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Autor | Titel | Entstehungsdatum und -ort | Objektbeschreibung | Rechte | Einordnung |
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Urheber*in: Yan Fu 嚴復 (1853-1921) | Titel: Eine Replik zur Berichterstattung der Times über die deutsche Besetzung der Jiaozhou-Bucht 駁英太晤士報論德踞胶澳事 | In: Guowen bao 國聞報 24.11.1897. | Übersetzung: Jonas Schmid (zitiert und leicht überarbeitet nach: Jonas Schmid: China im Geschichtsunterricht. Ansätze der Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus. Masterarbeit Universität Tübingen 2020, S. 69-74.) | Rechte der Übersetzung: Creative Commons BY-SA 4.0 | Einordnung: Dieser Einordnungstext gibt Hintergrundinformationen zum historischen Kontext sowie zum Autor der Quelle und bietet außerdem einige Anmerkungen zur Übersetzung. Historischer Hintergrund Ab den 1880er-Jahren kam es weltweit zu einem Wettrennen der imperialistischen Mächte um die Aufteilung Afrikas und weiter Teile Asiens. Neben Japan, Frankreich, Großbritannien und Russland forderten auch deutsche Handelsverbände einen eigenen Stützpunkt in China und fanden Unterstützung beim kolonialbegeisterten Kaiser Wilhelm II. Bereits im November 1896 hatte man sich innerhalb der deutschen Regierung geeinigt, einen Stützpunkt in der Jiaozhou-Bucht zu errichten. Diese Bucht hat ihren Namen durch die in der Nähe liegende Stadt Jiaozhou 膠州 (alte Umschrift: Kiautschou) bekommen. Bereits im November 1896 hatte das deutsche Kaiserreich auch begonnen, die Besetzung zu planen: Deutsche Marinesoldaten sollten in Qingdao an Land gehen, als Hoheitszeichen die Flagge des Deutschen Reiches hissen, Land ankaufen und mit der Errichtung von Gebäuden beginnen. Erst nach dieser Besitznahme sollten dann Verhandlungen mit China über eine vertragliche Regelung begonnen werden (Leutner 1997, 105-106). Der Mord an zwei deutschen Missionaren am 1. November 1897 im Süden der Provinz Shandong 山东 (der Provinz, in der auch die Jiaozhou-Bucht liegt) diente der deutschen Regierung und Kaiser Wilhelm II. dann als Vorwand, um den Hafen Qingdao 青岛 in der Jiaozhou-Bucht zu besetzen (Leutner 1997, 119) – genauso wie es Yan Fu in seinem Artikel bereits damals mutmaßte. Am frühen Morgen des 14. Novembers ankerten drei Schiffe der kaiserlichen Marine – S.M.S. Cormoran, S.M.S. Kaiser und S.M.S Prinzeß Wilhelm. An Land gegangen überreichten die deutschen Soldaten dem befehlshabenden chinesischen General vor Ort Zhang Gaoyuan 章高元 (1843-1912) ein Ultimatum: Alle chinesischen Soldaten mussten innerhalb von drei Stunden die Lager räumen. Gleichzeitig hatten die Deutschen die Telegraphenkabel gekappt, sodass Zhang keine Rücksprache mit seinen Vorgesetzten halten konnte. Daraufhin gab Zhang den Befehl, die Lager zu räumen und die chinesischen Soldaten zogen sich zurück – gegen Mittag waren die chinesischen Militäranlagen bei Qingdao ohne Blutvergießen von Deutschland besetzt worden (Leutner 1997, 124-128). Ab dem 20. November 1897 begann Deutschland mit der chinesischen Regierung der Qing-Dynastie Angesichts der militärischen Übermacht der deutschen Flotte lenkte die chinesische Regierung ein und unterzeichnete im März 1898 