Kalligraphie Die chinesische Schrift ist Grundlage für den kulturellen Zusammenhalt Chinas. Nach einer Einführung in die Entwicklung und Bedeutung der chinesischen Sprache(n) und Schrift wird gemeinsam zu Pinsel und Tinte gegriffen. |
Zielgruppe / Anknüpfungspunkte
Geschichte (10. Klasse: China: ein Imperium im Wandel): Das Konzertprogramm bietet Anlass sich intensiv mit dem Thema Maoismus und Kulturrevolution sowie mit chinesischen Erinnerungskulturen auseinanderzusetzen. Im Rahmen des Vermittlungsprogramms können zudem weitere lehrplanrelevante Einheiten zur Geschichte Chinas und zum Mao- Kult angeboten werden.
Musik: Die Konzerte bieten Anlass sich intensiv mit Musik des 20. und 21. Jahrhunderts und Phänomenen der Transkulturalität auseinanderzusetzen (Oberstufe) sowie im Gespräch mit Komponist:innen und Interpret:innen des KlangForums Heidelberg die politische Motivation der in Deutschland lebenden Komponistinnen WANG Ying und ZHAO Yiran, sowie Wechselbeziehungen zwischen Komponisten, Interpreten und Zuhörern zu thematisieren (9.-10. Klasse). Im Rahmen des Vermittlungsprogramms können zudem andere Genres und chinesische Musikkulturen vorgestellt werden.
Kunst: Anhand des Films „Man in Black“ (WANG BING Cannes 2023), der das Schicksal des chinesischen Komponisten WANG Xilin darstellt, kann Körperlichkeit in der Kunst sowie die Wechselbeziehungen zwischen Macht und Kunst diskutiert werden. Die Ausstellung „Mächtiger als das Schwert“ bietet Anlass sich mit außereuropäischer Gegenwartskunst auseinanderzusetzen. Begleitend kann eine Einführung in die chinesische Kalligraphie angeboten werden.
Deutsch | Ethik: Die Ausstellung „Mächtiger als das Schwert: Freiheit schreiben“ regt dazu an, Schrift und Sprache als Instrument zur Durchsetzung politischer und gesellschaftlicher Interessen und der Machtausübung zu diskutieren. Begleitend kann eine Einführung in die chinesische Sprache und Schrift sowie Kalligraphie angeboten werden.
Kosten
Der Eintritt zu den Konzerten des KlangForum Heidelberg beträgt 5 € pro Schüler*in. Das Vermittlungsprogramm ist ein kostenloses Angebot der China-Schul-Akademie.
Kontakt
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Dr. Odila Schröder ist Mitarbeiterin im Projekt China-Schul-Akademie am Institut für Sinologie der Universität Heidelberg. Bei Interesse an den Veranstaltungen und dem Vermittlungsprogramm wenden Sie sich formlos an mich! Gerne entwerfe ich mit Ihnen ein passendes Programm für Ihren Unterricht. Email: [email protected]Mobil: +49 157 35483845 |
Die Veranstaltungsreihe „PERSPEKTIVE:FREIHEIT“ der Union der deutschen Akademie der Wissenschaften findet im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Wissenschaftsjahres „Freiheit“ statt. Die Konzerte sind eine Kooperation zwischen dem Centrum für Asienwissenschaften und Transkulturelle Studien der Universität Heidelberg, dem Konfuzius Institut und dem KlangForum Heidelberg.