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Urheber | Titel | Quelle | Entstehungsdatum | Objektbeschreibung | Rechte | Einordnung |
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Urheber: Unbekannt | Titel: Die Deutschen in Kiautschou. Uebergabe des Fort. | Quelle: Joachim Zeller (2008): Bilderschule der Herrenmenschen. Koloniale Reklamesammelbilder. Berlin: Ch. Links Verlag, S. 45. | Entstehungsdatum: um 1900 | Objektbeschreibung: Reklamesammelbild zu einer deutschen Packung Kaffeepulver. Abgebildet ist die kahle Küste bei Qingdao, vor der drei Schiffe der Marine des deutschen Kaiserreichs ankern, ein kleines Beiboot setzt gerade über. Im Mittelpunkt des Bildes ist innerhalb der niedrigen Mauern eines Forts ein deutscher Marineoffizier zu sehen, der vor einer Gruppe von drei chinesischen Soldaten (erkennbar durch ihren langen Zopf, den alle Männer während der Qing-Dynastie (1644-1911) tragen mussten) salutiert. Hinter und neben ihm stehen drei weitere deutsche bewaffnete Marinesoldaten, drei weitere mit Gewehren bewaffnete Soldaten nähern sich dem Fort. Im Fort selbst stehen zwei gegen die deutschen Kriegsschiffe ausgerichtete Kanonen. Rechts neben den mit Degen bewaffneten chinesischen Soldaten weht bereits eine Fahne mit dem preußischen Adler und der Flagge des deutschen Kaiserreichs. Rechts unten findet sich außerdem das mit Lorbeerblättern umrankte Wappen des deutschen Kaiserreiches. Die linke obere Bildhälfte füllt ein mit Eichenblättern umranktes Porträt eines Capitän Rosenthals aus. Auf der Rückseite der Abbildung findet sich folgender Text: „Bei dem Anrücken der mit klingendem Spiel marschierenden Deutschen verloren die Chinesen dem Muth und flohen auf und davon. Der chinesische Commandant übergab dem Capitain Rosenthal die Befestigungen und stellte sich unter deutschen Schutz. Unter Hurrah wurde die deutsche Flagge gehisst und dann die Stadt [Qingdao] besetzt.“ | Bildrechte: Gemeinfrei | Einordnung: Das Reklamesammelbild zeigt den Prozess der Besetzung des deutschen „Schutzgebiet Kiaotschou“ (so der offizielle Name der Kolonie mit ihrem Zentrum Qingdao) im November 1897 aus deutscher Perspektive. Neben Japan, Frankreich, Großbritannien und Russland forderten auch deutsche Handelsverbände einen eigenen Stützpunkt in China und fanden Unterstützung beim kolonialbegeisterten Kaiser Wilhelm II. Bereits im November 1896 hatte man sich innerhalb der deutschen Regierung geeinigt, einen Stützpunkt in der Jiaozhou-Bucht zu errichten und erste Vorbereitungen zur Besetzung getroffen: Deutsche Marinesoldaten sollten dort an Land gehen, als Hoheitszeichen die Flagge des Deutschen Reiches hissen, Land ankaufen und mit der Errichtung von Gebäuden beginnen. Erst nach dieser Besitznahme sollten dann Verhandlungen mit China über eine vertragliche Regelung begonnen werden. (Leutner 1997, 105-106) Der Mord an zwei deutschen Missionaren am 01. November 1897 Süden der Provinz Shandong (der Provinz, in der auch die Jiaozhou-Bucht liegt) diente der deutschen Regierung und Kaiser Wilhelm II. dann als Vorwand, um den Hafen Qingdao in der Jiaozhou-Bucht zu besetzen. (Leutner 1997, 119) Angesichts der militärischen Übermacht der deutschen Flotte lenkte die chinesische Regierung ein und unterzeichnete im März 1898 einen Vertrag, der die Jiaozhou-Bucht mitsamt des Hafens Qingdao für 99 Jahre an Deutschland verpachtete. (Leutner 1997, 164-168)