einen Vertrag, der die Jiaozhou-Bucht mitsamt des Hafens Qingdao für 99 Jahre an Deutschland verpachtete (Leutner 1997, 164-168). In Deutschland entspann sich am 8. Februar 1898 nach der Besetzung Qingdaos im Reichstag eine heftige Debatte, in der beispielsweise August Bebel (1840-1913), Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei, das deutsche Vorgehen als Bruch der „Regeln der internationalen Politik“ geißelte und dabei ähnlich argumentierte wie Yan Fu weniger als drei Monate zuvor: „Bekanntlich war der Vorwand für den Einbruch in China die Ermordung zweier katholischer Missionare. Daß für einen solchen Vorgang die deutsche Regierung Genugtuung suchte, ist selbstverständlich; aber, meine Herren, nach den Regeln der internationalen Politik ist es in einem solchen Falle doch so, daß die Regierung des geschädigten, benachteiligten Landes bei der fremden Regierung, in deren Land die Untat geschah, Anfrage hält, ob sie gewillt ist, die und die Genugtuung für die geschehene Gewalttat zu geben, und daß erst in dem Augenblick, wo die fremde Regierung sich weigert, eine solche Genugtuung zu geben, alsdann die verletzte und geschädigte Regierung in der Lage und verpflichtet ist, mit allem Nachdruck, der ihr zu Gebote steht, gegen das fremde Land vorzugehen. Meine Herren, in dieser einfachen, natürlichen, der internationalen Höflichkeit entsprechenden Weise ist aber von seiten der deutschen Regierung nicht vorgegangen worden. Obgleich man sicher bereits wußte, daß China bereit sei, jede Genugtuung zu geben, die man zu fordern entschlossen war, ist man ohne weiteres dazu übergegangen, der in den ostasiatischen Gewässern stationierten deutschen Flottille die Weisung zu geben, Jiaozhou zu besetzen, die dort anwesenden chinesischen Truppen zu verjagen und von der Bucht und den sie umgebenden Ländereien Besitz zu ergreifen.“ (Leutner 1997, 161) Dem deutschen Beispiel folgend, begannen dann auch Frankreich, Russland und Großbritannien in den darauffolgenden Jahren weitere koloniale Handelsposten in China zu besetzen. Auch in China rief die Besetzung Qingdaos durch deutsche Truppen lautstarke Reaktionen hervor. In den darauffolgenden Tagen und Wochen erschien eine Vielzahl von Artikeln in chinesischen Zeitungen und Zeitschriften wie der Guowenbao 國聞報, der Shenbao 申報 oder der Waijiaobao 外交報 (Qingdaoshi bowuguan u.a. 1986, 428-521). Insbesondere in der Guowenbao, die unter anderem von Yan Fu herausgegeben wurde und zum ersten Mal Ende Oktober 1897 erschienen war, erschienen viele Artikel zum Thema. Neben kürzeren Meldungen war darunter vor allem ein anonymer Kommentar in der Ausgabe vom 19.11.1897 (nicht wie in Leutner (1997, 134) und Qingdaoshi bowuguan u.a. (1986, 430) behauptet am 20.11.1987), der vor allem die chinesischen Beamten vor Ort kritisierte und Deutschland keine bösen Absichten nachsagte (Leutner 1997, 134-136). Darin heißt es unter anderem: „Doch im allerjüngsten Zwischenfall, bei dem deutsche Missionare im Kreis Juye des Caozhou-Distriktes der Provinz Shandong ermordet wurden, muß die Herangehensweise des dortigen Provinzgouverneurs Li Bingheng allergrößte Zweifel angebracht erscheinen lassen. In welchem Land kommt es nicht vor, daß Menschen einander ermorden? Und in welchem Land bestehen nicht Zwistigkeiten zwischen Gläubigen und anderen Bevölkerungsteilen? In Caozhou treiben seit jeher regelmäßig Banditen ihr Unwesen. Bei den Tätern handelte es sich um gegen die Gesetze verstoßende Elemente. Diese Tatsachen hätten bei den Ausländern garantiert Berücksichtigung gefunden. Hätten die Lokalbeamten unverzüglich Mitleid für die Betroffenen gezeigt und Schadenersatz angeboten, die Schuldigen ergriffen und verurteilt, sowie alle säumigen Amtspersonen bestraft, wären auch die Ausländer trotz ihrer kriegerischen Natur von unserer Aufrichtigkeit überzeugt gewesen. Auch wenn nicht gleich alle Schuldigen gefaßt worden wären, so hätte man gewiß unsere Bemühungen gewürdigt und nicht, ohne uns zu Wort kommen zu lassen, zugeschlagen. Hätten dann etwa deutsche Truppen die Jiaozhou-Bucht besetzt? Aber als sich der Vorfall ereignete, hat der weise Feldherr Li [Bingheng] nicht ein Sterbenswörtchen über den Mord an den Missionaren oder eventuelle Aktivitäten zur Ergreifung der Schuldigen telegraphiert bzw. berichtet. Erst als der Hof von dem Zwischenfall Kenntnis erhielt und daraufhin Li Bingheng strengstens anwies, sich des Falles anzunehmen und dann seine Geschäfte an den Nachfolger zu übergeben, erstattete er einen Bericht. […] Der weise Feldherr Li ist einer von jenen Provinzgouverneuren, die sich für zu erhaben halten, um sich mit westlichen Angelegenheiten zu beschäftigen. Ist es wirklich so großartig, sich nicht um Westliches zu kümmern? […] An einem Platz, wo besonders häufig Angelegenheiten mit den Ausländern zu regeln sind, stimmen umso mehr seine Ansichten mit der Wirklichkeit und seine Fähigkeiten mit den Erfordernissen nicht überein. Er scheint es aber für das allergrößte zu halten, gegen alles Westliche zu sein. […] Unter den in Asien agierenden Großmächten kann Deutschland als militärisch starker und kulturell hochstehender Staat gelten. Seine Aufgeklärtheit ist allseits bekannt. China unterhält seit Jahrzehnten zu Deutschland einträchtige Beziehungen. Niemals ist es zu militärischen Konflikten gekommen. […] Deutschland fordert von uns lediglich eine harte Bestrafung der Verbrecher und umfassenden Schutz der Christen. An diesen Forderungen ist nichts Unmaßvolles. Deutschland wird gewiß nicht wegen dieser Kleinigkeiten seine traditionell guten Beziehungen zu China abbrechen.“ (Leutner 1997, 134-136) Mit dem Artikel von Yan Fu vom 24.11.1897 änderte sich diese Einschätzung, die Deutschland noch relativ positiv gegenüberstand und vor allem das (Nicht-)Handeln von Li Bingheng 李秉衡 (1830-1900), den Gouverneur der Provinz Shandong, kritisierten jedoch. Im ersten Text „Eine Replik zur Berichterstattung in der Times über die deutsche Besetzung der Jiaouzhou-Bucht“ vom 24.11.1897 kritisiert Yan Fu Deutschlands Vorgehen als barbarisch und einer zivilisierten Nation nicht angemessen. Noch schärfer als mit Deutschland geht er allerdings mit England (insbesondere der britischen Zeitung „The Times“) ins Gericht, die das deutsche Vorgehen gelobt hatte. In zwei späteren Texten hingegen kritisiert Yan Fu dann vor allem die chinesischen Beamten vor Ort, die dem Ultimatum der deutschen Truppen kampflos zugestimmt und Qingdao übergeben hatten: „Über den Rückzug von General Zhang Gaoyuan aus Jiaozhou“ 論膠州章鎮高元讓地 (Guowenbao vom 25.11.1897) und „Über Herrn Soundso, Magistrat in Jiaozhou“ 論膠州知州某君 (Guowenbao vom 14.12.1897). Aber auch im Artikel vom 25.11.1897 schreibt Yan Fu: „Das Überraschende ist, dass Deutschland sich schon lange als zivilisiertes Land bezeichnet, sein Verhalten jedoch wie das von Dieben und Barbaren ist.