Die Küste bei Qingdao war zwar durchaus karg und baumlos – das heißt jedoch nicht, dass die von Deutschland besetzte Gegend eine Ödnis fernab der Zivilisation war (Rathjen 2021, 37-41). Qingdao selbst war zum Zeitpunkt der deutschen Besetzung zwar nur ein Dorf am Rande der Jiaozhou-Bucht. Die Jiaozhou-Bucht selbst war jedoch bereits seit Jahrhunderten ein wichtiger Hafen für die kommerzielle und militärische Seefahrt Chinas gewesen und fungierte als wichtiger Knotenpunkt des interregionalen und internationalen Handels. Ebenso war die außerhalb der deutschen Kolonie – dem Schutzgebiet Kiautschou (Jiaozhou) – liegende Stadt Jiaozhou seit Jahrhunderten eine florierende Stadt gewesen. Auch die Tatsache, dass in Qingdao ein Fort der chinesischen Armee bestand, bestätigt die Wichtigkeit der Jiaozhou-Bucht. Der Qing-Regierung war außerdem das Interesse Deutschlands und anderer ausländischer Staaten an der Bucht nicht verborgen geblieben. In den Jahren vor der Besetzung hatte China daher versucht, die Bucht zu einem modernen Seehafen zu entwickeln – finanzielle Schwierigkeiten verhinderten dies jedoch (Leutner 1997, 67-76). Anders als das Sammelbild suggeriert, war Qingdao bzw. die Jiaozhou-Bucht also nicht einfach irgendein unbesiedelter Fleck in der chinesischen Provinz, sondern aus wirtschaftlicher und militärischer Sicht durchaus bedeutsam für das Qing-Reich. Gestik und Mimik der Personen im Zentrum des Sammelbilds lassen es auch wirken als sei die Besetzung Qingdaos durch die Deutschen ein ehrenhafter und gerechtfertigter Prozess gewesen. Besonders sticht hervor, dass von einer „Übergabe“ die Rede ist – diese Wortwahl betont ebenfalls nochmals die scheinbare Rechtmäßigkeit des deutschen Vorgehens. Der oben knapp zusammengefasste Bericht Otto von Diederichs hinterlässt im Vergleich zum Sammelbild jedoch eher den Eindruck, dass das deutsche Vorgehen am 14. November 1897 eine Überrumpelung der chinesischen Soldaten vor Ort war, also weniger ehrenvoll und rechtmäßig als das Sammelbild glauben machen will. Sammelbilder sollten gefallen, den Kunden an eine Marke binden und zum Kauf anregen. Ein wichtiger Schritt war dabei, dass die Kunden positive Assoziationen mit der Marke verbanden. Es verwundert daher wenig, dass mit der in Deutschland einsetzenden Kolonialbegeisterung, nachdem man 1884 die erste deutsche Kolonie Deutsch-Südwestafrika (heutiges Namibia) gegründet hatte, auch viele Firmen koloniale Motive auf ihre Sammelbilder drucken ließen. Die positiven Blickwinkel der Käuferschaft auf das deutsche Kolonialstreben sollten auch positive Assoziationen mit den durch Sammelbilder beworbenen Produkten hervorbringen (Jäger 2010, 165). Oft standen die Sammelbilder auch nicht für sich allein, sondern waren Teil einer Serie mit ähnlichen Bildelementen. Das vorliegende Sammelbild stammt aus einer Serie von sechs Sammelbildern mit dem Titel „Die Deutschen in Kiautschou“, die neben der Besetzung Qingdaos auch die Abfahrt des deutschen Marinegeschwaders aus Kiel nach Ostasien und den Besuch von Prinz Heinrich von Preußen, Bruder von Kaiser Wilhelm und Großadmiral der Marine, in Beijing 1898 zeigt. Teilweise wurden Sammelbilder