“ (訝德人久稱開化之國而行事類盜賊野蛮也。) Diese drei Artikel in der Guowenbao sind nicht namentlich gekennzeichnet, der chinesische Historiker Wang Shi 王栻 (1912-1983) hält sie jedoch für von Yan Fu verfasst und hat diese drei Texte daher auch in die von ihm herausgegebene Gesamtausgabe der Werke von Yan Fu aufgenommen (Wang 1986, 55-60). Yan Fu war nicht der einzige chinesische Intellektuelle, der sich zur Besetzung Qingdaos durch deutsche Truppen äußerte. Ein weiteres Beispiel ist der sich für Reformen einsetzende chinesische Gelehrte Kang Youwei 康有為 (1858-1927). (Zu Kang Youwei siehe Spence 1985, 13-88.) In einer Throneingabe im Januar 1898 (Leutner 1997, 151-153; Kang 1981, 201-212) sieht er die Besetzung Qingdaos durch Deutschland als Symbol für die Gefahr der Aufteilung Chinas durch ausländische Staaten und betont vor allem die Notwendigkeit von Reformen in China. Im Gegensatz zu Yan Fu bewertet er das deutsche Verhalten allerdings nicht. Auch er betont aber, dass die britische „Times“ sich lobend zu Deutschlands Vorgehen geäußert habe. Bereits vor Yan Fu hatte die Shanghaier Zeitung Shenbao am 21.11.1897 ihrer chinesischen Leserschaft auf ihrer Titelseite über die Berichterstattung der „Times“ informiert („Über den militärischen Vorfall in Jiaozhou“ Lun Jiaozhou bingshi 論膠州兵事). Der Artikel von Yan Fu kann also exemplarisch für die Sichtweisen chinesischer Intellektueller damals stehen, allerdings seine moralische Kritik besonders vor dem Hintergrund seiner eigenen Biografie zu verstehen! Zum Autor Yan Fu 嚴復 (1853-1921) kam in der Provinz Fujian an der chinesischen Südostküste zur Welt, wo er auch an einer der während der Selbststärkungsbewegung (für weitere Informationen siehe den Glossareintrag Selbststärkungsbewegung) gegründeten Schule Englisch, Mathematik, Physik, Chemie und das Navigieren lernte. Von 1877 bis 1879 studierte er dann in London. Nach China zurückgekehrt unterrichtete Yan an verschiedenen Schulen Mathematik und Navigation und veröffentlichte außerdem Artikel in Zeitschriften (Schwartz 1964, 22-41). Erst nach Chinas Niederlage gegen Japan im sino-japanischen Krieg 1894-1895 (siehe Glossareintrag) begann Yan sich politisch zu engagieren und eine Reihe von „Übersetzungen“ bekannter europäischer Werke zu veröffentlichen: Darunter Werke von Autoren wie John Stuart Mill („Über die Freiheit“ 1859), Montesquieu („Vom Geist der Gesetze“ 1748), Adam Smith („Der Reichtum der Nationen“ 1776) oder Herbert Spencer („Die Prinzipien der Soziologie“ 1874). Damit war Yan einer der ersten in China, der nicht nur technische oder religiöse Texte ins Chinesische übersetzte. Seine Übersetzungen und Artikel, in denen er unter anderem Ideen wie „Fortschritt“ und „Evolution“ nach China brachte beeinflussten spätere Generationen chinesischer Denker bis in die Gegenwart hinein tief. Westliche Ideen waren für Yan Fu ein Vorbild, um China wieder zu nationaler Stärke zurück zu helfen (Schwartz 1964, 42-43). Neben evolutionistischen Ideen setzte sich Yan Fu auch intensiv mit dem Liberalismus auseinander – in seinen Übersetzungen übernahm er westliche Ideen nicht einfach, sondern setzte sich mit diesen kritisch vor dem Hintergrund der chinesischen Kultur auseinander (Huang 2008). Zur Übersetzung In seinem Artikel bedient sich Yan Fu einiger Begriffe westlichen Ursprungs, die damals gerade „frisch“ in China adaptiert oder durch den Austausch mit dem Ausland in ihrer Bedeutung verändert worden waren. Begriffe wie beispielsweise „zivilisiert“ (kaihua 开花) und „Zivilisation“ (wenming 文明) waren nicht mehr nur allein das Gegenteil zur Barbarei (yeman 野蛮), wie in China lange Zeit umlegende Gesellschaften in Abgrenzung zur chinesischen Kultur bezeichnet worden waren, sondern hatten nun auch eine starke Bedeutung im Sinne von Fortschritt und Modern (Huang 2006, 11-20). Die Kritik von Yan Fu an Deutschlands Vorgehen bei der Besetzung Qingdaos ist daher nicht nur eine rein moralische – vielmehr wirft er Deutschland vor, die Regeln der modernen zwischenstaatlichen Beziehungen zu verletzen. Dies wird an den Begriffen „Allgemeinprinzip“ (gongli 公理) und „Allgemeinrecht“ (gongfa 公法), die Yan Fu verwendet, deutlich. Für Yan Fu ist ersteres, das „Allgemeinprinzip“, ein universales moralisches Grundprinzip in zwischenmenschlichen Beziehungen, das „Allgemeinrecht“ hingegen die universale Grundlage zwischenstaatlicher Beziehungen – im Sinne des internationalen Rechts (Jin/Liu 2001, 443). Vor Yan Fu hatten bereits die chinesischen Intellektuellen und Reformer Kang Youwei und Liang Qichao 梁啟超 (1873-1929) den Begriff „Allgemeinprinzip“ (gongli 公理) verwendet. Auch sie hatten diesen Begriff bereits vor allem im moralischen Sinne - als Benennung für ein umfassendes moralisches Prinzip, das sowohl für China als auch für den Westen gilt – verwendet (Jin/Liu 2001, 442-451). Chinesische, reformorientierte Intellektuelle bewerteten das Vorgehen Deutschlands und anderer ausländischer Staaten in China also anhand von Wertmaßstäben, die sie aus dem Ausland adaptiert hatten und in China verbreiteten. Politiker im Ausland wiederum sahen China damals jedoch nicht als gleichberechtigten Staat für den internationales Recht gelten würde. Ein Beispiel ist Deutschland: In den Parlamentsdebatten im Reichstag sahen allein die Sozialdemokraten das deutsche Vorgehen kritisch. August Bebel hatte bereits im Frühjahr 1898 die Besetzung Qingdaos als Bruch mit den „Regeln der internationalen Politik“ angeprangert. Deutlich wurde er auch zwei Jahre später als deutsche Truppen nach China geschickt wurden um den sogenannten „Boxeraufstand“ niederzuschlagen. Die Entsendung dieser Truppen nannte Bebel einen „Bruch des Völkerrechts“ und forderte „China muß als gleichberechtigter Staat anerkannt werden.