auch von anderen Firmen wiederverwendet. Die Serie „Die Deutschen in Kiautschou“ wurde nicht nur von der Pfeiffer & Diller GmbH, einer Kaffeeersatzpulver herstellenden Firma aus Horchheim bei Worms, als Sammelbild verkauft, sondern auch von der Jurgens und Prinzen GmbH, einem Margarinefabrikanten aus Goch. Was sagt das vorliegende Sammelbild über das Genre des kolonialen Reklamesammelbildes aus? Die Bilder waren von Künstlern in Deutschland (meist ohne Auslandserfahrung) gezeichnet worden – gleichzeitig waren die Motive und Darstellungsformen jedoch nicht frei erfunden, sondern inspiriert von in Deutschland zirkulierenden Bildern, Berichten und stereotypen Bildern über die „anderen“ Menschen in der Ferne. Die (Weiter)verbreitung von stereotypen (oft auch, gerade wenn es um die deutschen Kolonien in Afrika ging, rassistischen) Bildern über die kolonialen „Anderen“ prägten das deutsche Bild über die Kolonien und die „Anderen“ dort enorm. Sammelbilder vermittelten ein durchweg positives Bild des Kolonialismus, bei dem die Stimmen der „Anderen“ ungehört blieben. Das wird im vorliegenden Fall der Besetzung Qingdaos, die als rechtmäßige „Übergabe“ Chinas an Deutschland dargestellt wird, sehr deutlich.
(Jonas Schmid, April 2021)
Verwendete Literatur Bügener, Annette. 2015. Die Heldengalerie des Qianlong-Kaisers: ein Beitrag zur chinesischen Porträtmalerei im 18. Jahrhundert. Europäische Hochschulschriften ARRAY(0x55708c38b1b8). Frankfurt am Main: Teilw. zugl.: Heidelberg, Univ., Diss., 2010. doi:10.3726/978-3-653-04668-7, . Zitieren
Dissertation zu Porträts chinesischer Generäle, die vom chinesischen Kaiser während der Qing-Dynastie im 18. Jahrhundert in Auftrag gegeben wurden und heutzutage in Museen auf der ganzen Welt verstreut sind. Jäger, Jens. 2010. Plätze an der Sonne? Europäische Visualisierungen kolonialer Realitäten um 1900. In: Kolonialgeschichten. Regionale Perspektiven auf ein globales Phänomen, hg. von Claudia Kraft, Alf Lüdtke, und Jürgen Martschukat, 162–184. Frankfurt ; New York: Campus Verlag. Zitieren
Wissenschaftlicher Aufsatz, der einen Überblick über die Rolle von visuellen Medien wie Postkarten oder Sammelbilder bei der Darstellung und Verbreitung stereotyper Bilder über die Kolonien und die dort Lebenden. Leutner, Mechthild, Hrsg. 1997. „Musterkolonie Kiautschou“: Die Expansion des Deutschen Reiches in China. Deutsch-chinesische Beziehungen 1897 bis 1914. Dine Quellensammlung. Berlin: Akad.-Verl. Zitieren
Umfangreiche, thematisch geordnete Quellensammlung zu den deutsch-chinesischen Beziehungen zwischen 1897 und 1914 (mit einem Fokus auf Qingdao), die nicht nur deutschsprachige Quellen, sondern auch eine Vielzahl übersetzter chinesischer Quellen enthält. Dissertation der deutschen Historikerin Helga Rathjen, welche die Darstellung Qingdaos in deutschen Quellen als Diskurs untersucht. Rathjen beleuchtet, wie die Deutschen in der räumlichen Anordnung der Stadt und in schriftlichen Diskursen über Krankheit und Hygiene ein Bild von den Chinesen als "den Anderen" schufen. Zeller, Joachim. 2008. Bilderschule der Herrenmenschen: koloniale Reklamesammelbilder. 1. Aufl. Berlin: Links-Verl. Zitieren
Reich bebilderter Band, der eine Vielzahl kolonialer Sammelbilder zu verschiedenen deutschen Kolonien zugänglich macht. |