“ Diese Forderung wurde von den Abgeordneten der anderen Parteien mit Gelächter quittiert – was deutlich macht, dass China (spätestens mit dem in Europa als extrem grausam dargestellten Aufstand der „Boxer“) eben als außerhalb des internationalen Rechts stehend gesehen wurde (Wielandt 2007, 166). Der Artikel von Yan Fu ist außerdem in der Tradition der klassischen chinesischen Schriftsprache verfasst, die sich im Jahr 1897 bereits sehr weit von der im Alltag gesprochenen Umgangssprache entfernt hatte und von gebildeten Personen in Texten genutzt wurde. Dazu gehören auch viele Zitate oder Anspielungen auf Klassiker der chinesischen Literatur. Ein (für chinesische Leser*innen sehr offensichtliches) Beispiel ist, wenn Yan Fu das Vorgehen der Deutschen als Seeräubern oder der Person, die am helllichten Tage Silber stiehlt bezeichnet. Der geflügelte Ausdruck „Die Person, die am helllichten Tage Silber stiehlt“ (清昼攫金之子) spielt an auf eine Geschichte aus dem Buch Liezi 列子 (5. Jhd. v. u. Z.): „Es war einmal ein Mann in Tsi [Qi 齊], der war sehr gierig nach Gold. Am frühen Morgen kleidete er sich an, setzte seine Mütze auf und ging auf den Markt. Da kam er an den Stand eines Goldwechslers. Er nahm das Gold und ging davon. Ein Polizist verhaftete ihn und fragte: „Ringsum stand doch alles voll Menschen; wie konntet Ihr da anderer Leute Gold wegnehmen?“ Er erwiderte: „Als ich das Gold nahm, da sah ich die Menschen nicht, ich sah nur das Gold.“ 昔齊人有欲金者, 清旦衣冠而之市, 適鬻金者之所, 因攫其金而去。吏捕得之, 問曰:‘人皆在焉, 子攫人之金何?’對曰:‘取金時, 不見人, 徒見金’ (Übersetzung: Wilhelm 1980, 181-183.) (Jonas Schmid, 10.11.2022) Leutner, Mechthild, Hrsg. 1997. „Musterkolonie Kiautschou“: Die Expansion des Deutschen Reiches in China. Deutsch-chinesische Beziehungen 1897 bis 1914. Dine Quellensammlung. Berlin: Akad.-Verl. Zitieren
Umfangreiche, thematisch geordnete Quellensammlung zu den deutsch-chinesischen Beziehungen zwischen 1897 und 1914 (mit einem Fokus auf Qingdao), die nicht nur deutschsprachige Quellen, sondern auch eine Vielzahl übersetzter chinesischer Quellen enthält. Metzger, Max Ko-wu Huang Foreword by Thomas A. 2008. The Meaning of Freedom: Yan Fu and the Origins of Chinese Liberalism. The Chinese University of Hong Kong Press. Zitieren
Schwartz, Benjamin Isadore. 1964. In search of wealth and power: Yen Fu and the West. Cambridge, Mass.: Harvard Univ. Press. Zitieren
Spence, Jonathan D. 1985. Das Tor des Himmlischen Friedens. Die Chinesen und ihre Revolution 1895-1980. München: Beck. Zitieren
Wielandt, Ute. 2007. Die Reichstagsdebatten über den Boxerkrieg. In: Kolonialkrieg in China. Die Niederschlagung der Boxerbewegung 1900–1901, hg. von Mechthild Leutner und Klaus Mühlhahn, 164–172. Berlin: Ch. Links. Zitieren
严复. 1986. 严复集. Hg. von 王栻. Bd. 1. Shanghai: 中华书局. (zugegriffen: 13. November 2022). Zitieren
嚴復. 1897. 駁英太晤士報論德踞胶澳事. 國聞報, 24. November. Zitieren
康有为. 1981. 康有为政论集(上下). Hg. von 汤志钧. Shanghai: 中华书局. (zugegriffen: 13. November 2022). Zitieren
金觀濤 und 劉青峰. 天理、公理和真理–––中國文化「合理性」論證以及「正當性」標準的思想史研究. 中國文化研究所學報, Nr. 10: 423–462. Zitieren
青岛市博物馆, 中国第一历史档案馆 und 青岛市社会科学研究所, Hrsg. 1986. 德国侵占胶州湾史料选编 (1897–1898). 山东人民出版社. Zitieren
O A. 1980. Das wahre Buch vom quellenden Urgrund: die Lehren der Philosophen Liä Yü Kou und Yang Dschu. 5. Aufl. Diederichs gelbe Reihe China 28. München: Diederichs. Zitieren
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